Читать книгу Antisemitismus und Islamophobie - Sabine Schiffer - Страница 15

2.2.2.2 Beweisführung durch Quellenrecherche

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Wilhelm Walthers durchaus wohlmeinende Replik auf das 1921 erschienene Buch Luther und die Juden von Alfred Falb ist ein Beispiel von vielen, wie Zitate aus dem Talmud benutzt wurden, um Behauptetes – hier die angebliche »Charakterschwäche« der Juden – zu belegen. Anhand dieser Antwortschrift auf den Gebrauch lutherischer Aussagen durch die Antisemiten, die darauf abzielt, das »Alte Testament« (und nicht etwa die Juden) zu rehabilitieren, werden die üblichen Argumentationsstränge mehr als deutlich. Ebenso wie die Wirkungslosigkeit so mancher ehrlich gemeinter Aufklärungsversuche, denn die einmal falsch zitierten Stellen – etwa aus Mose 23,20 (»An den Fremden magst du wuchern, aber nicht an deinem Volksgenossen«) – tauchen auch Jahre später noch auf und nehmen schließlich ihre unrühmliche Rolle in der NS-Propaganda viele Jahrzehnte später ein. Dies weist unter anderem Hannelore Noack in ihrer akribischen Recherche der wichtigsten Akteure der antijüdischen Propaganda und ihrer Gegner nach. Sie nennt allen voran den bei Gericht durchaus erfolgreichen Rabbiner Joseph Samuel Bloch, der Rohlings Fälschungen entlarvte. Walther wird bei Noack nicht erwähnt, aber auch er versuchte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die interessegeleiteten Übersetzungsfehler aus dem Lehrwerk des jüdischen Religionsunterrichts – Schulchan Aruch – zu korrigieren. Er hatte damit langfristig genauso wenig Erfolg wie viele andere Kritiker des Antisemitismus .68

Vorarbeiten für die selektive, stark interpretierende und durch Übersetzungsfehler zurechtgebogene Zitierweise aus den jüdischen Quellen hat, wie auch bereits andere Gelehrte, Eisenmenger lange vorher geleistet. Einmal schriftlich in Buchform gegossen, konnte und kann hierauf jederzeit zurückgegriffen werden. So wiederholen sich bis in die heutige Zeit – auch außerhalb Europas – die immergleichen Verleumdungen und Stereotypen.

Noch wirksamer war die Bezugnahme auf authentische Stimmen, wie etwa die des Konvertiten Dr. Justus alias Aron Israel Brimann, der vermutlich die Textvorlage für Rohlings Talmudjude lieferte.69 Auch heute spielen »authentische« Zeugen in rassistischen Diskursen eine wichtige Rolle. Warum aber die juristischen Erfolge der Gegenbewegung des Antisemitismus – etwa gegen August Rohling – langfristig nicht die Beseitigung der Wiederholung von dessen Falschaussagen oder gar des antijüdischen Ressentiments insgesamt bewirkten, ist auch mit Blick auf heutige Stereotypen interessant und beunruhigend. Dies darf offensichtlich nicht vorschnell der Funktionsweise sogenannter »Sozialer Netzwerke« und Algorithmen im Internet zugeschrieben werden.

Zentrale Beispiele für die Rehabilitierungsversuche des Jüdischen stellen etwa der sogenannte Antisemiten-Spiegel dar, der vom Verein zur Abwehr des Antisemitismus herausgegeben wurde, sowie der Antisemiten-Hammer, der analog zum Hexenhammer mit dem Anspruch angetreten war, ein für alle Mal mit den irrationalen Vorurteilen Schluss zu machen. Dazu später mehr. Zunächst aber erscheint es sinnvoll, sich mit der behaupteten Kohärenz – bei gleichzeitiger Varianz und Widersprüchlichkeit – des Feindbildes zu beschäftigen.

Antisemitismus und Islamophobie

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