Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 41

8.

Оглавление

„Anker auf!“ befahl Ben Brighton. Er stand breitbeinig auf dem Achterkastell. Neben ihm Carberry, der Profos, der die Befehle lautstark weiterbrüllte.

Der Wind hatte aufgefrischt, es war kühl geworden. Arwenack war aus den Wanten verschwunden und hatte sich an Deck verkrochen, weil ihn fror.

Auf der Schaluppe holte man ebenfalls den Anker ein.

Brighton zeigte hinaus aufs Meer, das an der Kimm mit dem Himmel verschmolz, ohne daß man eine Trennlinie ziehen konnte.

„Wir laufen mit leichter Besegelung, Ed. Schön langsam, wir haben keine Eile und steuern, wenn wir etwa dreißig Meilen nordwärts gelaufen sind, in Richtung Trevose Head.“

Carberry nickte. Sein Rammkinn schob sich vor. Er steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Meinst du, daß es wirklich besser ist, auszulaufen?“

„Ja, ich glaube schon. Die Küste scheint mir zu unsicher. Ich möchte nicht gern gesehen werden. Hast du einen besseren Vorschlag?“

„Nun, das nicht gerade“, sagte der Profos. „Nur sind wir dann ziemlich weit vom Schuß!“

„Das weiß ich. Aber hier sind wir zu dicht am Schuß. Wenn ein Schiff die Küste abfährt, findet es uns zwangsläufig.“

„Das ist auch wieder richtig“, gab der Profos zu. „Dann werde ich mal an Bord gehen. Ich bleibe in deinem Kielwasser.“

„Tu das! Brauchst du noch ein oder zwei Männer?“

„Nicht nötig, ich komme klar.“

Carberry sprang zur Schaluppe hinüber, als ob er sie entern wollte.

„Auf, auf, ihr lahmen Säcke, der Anker könnte längst gehievt sein“, grollte er. Irgendwie paßte es ihm nicht, daß Ben jetzt einfach so davonsegeln wollte. Was konnte ihnen hier schon viel passieren, dem sie nicht gewachsen waren?

Nun ja, sagte er sich selbst. Es konnte ja auch ein englisches Kriegsschiff die Buchten abfahren, um die Suche nach der „Isabella“ aufzunehmen. Also war es doch besser, wenn sie sich ein Stückchen weiter hinauswagten, wo sie niemand sah.

Die Taue wurden gelöst. Langsam strebten die beiden Schiffe auseinander. Die Anker waren an Bord.

Brighton ließ nur ein paar Segel setzen, damit die Galeone mäßige Fahrt lief. Achteraus nahm die mit Carberry, Matt Davies, Al Conroy, Gary Andrews und Stenmark besetzte Schaluppe ebenfalls Fahrt auf und folgte der Galeone. Auf der „Isabella“ stand der riesenhafte Schmied von Arwenack am Kolderstock, Old Shane, der finster über das Deck starrte.

Jean Ribault, der fast ebenso scharfe Augen hatte wie Dan O’Flynn, enterte in die Wanten und bezog seinen Ausguckposten.

Ferris Tucker registrierte seine ersten Erfolge, als er die Hühnerställe inspizierte. Vier Hennen hatten gelegt, zwei von ihnen vollführten ein mörderisches Gegacker, hauptsächlich weil Arwenack, der neugierige Schimpanse, immer wieder seine behaarten Arme durch die Gitter streckte und nach den Eiern grapschen wollte.

„Hau ab“, knurrte Tucker, „das ist doch nichts für dich!“

Fast beleidigt starrte der Affe ihn an, bleckte das Gebiß, griff dann blitzschnell nach Tuckers speckiger Mütze und flitzte los.

An Deck brandete schallendes Gelächter auf. Der Affe, die speckige Mütze unter dem Arm, in Segeltuchhosen und einer Jacke, die ihn umschlotterte, raste wie ein Blitz um den fluchenden Tucker herum, umkreiste ihn, bleckte wieder die Zähne und stülpte sich den Deckel auf den Kopf.

Ferris Tucker erschien es, als grinse ihn der auf und ab hüpfende Arwenack höhnisch an. Mal stand er auf den Hinterbeinen, dann wieder auf allen vieren und hopste, bis Tukker heran war und voller Wut nach seiner Mütze griff.

Arwenack war jedoch schneller. Als Ferris sich in seiner Wut nach einem Wurfgeschoß umsah, flitzte der Affe in den Großmast. Dort steckte er zwei Finger in sein Maul und zog es breit auseinander. Aber die Mütze behielt er auf, verkehrt auf den Schädel gestülpt. Da gab Ferris Tukker zähneknirschend auf und sah sich mißmutig nach den schadenfrohen Lachern um. Doch die hatten allesamt plötzlich ernste Gesichter.

Whitesand Bay schrumpfte hinter der Galeone zusammen und verschwand als langgezogener Strich. Zwei Kabellängen hinter ihnen segelte Carberry die Schaluppe durch die langgezogenen leichten Wellen ohne Schaumkronen. Die See sah aus wie träges Blei, das in langsame Bewegung geraten war.

Mit der leichten Besegelung erreichten sie am Frühnachmittag den imaginären Punkt, an dem Ben Brighton den Nordkurs verließ.

„Neuer Kurs Ost!“ rief er Big Old Shane zu.

„Kurs Ost, aye, aye“, wiederholte der riesige Schmied. „Das ist Richtung Trevose Head!“

„Stimmt genau. Dort wird uns keiner suchen.“

Getreulich folgte die Schaluppe dem neuen Kurs.

Die ab und zu kurz hervorbrechende Sonne hatte ihren Kulminationspunkt längst überschritten, als Ribaults lauter Ruf aus dem Mast ertönte: „Mastspitzen Steuerbord voraus. Zwei, oder drei!“

Schlagartig war es mit der Ruhe und Beschaulichkeit an Bord der beiden Schiffe vorbei. Ribault signalisierte seine Meldung an die Schaluppe weiter. Dort hob Carberry den rechten Arm zum Zeichen, daß er verstanden hatte.

Ben Brighton auf dem Achterkastell nahm das Spektiv zur Hand und suchte nach den Mastspitzen. Er fand sie sofort. Drei waren es, die ihrem Kurs entgegensegelten. Er konnte die Schiffe noch nicht genau erkennen, dafür war die Entfernung zu groß.

Tucker erschien neben ihm auf dem Achterkastell. Ben Brighton reichte ihm das Spektiv und ließ ihn einen Blick hindurchwerfen.

„Es könnten Karacken sein, Ben“, erklärte er vorsichtig. „So genau läßt sich das noch nicht sagen.“ Er gab das Spektiv wieder an Ben Brighton zurück.

„Laß das Schiff gefechtsbereit machen, Ferris. Man kann nie wissen, was sich hier alles herumtreibt. Freundliche Begrüßungen werden wir kaum zu erwarten haben.“

„Vielleicht sind es irische Freibeuter“, erscholl Old Shanes Stimme. „Die treiben sich öfter hier an der Küste herum und misten aus.“

Ben Brighton nickte zustimmend. Klar, es war nicht auszuschließen, daß sich hier Freibeuter herumtrieben, die an den Küsten plünderten und raubten. Deshalb wollte er für alle Fälle gewappnet sein.

Tucker scheuchte sofort die Männer durcheinander.

„Los, Leute, zwei Mann unter Deck, Kugeln mannen. Die Culverinen werden gefechtsklar gemacht.“

Eine rege Emsigkeit setzte ein. Zwei Mann verschwanden unter Deck. Sie schleppten die siebzehn Pfund schweren Eisenkugeln nach oben, wo sie in die Tauringe gelegt wurden, damit sie nicht fortrollen konnten. Sogar der alte Haudegen O’Flynn, Dans kantiger Vater, packte eisern mit zu. Es war erstaunlich, welche Kräfte in dem alten Burschen steckten. Sein Holzbein war überall zu hören, wenn er herumflitzte.

Dadurch, daß Old Shane am Kolderstock stand und O’Flynn überall mithalf, fiel es nicht so auf, daß ein paar Leute fehlten. Da die Takelage nicht voll stand, konnten sie ruhig einige Männer entbehren. Alles lief wie am Schnürchen.

Handspaken, Ladeschaufeln, Ansetzer und Wischer lagen bereit. Die schweren Culverinen wurden geladen.

Ben Brighton, der vom Seewolf viel gelernt hatte, musterte seine Leute zufrieden. Alles klappte wie am Schnürchen. Im Traum kannte jeder der Männer seinen Handgriff und wußte, wo er anzupacken hatte, ohne daß es einer Aufforderung bedurfte. Ja, sie waren schon eine verdammte Crew, diese Männer, bei denen nur noch der Seewolf fehlte.

Ben Brighton versuchte, sich in die Gedanken des Mannes hineinzuversetzen. Was hätte Hasard jetzt getan? Er gelangte zu dem Schluß, daß der Seewolf vermutlich auch nicht anders gehandelt hätte. Oder hätte er von sich aus die drei Schiffe angegriffen?

Nein, entschied er. Das hätte er auch nicht aufs Spiel gesetzt, hier vor der Küste Cornwalls. Dazu war die Ladung, die die „Isabella“ in ihrem Bauch trug, viel zu kostbar. Hasard war nicht leichtsinnig. Er hätte das Schiff nur in Verteidigungszustand setzen lassen, wie Ben Brighton es jetzt tat.

Er zog das Spektiv auseinander und blickte hindurch. Mitunter waren nur zwei Mastspitzen zu sehen, dann wieder drei.

Er schaute zu Ribault hinauf, aber der winkte ab.

„Ich kann noch keine Einzelheiten erkennen, Ben!“ brüllte er hinunter. „Die sind noch weit weg!“

Zehn Minuten vergingen. Brighton blickte zu der Schaluppe hin. Was unternahm Carberry? Natürlich! Der Kerl hatte nichts anderes zu tun, als seine Geschütze ebenfalls feuerbereit zu machen. Das war eine Sache von kurzer Dauer, denn die Schaluppe hatte nur die beiden Drehbassen vorn und achtern.

Ferris Tucker erstattete Meldung.

„Alle Culverinen sind feuerbereit, Ben.“

„Danke, Ferris. Vielleicht brauchen wir sie nicht. Mir wäre es lieber, denn ich möchte ungern, daß unser Schiff beschädigt wird.“

Tucker nickte. Das waren ganz seine Gedanken. Sie waren, weiß Gott, keine Feiglinge, aber sie berücksichtigten doch einige Umstände, unter anderem den sagenhaften Schatz an Bord, den Seewolf, von dem sie immer noch nicht wußten, wie es ihm ging, und einiges andere mehr.

Deshalb kam es ihnen noch lange nicht in den Sinn, einfach abzudrehen und den drei Schiffen aus dem Weg zu gehen.

Wenn es sein mußte, würden sie eben kämpfen, vorausgesetzt, man griff sie an.

„Drei Karacken, einwandfrei zu erkennen!“ brüllte Jean Ribault vom Großmars. „Sie halten auf uns zu.“

„In Ordnung. Hast du ein paar Kartuschen laden lassen, Ferris?“

Ferris nickte. „In den Mitteldeckgeschützen.“

„Kurs halten!“ befahl Ben, und Old Shane bestätigte.

„Obermarssegel hoch!“

Die „Isabella“ nahm Fahrt auf, nachdem die Segel gesetzt waren. Jetzt lag mehr Druck auf dem Ruder, sie konnten schneller manövrieren und waren wendiger.

Tucker signalisierte „drei Karakken“ an Carberry weiter. Aber der alte Fuchs hatte längst begriffen, und er verhielt sich entsprechend. In der harten Schule des Seewolfes hatte er eine Menge gelernt.

Ben Brighton sah wieder durch den Kieker. Lange diesmal, bis er schließlich nickte.

„Es scheinen Iren zu sein“, murmelte er.

„Sag ich doch“, grollte Old Shane. „Freibeuter, die an der Küste plündern. Iren, ho! Die werden sich wundern, wenn sie in uns eine leichte Beute vermuten!“

Tucker grinste übers ganze Gesicht. Er warf einen bezeichnenden Blick auf den alten Donegal O’Flynn, der grimmig zu den näher kommenden Masten blickte. Wütend stampfte er mit dem Holzbein auf.

„Den irischen Dickschädeln werden wir Hörner aufsetzen“, sagte Ferris und grinste wieder. „Diesmal rennen sie nicht mit dem Kopf durch die Wand, wie die Iren das sonst immer tun.“

Inzwischen hatten sich die Schiffe einander genähert. Zwei der Iren segelten hart am Wind, der dritte war etwas abgefallen und zurückgeblieben.

Gleich darauf fiel auch der zweite leicht nach Backbord ab.

Brighton durchschaute das Manöver sofort.

„Der eine will uns von Steuerbord angreifen, der andere segelt in Lee von Backbord heran. Und die dritte Karacke will uns den Weg verlegen. Gar nicht dumm, die Burschen. Sie jagen wie ein Rudel Wölfe.“

„Aber nicht wie Seewölfe“, sagte Tucker grimmig.

Ben Brighton wollte zuerst auf die Karacken zulaufen, aber nach kurzer Überlegung änderte er seine Meinung. Die Kerle da drüben waren sich ihrer Sache zu sicher. Klar, daß es sich um Freibeuter handelte, daran gab es keinen Zweifel. Aber die Seewölfe Hasards waren auch Freibeuter, und das wußten die da drüben nicht. Sie sahen nur die große Galeone und witterten fette Beute. Na, denen wollten sie es zeigen.

„Ruder hart Steuerbord!“ brüllte Ben.

Old Shane stemmte sich machtvoll gegen den Kolderstock. Das Schiff gehorchte dem Ruderdruck sofort. Es scherte nach Steuerbord aus.

Die Iren, die sich ihrer Sache so sicher waren, schienen jetzt doch ziemlich enttäuscht zu sein, denn kaum hatte die „Isabella“, den alten Kurs verlassen, als es drüben zornig aufblitzte.

Sechsmal hintereinander zuckten Blitze und quollen dunkelgraue Qualmwolken aus den Stückpforten.

Ben Brighton lachte leise. Schade, daß der Seewolf nicht mit dabei war, er hätte seine helle Freude daran gehabt, wie die Iren ausmanövriert wurden. Eine ihrer Karacken war lahmgelegt, denn Ben Brighton war nicht in die Falle, sondern an Steuerbord vorbeigelaufen. So konnte die eine Karacke jetzt gar nichts unternehmen. Sie war durch die vordere gedeckt und lag im toten Winkel. Auch für die hintere gab es nicht viel zu tun. Sie war abgefallen und mußte, wenn sie erfolgreich eingreifen wollte, erst wieder anluven. Bis sie das Manöver vollendet hatte, würden die Männer auf der „Isabella“ nicht tatenlos zusehen.

Die Kugeln klatschten weit auf der Backbordseite der „Isabella“ ins Wasser. Sechs Fontänen stiegen hoch, Wasser spritzte.

„Vier Schuß für die Karacke!“ befahl Ben Brighton, als sie auf Parallelkurs lagen. „Den Burschen werden wir einen eisernen Vorgeschmack geben.“

Die Culverinen waren klar zum Schuß.

Tucker hielt die brennende Lunte an das erste Zündloch. Die anderen drei glimmten ebenfalls.

„Feuer frei!“

Die Decksplanken erzitterten, als vier Culverinen ihre Siebzehnpfünder auf die Reise schickten. Qualm und Rauch hüllten die hustenden Männer ein.

Gleich darauf schlug es drüben mit unvorstellbarer Wucht ein.

Zwei Kugeln hatten das Schanzkleid auf der Backbordseite durchschlagen und riesige Löcher in den Rumpf gerissen. Ein wüstes Gewirr von zerfetzten Planken sah heraus.

Eine der Kugeln war auf das Achterdeck niedergegangen, hatte Männer umgerissen und den Mast teilweise beschädigt.

Und der vierte Treffer saß ebenfalls voll. Er schlug weiter oben ins Deck, aber die Verwüstungen, die er anrichtete, waren nicht zu sehen.

Gebrüll, wüste Flüche und Schreie getroffener Männer drangen zur „Isabella“ hinüber.

Ferris Tucker hatte eigentlich erwartet, daß Ben Brighton jetzt abdrehen würde. Aber er hatte sich getäuscht. Brighton wußte, daß die Iren durch diese erste Niederlage nur noch mehr angestachelt wurden. So schnell gaben Freibeuter nicht auf, obwohl sie sicherlich einen bösen Schreck erlitten hatten.

„Die nächsten vier, Ferris!“ befahl er. Unterdessen lagen die beiden Schiffe fast parallel zueinander.

Auf dem irischen Freibeuter sah Ben Brighton Männer durcheinanderhasten. Ein Segel war am Liek abgerissen und flatterte im Wind. Der Ire hatte acht Geschütze. Und irgendwie hatte er es trotz der Verluste geschafft, ein paar Kanonen wieder nachzuladen.

Noch bevor Tucker feuern ließ, rauschte von drüben der zweite Eisenhagel heran. Diesmal schlug er beängstigend dicht vor der „Isabella“ ins Wasser.

Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete Ben Brighton die Einschläge. Wenn der Ire die nächste Serie abfeuerte, würde er treffen. Er schoß sich langsam ein. Und der eine luvte jetzt an, um in eine bessere Schußposition zu gelangen. Nur der dritte, der die Galeone abfangen sollte, kam nicht zum Zug. Er war zu weit abgefallen.

Wieder heulten vier Eisenkugeln hinaus. Die Culverinen spuckten Rauch und Feuer. Der Krach war ohrenbetäubend.

Ben Brighton registrierte die Einschläge. Eine Kugel fuhr in das Focksegel und riß ein Loch hinein. Eine andere fetzte den oberen Teil des Fockmastes in tausend Stücke. Krachend rauschten Segel, Brassen und Rahen herunter und schlugen aufs Deck.

Männer versuchten verzweifelt auszuweichen. Es gab keinen Ausweg für sie. Einige lagen mit gebrochenen Gliedern an Deck, andere wurden von umherwirbelnden Holzteilen getroffen. Die Verwundeten brüllten. Ben Brighton sah, daß zwei Culverinen ihre schweren Kugeln direkt vor der Karacke ins Wasser geballert hatten. Schon wollte er sich enttäuscht abwenden, als er stutzig wurde.

Tucker hatte gefeuert, aber gerade in diesem Moment hatte eine rollende See das Schiff angehoben und gleich wieder gesenkt. Genau dazwischen waren die Kanonen losgegangen.

Die letzten Kugeln rissen den Rumpf dicht unterhalb der Wasserseite auf und zerfetzten die Planken zu Kleinholz und Splittern.

Die Karacke holte leicht über. Sie machte sofort Wasser, das sich sintflutartig in die unteren Räume ergoß.

„Den haben wir!“ schrie Tucker laut. „Der feuert nicht noch einmal auf uns!“ Blitzschnell drehte er sich um.

„Wollt ihr wohl sofort die Kanonen laden!“ brüllte er die Männer an, die vor Freude die Arme hochrissen. In aller Eile wurde nachgeladen. Gleich darauf waren die Geschütze wieder feuerbereit.

Drüben knirschten die Iren vor ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. Was sich da als fette Beute angeboten hatte, war ein tödlicher Schrecken der Meere. Ein Schiff, das nicht mit Breitseiten feuerte, sondern ihnen die Kugeln haargenau in die empfindlichen Stellen setzte. Und die beiden anderen waren immer noch nicht zum Schuß gekommen. Die verdammte Galeone war nicht in die Falle gelaufen, wie man es erwartet hatte.

Jetzt sahen die Iren sich in der Klemme. Aber noch hatten sie zwei Schiffe, die sie mit aller Gewalt zum Einsatz bringen mußten.

Für die erste Karacke erübrigte sich ein Angriff. Sie hatte schwere Lecks, geriet aus dem Kurs und legte ihren Bug nach Lee, genau vor die zweite, die sich bemühte, an ihr vorbeizulaufen, um endlich feuern zu können.

Ben Brighton sah es mit unverhohlener Freude. Jetzt waren die Iren sich gegenseitig im Weg und behinderten sich.

„Sollen wir ihm den Rest geben, Ben?“ fragte Tucker.

Ben Brighton winkte ab. „Wäre schade um die Kugel. Der säuft sicher gleich ab, er stellt sich schon auf den Bug.“

Tatsächlich! Durch die Lecks nahm die Karacke Wasser auf, als wollte sie das ganze Meer saufen. Sie wurde kopflastig. Die ersten Männer sprangen einfach über Bord und paddelten zu den anderen Iren hinüber. Nur ein paar Dickschädel versuchten noch zu retten, was zu retten war.

Es gab nichts mehr zu retten. Der Fockmast neigte sich, als das Schiff sich auf den Kopf stellte. Es knirschte laut, dann zersprangen die Wanten wie überbeanspruchte Taue. Singend fegten sie auseinander. Der Fockmast, jetzt seiner letzten Stütze beraubt, neigte sich noch mehr nach vorn, donnerte dann auf das Deck und schlug alles in Trümmer.

Die Karacke tauchte. Ihr Achtersteven hob sich steil aus dem Wasser, immer höher, bis auch der letzte Mann an Bord den Halt verlor, über das Deck schlitterte und nach vorn in der See verschwand. Lautes Rauschen und Gurgeln drangen herüber.

Das Schiff starb. Die Geschütze rissen aus den Brooktauen und gerieten ins Rutschen. Die schweren Taue brauchen, und die Kanonen verselbständigten sich, als der Winkel immer steiler wurde.

Donnernd und krachend durchbrachen sie das Schanzkleid und verschwanden in der See.

Ben Brighton warf einen schnellen Blick achteraus. Carberry segelte mit seiner Schaluppe im Windschatten der „Isabella“, als könne ihn das alles nicht im geringsten erschüttern. Er stand vorn auf Deck, ballte die Hände zu mächtigen Fäusten und grinste herüber. Was er noch dazu brüllte, verstand Ben Brighton nicht. Wahrscheinlich bezog es sich auf die absaufende Karacke.

Die ging jetzt immer mehr auf Tiefe. Ihr Achtersteven hing frei in der Luft. Das Ruderblatt bewegte sich haltlos hin und her.

Mit dem Bug voran schoß sie immer schneller in die Tiefe. Eine letzte Kanone riß sich los, zermalmte alles, was ihr noch im Weg stand, und donnerte dann schäumend und gischtend ins Wasser.

Inzwischen versuchte die zweite Karacke, sich freizusegeln. Ben Brighton behielt sie scharf im Auge.

„Noch mehr Steuerbord!“ befahl er.

Old Shane stand wie ein Fels am Ruder. Seine riesenhaften Pranken umklammerten den Kolderstock und bewegten ihn mühelos hin und her.

„Mehr Steuerbord!“ wiederholte er.

Das war der Moment, in dem die Karacke unterging. Fast senkrecht tauchte sie nun weg, gurgelnd, rauschend, mit seltsam hohlen Lauten, als würde ihre Seele mit in die Tiefe gehen. Es zischte und brodelte wie in einem Hexenkessel. Riesige Luftblasen schossen aus dem weggetauchten Bug nach oben, wo sie blubbernd zerplatzten.

Danach verschwand auch der Rest, als würde er von unten mit aller Gewalt gezogen werden. Eine trichterförmige Blase bildete sich im Meer, quoll auf, wurde größer und schwemmte Holzteile, Planken und leere Fässer nach oben.

Ein einziger Ire war noch an Bord gewesen, der sich haltsuchend festgeklammert hatte. Jetzt war er mit dem Schiff auf Tiefe gegangen.

Der zweite irische Freibeuter hatte angeluvt und segelte heran. Der dritte mußte eine Halse fahren, wenn er nicht hoffnungslos zurückfallen wollte. Das kostete Zeit.

Hinter dem ersten schwammen immer noch Männer in der See, die laut fluchten und brüllten, weil sie nicht an Bord genommen werden konnten. Einigen gelang es, Tampen zu packen, die man ihnen zuwarf. Andere waren zu weit weg. Und die zweite Karacke konnte sich jetzt nicht um die Treibenden kümmern, sonst würde der Gegner erbarmungslos zuschlagen.

„Sollen wir diesem lausigen Iren nicht eine volle Breitseite in die Planken donnern?“ fragte Tucker. „Noch hat er nicht genügend Fahrt, aber gleich wird er ebenfalls losballern. Und der andere kommt auch langsam auf.“

Ben Brighton sah dem Schauspiel schon eine ganze Weile zu. Dadurch, daß die Freibeuter sich verrechnet hatten, waren sie jetzt im Nachteil. Sie konnten ihre Schiffe nicht von einer Minute zur anderen in Feuerstellung bringen. Das erforderte eine ganze Menge umständlicher Manöver, die sie Zug um Zug nachholten.

„Warte noch, bis er uns den Achtersteven zeigt. Dann gib’s ihm!“

Ben Brighton drehte sich um. Er hörte Carberry brüllen, der mit der Schaluppe hart heransegelte.

Der Profos ballte schon wieder die Hände und hob sie hoch. Er kam dicht an die „Isabella“ heran, und erst jetzt erkannte Ben Brighton, was der eisenharte Carberry beabsichtigte. Er segelte in Lee vorbei, nahm sekundenlang in Kauf, daß seine Segel wie nasse Säcke im Wind hingen und drehte hart vor der Galeone nach Backbord ab.

Jetzt hatte er wieder den Wind, den er benötigte.

„Ich werde den Burschen knakken!“ brüllte er herüber.

Brighton konnte ihm augenblicklich keine große Aufmerksamkeit schenken, denn der zweite Ire, der sich freigesegelt hatte, nachdem die erste Karacke untergegangen war, feuerte jetzt. An Deck standen Männer mit Musketen. Sie legten auf die „Isabella“ an.

In derem Kielwasser folgte die letzte Karacke. Jetzt konnten sie die fette Beute von zwei. Seiten beharken.

Aber sie hatten nicht mit der kleinen Schaluppe gerechnet. Und nicht mit dem Profos, der auf Teufelkomm-Raus angriff.

„Al, an die Drehbasse!“ brüllte der Profos. „Und daß mir, verdammt, kein Schuß vorbeigeht. Ich sage dir, wann du feuern sollst.“

Matt Davies, der Mann mit der Hakenprothese, besetzte die achtere Drehbasse. Die Kanonen waren geladen. Stenmark stand am Ruder und segelte nach Carberrys Anweisungen schnelle Manöver.

Die Schaluppe hatte den Vorteil, schnell und wendig zu sein. Gegen sie waren die irischen Freibeuter schwerfällig. Selbst die „Isabella“ kam da nicht mit, was die Wendigkeit betraf.

Carberry näherte sich der letzten Karacke von achtern. Die setzte jetzt alles dran, der Galeone eine Breitseite zu verpassen.

Da brüllten auf der „Isabella“ die schweren Geschütze auf. Ben Brighton schoß eine volle Breitseite ab. Der Pulverrauch legte sich über das ganze Schiff und verzog sich nur schwerfällig. Aus den Mündungen der Culverinen rauschte der tödliche Eisenhagel hinaus, nachdem sie riesige Blitze gespuckt hatten.

Krachen und Bersten! Zwölf eiserne Siebzehnpfundkugeln suchten sich ihren Weg über eine Distanz von knapp zweihundert Yards.

Aber fast gleichzeitig feuerte auch der eine Ire.

Diesmal traf der irische Freibeuter, und drüben brach augenblicklich ein Freudengeheul los. Das dauerte nicht mal einen Atemzug. Dann war die Freude abrupt vorbei.

Zwei irische Kugeln fuhren in das Marssegel und durchlöcherten es. Das war alles. Die anderen donnerten an den Masten vorbei.

Dafür traf Ferris Tucker um so besser. Die Breitseite, die herausgerauscht war, bohrte sich in die Bordwand. Auf der Karacke schlug es ein, als würde ein Vulkan losbrechen.

Carberry sah es nur aus den Augenwinkeln. Er hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern, denn die letzte der drei Karacken hängte sich stur und beharrlich an die „Isabella“ an, um sie aus einer günstigen Position heraus zu beharken.

Die Schaluppe rauschte von achtern heran. Carberry lachte grimmig.

Dieser Ire würde sich gleich wundern.

Ein letztes Manöver, dann befand sich die Schaluppe in der für ihre Drehbassen günstigsten Lage.

Carberry segelte genau auf den Achtersteven los. Der wurde immer größer und riesiger und wuchs wie eine Wand vor der heranjagenden Schaluppe hoch.

„Feuer!“ brüllte der Profos.

Auf dem Iren sah er das erschreckte Gesicht eines Mannes auftauchen, der eine langläufige Pistole in der Faust hielt.

Seine Augen waren groß und rund. Entsetzt hob er die Pistole über Bord, zielte kurz und drückte ab.

Carberry warf sich an Deck. An seinem Schädel sirrte ein Bleibrokken vorbei, der in die Decksplanken ratschte. Ganz dicht neben ihm hatte es eingeschlagen.

Die Drehbasse spuckte ihren Brokken aus. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte Carberrys Ohren, nachdem er den Befehl zum Feuern gegeben hatte.

Die Kugel saß im Spiegel der Karacke. Sie fetzte das Ruder in Trümmer, schlug durch Spanten, Verzierungen und riß den ganzen oberen Teil des Kolderstocks auseinander.

„Hart Backbord-Ruder!“ schrie der Profos.

Die Schaluppe krängte herum, flink und schnell und lief von dem Gegner ab, bis sie ihm den eigenen Steven zukehrte.

Matt Davies hockte an der achteren Drehbasse. Das Rohr war so weit gesenkt, daß der jetzt manövrierunfähige Ire den nächsten Treffer unter die Wasserlinie bekommen mußte.

Oben knatterten die Segel, als der Ire aus dem Kurs lief. Sein Kolderstock war nur noch ein wüster Trümmerhaufen.

Wieder brüllte es von der „Isabella“ böse grollend auf. In das Krachen und Bersten der zweiten Karacke, die jetzt zusammengeschossen wurde, mischte sich das Schreien Verwundeter.

Carberry ging zum zweitenmal in Deckung, als Rahen, Holzsplitter und Segelfetzen durch die Gegend flogen.

Ein paar Trümmer landeten auf Deck, und ein paar Holzsplitter kriegte er auf das breite Kreuz.

„Das wird euch noch verdammt leid tun!“ brüllte er. „Matt! Sofort feuern!“

Matt Davies schoß. Die Entfernung zum Achterteil des schwer getroffenen Iren betrug nicht mehr als dreißig Yards. Brüllend entlud sich die Drehbasse. Carberry glaubte den Lauf der schweren Kugel verfolgen zu können. Haargenau schlug sie zwischen der Wasseroberfläche und dem Spiegel ein. Ein Loch brach auf, durch das der Profos bequem hätte hindurchkriechen können.

Ein riesenhafter Schwall Wasser schoß in das Innere. Der Ire lief noch mehr aus dem Ruder und krängte nach Steuerbord über.

Carberry blieb dran. Wenn der Profos sich einmal etwas vorgenommen hatte, dann hinderte ihn nichts und niemand daran. Und diesmal hatte er sich vorgenommen, die verdammte Karacke auf den Grund des Meeres zu schicken. Er drehte und luvte wieder an, bis er zum zweiten Male die vordere Drehbasse einsetzen konnte.

Die drei Kugeln hatten genügt, um die Karacke zum Wrack zu schießen.

Sie nahm Wasser auf, schluckte unvorstellbare Mengen und sackte dann über den Achtersteven langsam ab.

Der Profos sah sich um. Von dem Kerl mit der Pistole war nichts mehr zu sehen. Der hatte die Nase voll.

Und drüben ging auch die letzte der drei Karacken endgültig zu den Fischen. Ihre Geschütze schwiegen. Die zweite Breitseite hatte alles in einen Berg aus zertrümmertem Holz verwandelt. Als Mast stand nur noch ein kleiner Stumpf auf Deck, der bedrohlich wackelte.

Im Wasser trieben Männer, zerschlagene Rettungsboote, Masten, Spieren, Rahen, leere Fässer und Holzplanken.

Immer mehr Wasser nahm die Karacke auf, bis sie sich schließlich auf die Seite legte und unterging.

Und Carberry stand an Deck und sah zu, wie auch der letzte der drei irischen Freibeuter sich anschickte, seinen Brüdern auf den Grund zu folgen. Aber der ließ sich Zeit, der ging nicht über Bug oder Achtersteven, sondern hielt sich an die Regeln für hölzerne Schiffe. Er sog sich voll Wasser, schaukelte langsam, nahm noch mehr auf, bis es an Deck gurgelte.

Erst dann bequemte sich das Schiff, majestätisch unterzugehen. Über seiner versunkenen Oberfläche brodelte es. Riesige Blasen stiegen von allen Seiten hoch, ein letzter Protest des Freibeuters, der seinen Ärger ausspuckte.

Auch von ihm stiegen Holzteile nach oben, die sich mit den anderen Trümmern vermischten und eine kleine Insel bildeten.

Bis auf die Löcher im Segel hatte die „Isabella“ das Gefecht gut überstanden. Es gab auch keine Verwundeten. Nur Carberry hatte ein paar Holztrümmer ins Kreuz gekriegt. Aber das war schließlich so breit gebaut, daß noch mehr darauf Platz gehabt hätten.

Ein Teil der abgesoffenen Iren hockte in Beibooten, die noch heil waren. Die „Isabella“ zog an ihnen vorbei und hielt nach Überlebenden Ausschau.

Sie brauchten niemanden an Bord zu nehmen, die Küste war nicht mehr weit. Bis dahin konnten die Piraten es schaffen.

Dicht an dicht segelten die beiden Schiffe vorbei. Die Iren standen in ihrem Boot auf, fluchten und drohten herüber.

Da lehnte sich der Profos über die Reling und musterte das armselige Häuflein grimmig. Drohend schüttelte er seine gewaltigen Fäuste.

„Das nächstemal überlegt euch gefälligst, mit wem ihr es aufnehmt“, brüllte er hinunter. „Ihr verdammten irischen Holzköpfe! Und wenn ihr noch mal unseren Kurs kreuzt, dann ...“

„... laß ich euch die Haut in Streifen von euren verdammten Affenärschen abziehen“, fiel die ganze Mannschaft grölend ein die des Profos Lieblingsspruch zur Genüge kannte.

Der Profos sah sich wütend um und starrte in grinsende Gesichter.

„Kurs Trevose Head!“ hörte er Brightons Ruf herüberschallen.

„Aye, aye, Ben! Habt ihr gehört, ihr Rübenschweine! Kurs Trevose Head. Luvt endlich an, oder ...“

„Nicht schon wieder“, murmelte Matt Davies. „Die Männer sind ja schon ganz wund. Laß dir mal was anderes einfallen!“

Die beiden Schiffe segelten weiter. Diese Schlacht hatten sie geschlagen. Wieder einmal waren sie als Sieger hervorgegangen. Hoffentlich hielt die Glückssträhne an.

Seewölfe Paket 3

Подняться наверх