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c) Der Vertrag von Nizza
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Der Vertrag von Nizza wurde durch die Regierungskonferenz 2000 ausgehandelt, auf dem Gipfel von Nizza vom 7.–11.12.2000 politisch vereinbart und am 26.2.2001 unterzeichnet[35]. Der Ratifikationsprozess erwies sich einmal mehr als schwierig. Die Iren hatten dem Vertrag in einem ersten Referendum ihre Zustimmung überraschend versagt. Nach einem zweiten, positiven Referendum konnte der Vertrag am 1.2.2003 in Kraft treten[36]. Das Verhandlungsmandat für die Regierungskonferenz beruhte zum einen auf dem „Protokoll (Nr 7) über die Organe im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union“ zum Amsterdamer Vertrag, zum anderen auf den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates bei seinen Treffen in Köln und Helsinki 1999. Daraus ergab sich als Kernziel der Regierungskonferenz die Herstellung der Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union durch eine Lösung der institutionellen Probleme (Mehrheitsentscheidung im Rat, Arbeitsfähigkeit von Kommission und Parlament durch Begrenzung der Mitgliederzahl), die nur teilweise gelang. Einige Bestimmungen wurden erst auf der Grundlage des Protokolls über die Erweiterung der EU[37] mit deren Realisierung 2004 bzw 2007 wirksam.
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Die institutionellen Änderungen betrafen im Wesentlichen die Ausweitung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit, die Ernennung und die Rolle des Kommissionspräsidenten (Art. 214 Abs. 2, 217 EGV; jetzt Art. 17 Abs. 6 und 7 EUV; s. Rn 395), die Zuständigkeitsverteilung zwischen EuGH und EuG und die Größe und Zusammensetzung der Organe sowie die Stimmgewichtung im Rat. Zur Erleichterung einer vertieften Integration zwischen einzelnen Mitgliedstaaten in der wesentlich erweiterten Union wurden die durch den Amsterdamer Vertrag eingeführten – aber bis dahin niemals gebrauchten – Vorschriften über die verstärkte Zusammenarbeit sowohl systematisch neu gefasst als auch verfahrensrechtlich und materiell geändert. Das Gerichtssystem der Union wurde der steigenden Belastung angepasst, insbesondere durch eine Aufwertung des Gerichts erster Instanz sowie die Möglichkeit der Einführung einer dritten, vorgelagerten Instanz (Kammern).
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Materiell-inhaltlich brachte der Vertrag von Nizza wenig Neuerungen, nämlich den neuen Titel XXI (Art. 181a EGV; jetzt Art. 212 AEUV) über wirtschaftliche, finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Drittländern, die Erweiterung der Vertragsschlusskompetenz der EG im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik auf die Bereiche des Handels mit Dienstleistungen sowie die handelsrelevanten Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Art. 133 Abs. 5–7 EGV; jetzt erweitert durch Art. 207 Abs. 4–5 AEUV; s. Rn 1295). Ferner wurde im EUV eine Rechtsgrundlage für ein Sanktionsverfahren gegen Mitgliedstaaten, welche die fundamentalen Grundsätze der Union verletzen, geschaffen (Art. 7 EUV aF; jetzt Art. 7 EUV; s. Rn 111 f). Die Vorschriften der GASP wurden insbesondere im Hinblick auf den Wegfall des Verweises auf die WEU (s. Rn 1) angepasst. Die von Europäischem Parlament, Rat und Kommission am 7.12.2000 feierlich proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde vom Europäischen Rat „begrüßt“[38], ohne dadurch Rechtsverbindlichkeit zu erlangen.