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a) Sachliche Berechtigung eines Ablehnungsrechts

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Die Ausschließungs- und Ablehnungsregeln der §§ 22 ff StPO gelten nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für Richter (bzw Schöffen, § 31 I StPO) und Sachverständige (§ 74 StPO). Dies hat seinen guten Grund, denn dem Staatsanwalt wird eine – wenn auch gem. § 160 II StPO eingeschränkte – Einseitigkeit zugestanden. Der Staatsanwalt darf zunächst einmal von der für den Beschuldigten denkbar ungünstigsten möglichen Tatkonstellation ausgehen. In der Hauptverhandlung muss der Staatsanwalt die Anklage verlesen (§ 243 III StPO) und damit zum Ausdruck bringen, dass er dem Angeklagten ein bestimmtes Verhalten vorwirft, während das Gesetz ihn nicht verpflichtet, alle fern liegenden Zweifel an dem Anklagevorwurf darzulegen.

Andererseits ist der Staatsanwalt allein der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet. Auch geht es nicht um die Überführung eines Schuldigen um jeden Preis, vielmehr soll die Schuld nur in einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren nachgewiesen werden. Deshalb muss der Staatsanwalt zwar nicht als ein Prozessorgan fungieren, das in allen Stadien des Verfahrens strikte Neutralität an den Tag legt und das jeden Verdacht einer Voreingenommenheit vermeidet[37], eine Grenze ist jedoch erreicht, wenn sich der Verdacht aufdrängt, der Staatsanwalt agiere ausschließlich zu Lasten oder zu Gunsten des Beschuldigten und er sei zu einer objektiven Würdigung des Ergebnisses der Ermittlungen nicht mehr bereit. Die Situation ist also nicht direkt mit der des Richters vergleichbar, ähnelt ihr aber in manchen Bereichen[38]. Deshalb kann der Rechtsgedanke der §§ 22 ff StPO herangezogen werden[39].

Dies ist für die Ausschließungsgründe des § 22 StPO in ihrer Funktion als verdichtete Befangenheitsgründe (s.o. Rn 107 ff, 117) in weiten Teilbereichen heute allgemein anerkannt, insbes. in den Fällen, dass der Staatsanwalt

durch die Straftat selbst verletzt ist (§ 22 Nr 1 StPO),
mit der (dem) Beschuldigten verheiratet oder verwandt ist (§ 22 Nr 2 u. 3 StPO),
früher in der Sache Verteidiger war (§ 22 Nr 4 Alt. 4 StPO).

Hingegen darf der Staatsanwalt auch dann das Verfahren weiter betreuen, wenn er bereits früher in der Sache als Staatsanwalt oder Polizeibeamter tätig geworden ist. § 22 Nr 4 Alt. 1 u. 2 StPO können also nicht analog herangezogen werden[40].

Darüber hinaus kann auch der Rechtsgedanke des Ablehnungsgrundes (nicht des Verfahrens) der Besorgnis der Befangenheit (§ 24 StPO) herangezogen werden, sofern die oben geschilderte „gesteigerte Befangenheit“ des Staatsanwalts erkennbar ist, dh zu befürchten ist, dass er zu einer objektiven Wertung des Ermittlungsergebnisses außer Stande sein wird.

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Neben der hier vertretenen eingeschränkten Analogie zu §§ 22 ff StPO werden in der Literatur andere dogmatische Begründungen für die Unzulässigkeit der Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts vorgeschlagen, etwa

die Ableitung aus dem ungeschriebenen rechtsstaatlichen Verfahrensprinzip des „fair trial“[41] oder
die Heranziehung des § 11 AGGVG Baden-Württemberg, der bestimmte Ausschlussgründe für Staatsanwälte normiert (so früher auch §§ 7 ff AGGVG Niedersachsen), als „allgemeine Richtlinien“[42] oder
eine Rechtsanalogie über die §§ 22 ff StPO hinaus zu den §§ bzw Art. 20 ff VwVfG des Bundes und der Länder, also den Ausschließungsgründen für Verwaltungsbeamte[43] oder
zusätzlich eine Rechtsanalogie zu den §§ 138a, 138b StPO[44].
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