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1. Neuere Entwicklungen in Europa seit 1989
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Das Zusammenbrechen der kommunistischen Diktatur in den Staaten Osteuropas und in dessen Gefolge das Auseinanderbrechen der Wirtschafts- und Militärbündnisse Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RgW) und Warschauer Pakt baute nicht nur die Spannungen innerhalb Europas ab, sondern stellte auch die Frage nach dem fortbestehenden Sinn des Militärbündnisses NATO und brachte neue Herausforderungen für die Europäischen Gemeinschaften. Das Wiederaufbrechen der nur in der allgemeinen Unterdrückung verborgenen Nationalitätenkonflikte in Osteuropa und die Gefahr des Entstehens eines Vakuums stellten die Frage, ob nicht gesamteuropäische Sicherheitsstrukturen diesen und anderen Gefahren entgegenwirken könnten. Die Annexion der Krim durch Russland und der Konflikt mit der Ukraine sowie die Reaktion des „Westens“ und damit der EU darauf haben bisherige Tendenzen verändert und neue Fragen aufgeworfen.
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Herausforderungen an die Europäischen Gemeinschaften bzw die Europäische Union brachte auch das Binnenmarktkonzept mit sich. Die Befürchtung, einer „Festung Europa“ gegenüberzustehen und von den prognostizierten Vorteilen dieses einheitlichen Wirtschaftsraums abgekoppelt zu werden, bewog die Staaten der EFTA, aber auch die übrigen Staaten erst West-, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auch Osteuropas, eine Annäherung an die EG bzw EU anzustreben. Die EG bzw EU konnten sich dem nicht entziehen, soll die bereits in den ursprünglichen Gründungsverträgen und jetzt im Unionsvertrag angelegte Öffnung (vgl Rn 72) ernst gemeint sein und das Entstehen einer auf Dauer unerträglichen wirtschaftlichen Mauer zwischen Ost und West verhindert werden. Daneben bestand ein Eigeninteresse an der Aufnahme weiterer leistungsfähiger Mitglieder und der Beseitigung spezieller Probleme (so wurden zB durch den Beitritt Österreichs zwei verschärfte Außenkontrollen auf der Fahrt zwischen München und Verona vermieden). Damit wurden die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Union selbst zum Gegenstand gesamteuropäischer Perspektiven mit nachhaltigen Folgen für deren Binnenstruktur. Die EU steht auch nach der (Ost-)Erweiterung vor der schweren Aufgabe, eine gesamteuropäische Lösung (auch über eventuelle Erweiterungen hinaus) zu finden, ohne die spezifischen Vorteile des gegebenen europäischen Integrationsmodells nachhaltig oder gänzlich zu gefährden. Dies legt differenzierte Lösungsansätze nahe, wie sie zB die Nachbarschaftspolitik (Art. 8 EUV) versucht. Eine weitere Herausforderung ist die Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen aus Krisenherden in Afrika und Asien.
§ 2 Entwicklung und Stand der Europäischen Integration › V. Gesamteuropäische Perspektiven und Organisationen › 2. Europarat – Europäische Menschenrechtskonvention