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Die Europäischen Gemeinschaften beruhten und die Europäische Union beruht auf den von den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Gründungsverträgen. Sie haben sich nicht von dieser völkerrechtlichen Grundlage gelöst (vgl Rn 130). Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge bedarf allgemein einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Hier kommt hinzu, dass Integrationsverträge, die Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, derartige Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung haben, dass dafür eine besondere verfassungsrechtliche Ermächtigung für erforderlich gehalten wird. Zudem bedarf es verfassungsrechtlicher Vorkehrungen, um dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht das Einströmen in den nationalen Rechtsraum und ein auch von späterem nationalem Recht unbehindertes Wirksamwerden in diesem zu verschaffen.

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Solche Ermächtigungen finden sich in den Verfassungen aller Mitgliedstaaten (Sonderfall Vereinigtes Königreich), wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung und unterschiedlichem Ausmaß[4]. Mit Ausnahme der fehlenden Verfassungsbindung des britischen Gesetzgebers bestehen in allen Mitgliedstaaten, wenngleich in sehr unterschiedlicher Form und Intensität, verfassungsrechtliche Bindungen der öffentlichen Gewalt in allen ihren Erscheinungsformen und damit auch für die jeweiligen nationalen Begründungs- und Vollzugsakte von Unionsrecht[5]. Die Frage nach den verfassungsrechtlichen Schranken der Integrationsermächtigung hat sich insbesondere im Zusammenhang mit der Frage nach dem Verhältnis von Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) und nationalem Recht gestellt (vgl Rn 232)[6].

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Das Problem ist keineswegs von nur theoretischer Bedeutung.

Beispiele:

Das irische Oberste Gericht hat das Zustimmungsgesetz zur EEA wegen deren Titel III für verfassungswidrig erklärt[7]. Irland konnte der EEA erst nach einer Verfassungsänderung zustimmen. Seither bedurften die Änderungen der Gründungsverträge in Irland einer Verfassungsergänzung mit damit verbundenen Referenden, s. zu den Referenden zum Vertrag von Lissabon Rn 67; vgl auch den irischen Verfassungsvorbehalt im Protokoll Nr 35 über Art. 40.3.3 der Verfassung Irlands[8]). In Dänemark[9], Frankreich[10] und Spanien[11] prüften das Oberste Gericht bzw die Verfassungsgerichte die Vereinbarkeit einer Zustimmung zum Maastricht-Vertrag mit den jeweiligen Verfassungen. Da der Conseil Constitutionnel den durch den Amsterdamer Vertrag eingefügten Art. 67 Abs. 2 EGV (jetzt aufgehoben) für unvereinbar mit der französischen Verfassung erklärt hatte[12], bedurfte es in Frankreich für die Ratifikation des Vertrags einer Verfassungsänderung[13]; einer Änderung der französischen Verfassung bedurfte es – insbesondere wegen der Errichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft durch Art. III-274 EVV sowie der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen – ebenfalls für die Ratifikation des Verfassungsvertrages[14]. Der (gescheiterte, s. Rn 59) Verfassungsvertrag (Art. I-6 EVV (Vorrang), Art. II-111 und II-112 EVV (Grundrechtsbindung)) wurde zudem auch vom spanischen Tribunal Constitucional auf seine Vereinbarkeit mit der spanischen Verfassung hin überprüft (bejaht)[15]. Das tschechische Verfassungsgericht prüfte den Vertrag von Lissabon[16], ebenso die Verfassungsgerichte Lettlands[17] und Polens[18]. Das tschechische Verfassungsgericht erklärte (soweit ersichtlich bisher als einziges) einen Akt der EU, weil ultra vires erlassen, für nicht anwendbar[19].

§ 3 Grundlagen der Europäischen Union › II. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Gründungsverträge › 2. Bundesrepublik Deutschland

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