Читать книгу Rechtsanwaltsvergütung - Sabine Jungbauer - Страница 130
2. Pauschalgebühren
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Nach § 15 Abs. 1 RVG wird bestimmt, dass die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten. Der Begriff der Angelegenheit ist gekennzeichnet durch einen engen tatsächlichen und zeitlichen Zusammenhang auf der Grundlage eines einheitlichen Lebensvorgangs.
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Daraus folgt, dass eine Angelegenheit zugleich mehrere Gegenstände umfassen kann, mit der Folge, dass der Rechtsanwalt seine Gebühren nur einmal aus dem zusammengerechneten Wert dieser Gegenstände erhält (§§ 15 Abs. 2, 22 Abs. 1 RVG).
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Eine Angelegenheit ist nicht identisch mit dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit. Gegenstand ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit auf Grund des Auftrags bezieht. In einer Angelegenheit können mehrere Gegenstände behandelt werden.
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Der BGH formuliert den Begriff der Angelegenheit folgendermaßen:
„Die Angelegenheit bedeutet den Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, wobei im Allgemeinen der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag entscheidet. Als Gegenstand wird das Recht oder Rechtsverhältnis angesehen, auf das sich auftragsgemäß die jeweilige anwaltliche Tätigkeit bezieht.[1]“
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Auch nach dem RVG spielt der erteilte Auftrag wieder eine besondere Rolle. Wird der Rechtsanwalt beauftragt, Ansprüche in einem Verfahren geltend zu machen, liegt eine Angelegenheit vor. Wird er hingegen beauftragt, mehrere Ansprüche (Gegenstände) in getrennten Verfahren geltend zu machen liegen mehrere Angelegenheiten vor. Entscheidend ist hierbei nicht die Verfahrensweise des Rechtsanwalts. Hat der Rechtsanwalt den Auftrag, mehrere Ansprüche in einem Verfahren geltend zu machen, so kann er auch nicht durch die Geltendmachung der einzelnen Ansprüche in getrennten Angelegenheiten mehrere Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne daraus machen. Der Mandant kann frei entscheiden, in welcher Weise verfahren werden soll. Der Rechtsanwalt hat allerdings den Mandanten über die gebührenrechtlichen Konsequenzen zu belehren. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren eine Kostenerstattung bei getrennter Geltendmachung Probleme bereiten kann.
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Tipp
Getrennte Geltendmachung bei sachlicher Rechtfertigung möglich
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Die Tendenz der Rechtsprechung geht dahin, dass die Kosten dann erstattungsfähig sind, wenn vertretbare Gründe für die getrennte Geltendmachung vorliegen.
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Beispiel Eine oder mehrere Angelegenheiten
Macht der Rechtsanwalt in einer Unfallsache für Eheleute Ansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers auf Schmerzensgeld in einem Brief geltend, liegt eine Angelegenheit vor.
Macht der Rechtsanwalt seine Ansprüche für die Ehefrau und den Ehemann in getrennten Briefen geltend, liegen zwei Angelegenheiten vor. Es kommt letztendlich auch hier darauf an, ob der Rechtsanwalt einen einheitlichen Auftrag oder zwei getrennte Aufträge erteilt hielt. Die Geltendmachung von Schmerzensgeld in getrennten Schreiben kann z.B. bei einer späteren klageweisen Durchsetzung der Ansprüche dann von Vorteil sein, wenn man den anderen Ehegatten als Zeugen im jeweils anderen Prozess aussagen lassen möchte, was bei einer gemeinsamen Klage nicht möglich wäre, da die Partei nie als Zeuge, sondern allenfalls im Rahmen einer Parteieinvernahme vernommen werden kann. Eine solche Argumentation kann auch den Mandanten davon überzeugen, dass im Fall eines Kostenrisikos und damit einer eventuell späteren Kostenlast die getrennte Geltendmachung trotzdem von Vorteil für ihn ist.
In der Praxis wird von den gegnerischen Haftpflichtversicherern die getrennte Geltendmachung in Unfallsachen nahezu regelmäßig akzeptiert, da nur in sehr seltenen Ausnahmefällen von vornherein feststeht, dass ein Mitverschulden auch nicht in Höhe der eventuellen Betriebsgefahr reklamiert werden kann.
Zu beachten ist jedoch, dass es bei Vertretung von mehreren Auftraggebern in Unfallsachen nicht zu einer Interessenkollision kommt. In Unfallsachen besteht eine Interessenkollision nicht nur in den sehr klaren Fällen, in denen sowohl der Unfallverursacher als auch der Geschädigte vertreten werden, sondern bereits schon dann wenn beispielsweise Fahrer und Insassen oder Insassen und Halter vertreten werden. Dies hängt mit den Änderungen des Schadensersatzrechts vom 1.8.2002 zusammen und betrifft auch die Fälle, in denen der Fahrer und Beifahrerin beispielsweise verheiratet sind. Die Rechtsanwaltskammern empfehlen inzwischen dringend, die Frage der Interessenkollision in Unfallsachen eingehend zu prüfen. Problematisch ist eine Interessenkollision in Unfallsachen auch, wenn es zu einer Widerklage kommt und die am Unfall beteiligten Fahrzeuge bei dem gleichen Haftpflichtversicherer versichert sind. In diesen Fällen kann der Anwalt nur einen Beteiligten vertreten, entweder die Versicherung oder den Unfallbeteiligten. Der Rechtsanwalt sollte daher nur bei klarer Haftungslage ein Doppel-Mandat annehmen und bei unklarer Haftungslage eine doppelte Mandatierung ablehnen.
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Zur weiteren Unterscheidung zwischen „dieselbe Angelegenheit (§ 16 RVG)“, „verschiedene Angelegenheiten (§ 17 RVG)“ und „besondere Angelegenheiten (§ 18 RVG)“ vgl. auch ausführlich unter Rn. 340 ff. in diesem Kapitel.
3. Kapitel Grundlagen des anwaltlichen Gebührenrechts › IV. Abgeltungsbereich der Gebühren, § 15 RVG › 3. Einmaligkeitsgrundsatz, § 15 Abs. 2 RVG