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3. Fortentwicklung des KSZE-Prozesses
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Der KSZE-Prozess[98], eingeleitet durch die Schlussakte von Helsinki von 1975 und in zunächst oft wenig ergiebigen Folgekonferenzen fortgesetzt, erhielt durch die Überwindung des Ost-West-Gegensatzes eine völlig neue Aufgabe. Verdeutlicht wurde dies in der sog. Charta von Paris für ein neues Europa vom 21.11.1990. Darin bekennen sich sämtliche 34 Teilnehmerstaaten zu einem „neuen Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit“. Damit ist das (ideologisch) „westliche“ Demokratie- und Menschenrechtsverständnis erstmals auch inhaltlich zum Gegenstand eines gemeinsamen KSZE-Dokuments gemacht worden. Dies ist ein grundlegender Unterschied zu früheren Dokumenten, da dort der terminologische Gleichklang nicht über inhaltliche Differenzen hinwegtäuschen durfte. Die Charta enthält ferner ein ausdrückliches Bekenntnis zur Marktwirtschaft.
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Neben dieser inhaltlichen Neuorientierung enthält die Charta auch ein Kapitel über „neue Strukturen und Institutionen des KSZE-Prozesses“. Zur Intensivierung der Konsultationen auf allen Ebenen wurden KSZE-Folgetreffen der Staats- und Regierungschefs, ein regelmäßiges Zusammentreten der Außenminister mindestens einmal jährlich als Rat, die Einrichtung eines Ausschusses hoher Beamter, eines Sekretariats in Prag, eines Konfliktverhütungszentrums in Wien, eines Büros für freie Wahlen in Warschau und die Fortsetzung der Kontakte auf Parlamentsebene beschlossen. Damit zeigen sich, freilich bescheidene, Ansätze einer institutionellen Struktur der KSZE. Mit Wirkung zum 1.1.1995 wurde die KSZE in Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) umbenannt. Einzelne Konferenzen befassten sich ua mit Fragen der friedlichen Streitbeilegung, der Menschenrechte, des Minderheitenschutzes und der Bekämpfung des Terrorismus.
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Bereits die erste Bewährungsprobe des KSZE-Mechanismus, der sog. „Bürgerkrieg“ zwischen Kroatien und Serbien (1991), hat die derzeitig mangelnde Eignung der KSZE für eine Lösung wirklicher Konflikte offenbart. Gleiches gilt für die folgenden Konflikte im ehemaligen Jugoslawien, in Tschetschenien (seit 1995), zuletzt zwischen Russland und der Ukraine nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim[99]. Das unter Einbeziehung Deutschlands und Frankreichs vereinbarte Waffenstillstandsabkommen von Minsk hinsichtlich der Kampfhandlungen in der Ostukraine wird nicht eingehalten, die Beobachter der OSZE werden behindert. Die erfolgte bloße Umbenennung in „Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE, vgl Rn 15) kann daran nichts ändern. Von einem System echter kollektiver Sicherheit ist Europa nach wie vor weit entfernt, vor allem wegen der zuletzt deutlichen Verschlechterung der Beziehungen zu Russland. Dieses aufzubauen ist ua deshalb so schwierig, weil es das Vertrauen der Beteiligten, so sie sich darauf überhaupt einlassen wollen, in seine allein an objektiven Kriterien orientierte Anwendung voraussetzt.
§ 2 Entwicklung und Stand der Europäischen Integration › V. Gesamteuropäische Perspektiven und Organisationen › 4. Verbindung von Europäischer Gemeinschaft bzw Union und EFTA-Staaten zu einem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)