Читать книгу Strafprozessrecht - Sabine Swoboda - Страница 103

c) Verfahrensmäßige Realisierung des Ablehnungsrechts

Оглавление

154

Da in der StPO das Recht der Ablehnung des Staatsanwalts nicht geregelt worden ist, fehlen dementsprechend auch Vorschriften über dessen Durchführung.

aa) Zunächst kann der Beschuldigte den Dienstvorgesetzten bitten, den befangenen Staatsanwalt gem. § 145 GVG durch einen anderen Staatsanwalt zu ersetzen[49].

bb) Im Schrifttum wird eine analoge Heranziehung der §§ 22 ff StPO auch bzgl des Verfahrens angeregt[50]. Das läuft jedoch auf eine nicht gewünschte Kontrollbefugnis des Gerichts über den Staatsanwalt hinaus.

cc) Das LG Mönchengladbach[51] hat dem fair-trial-Gebot eine Verpflichtung des Gerichts entnommen, auf Ablösung und Ersetzung des Staatsanwalts gem. § 145 GVG hinzuwirken. Dies führt jedoch ebenfalls zu einer gerichtlichen Kontrolle der StA, die § 150 GVG gerade verbietet und die auch nicht erstrebenswert ist.

dd) Andere[52] wollen § 23 EGGVG heranziehen, indem sie die Ablehnung der Auswechslung des Staatsanwalts als (vor dem OLG) anfechtbaren Justizverwaltungsakt einstufen. Abgesehen davon, dass es sich bei der Ersetzung bzw Nichtersetzung nur um eine „innerbehördliche Maßnahme“ und nicht um eine „Regelung mit unmittelbarer Auswirkung auf die Rechte des Betroffenen“ handelt[53], führt dies zu einer unvertretbaren Verzögerung des Verfahrens. Selbst bei einer analogen Heranziehung von § 29 II StPO (Weiterverhandlungsmöglichkeit) bliebe das Instrument des § 23 EGGVG zu schwerfällig und würden notwendige Entscheidungen in der Hauptverhandlung gelähmt.

155

ee) De lege lata hilft nur der Umweg über das Revisionsrecht. In Übereinstimmung mit Rspr[54] und hL[55] ist in der weiteren Mitwirkung des zu Recht abgelehnten Staatsanwalts ein Revisionsgrund iSv § 337 StPO zu sehen, wobei auch insoweit nicht auf die Differenzierung zwischen „ausgeschlossenem“ und „befangenem“ Staatsanwalt zurückgegriffen werden sollte. Für den Zeitraum der Geltendmachung des Ablehnungsrechts wird man hingegen § 25 StPO analog heranziehen können (insbes. unverzügliche Geltendmachung der Ablehnung). Der Weg über das Revisionsrecht kann allerdings zu der unbefriedigenden Situation führen, dass das Gericht erster Instanz mangels eines eigenen Zurückweisungs- bzw Kontrollrechts uU „sehenden Auges“ ein fehlerhaftes, auf eine Revision hin aufzuhebendes Urteil erlassen muss.

156

Lösung Fall 12 (Rn 128):

a) Der Staatsanwalt unterliegt dem Legalitätsprinzip (§§ 152 II, 170 I StPO). Bei der Anklagepflicht ist er auch an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden (BGHSt 15, 155 f; aA die hL). Eine Einstellung gem. § 170 II StPO wäre also rechtswidrig; Einzelheiten s.o. Rn 147 f.

b) Wenn der Staatsanwalt glaubt, die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht mit seinem Gewissen vereinbaren zu können, muss er die Sache dem Vorgesetzten vortragen. Dieser kann die Ermittlungen gegen A an sich ziehen und die Anklage selbst vertreten, sog. Devolutionsrecht gem. § 145 I 1. Alt. GVG. Ferner kann er das Ermittlungsverfahren einem anderen Staatsanwalt übertragen, sog. Substitutionsrecht gem. § 145 I 2. Alt. GVG. Schließlich besteht die Möglichkeit, die Weisung zu erteilen, das Delikt anzuklagen (§ 170 I StPO iVm § 146 GVG). Wenn X glaubt, dieser Weisung nicht nachkommen zu können, hat er das Recht, insoweit den Gehorsam zu verweigern (sehr str.; anders die hA). Einzelheiten s.o. Rn 143.

157

Lösung Fall 13 (Rn 129): Bei privater Kenntniserlangung besteht für den Staatsanwalt eine Anklagepflicht (§§ 152 II, 170 I StPO) nur, wenn es sich um schwerwiegende Straftaten handelt, die die Belange der Öffentlichkeit in besonderem Maße berühren (alternativ: wenn eine Katalogtat iS der §§ 138 StGB, 100a II, 100b II oder 100c I Nr 1[56] StPO vorliegt). Die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Gesamtabwägung führt hier zu dem Ergebnis, dass im Fall a die Gleichheit vor dem Gesetz und der Anspruch der Gemeinschaft auf Ahndung schwerster Verbrechen den Vorrang vor dem Schutz der Privatsphäre des S haben müssen, dieser also zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet ist. Fall b: Zutreffend hat der BGH eine Pflicht zum Tätigwerden abgelehnt (BGH StV 1989, 16 – betraf einen Polizeibeamten). Im „Weinzimmerfall“ hatte das RG noch im entgegengesetzten Sinne entschieden (RGSt 70, 251 ff). Einzelheiten s. Rn 149.

158

Lösung Fall 14 (Rn 130): Staatsanwalt X ist auf Grund der Zeugenvernehmung von der weiteren Mitwirkung als Anklagevertreter zumindest insoweit ausgeschlossen, als es um die Würdigung seiner Zeugenaussage geht (BGH NStZ 1983, 135). Dies ergibt sich aus einer Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 22 ff StPO. Bzgl des Verfahrens verbietet sich allerdings eine Analogie zu §§ 22 ff StPO, vielmehr steht für die Durchsetzung der Ablehnung nur das Revisionsrecht zur Verfügung. Bei entsprechender Rüge wäre eine auf den Fehler der weiteren Mitwirkung des X (auch bzgl der Würdigung der eigenen Zeugenaussage) gestützte Revision begründet, sofern das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (§ 337 StPO). Einzelheiten s. Rn 155.

Strafprozessrecht

Подняться наверх