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I. Ausschließung von Richtern, §§ 22, 23 StPO
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1. In den im Gesetz aufgelisteten Fallgruppen der Ausschließung eines Richters ist die Gefahr der Voreingenommenheit so nahe liegend, dass der Gesetzgeber eine generelle Unvereinbarkeit mit der Richtertätigkeit im jeweiligen Verfahren festgelegt hat. Wirkt der kraft Gesetzes ausgeschlossene Richter dennoch mit – etwa weil er den Ausschließungsgrund nicht erkennt –, ist damit der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr 2 StPO erfüllt.
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2. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fallgruppen:
a) Der Richter ist selbst verletzt (§ 22 Nr 1 StPO), dh die Tat, durch die der Richter verletzt wurde, ist Gegenstand des Verfahrens, in dem dieser nun zu entscheiden hat. Dabei muss es sich um eine unmittelbare Verletzung des Richters durch die Straftat handeln, denn anderenfalls würde jedes Strafverfahren mit erheblichen Unsicherheiten belastet[1].
Bei Vermögensdelikten gegenüber juristischen Personen (GmbH, AG, rechtsfähiger Verein etc) sind nur diese selbst unmittelbar verletzt, während ihre Mitglieder (Gesellschafter) als nur mittelbar Betroffene nicht dem Ausschließungsgrund des § 22 Nr 1 StPO unterfallen[2]. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Mitglied der juristischen Person an deren Willensbildung, zB als Aufsichtsratsmitglied, (maßgeblich) beteiligt ist[3].
Anders ist die Rechtslage bei Vermögensstraftaten gegenüber Personengesellschaften (BGB-Gesellschaft, OHG, KG). Werden diese geschädigt, so sind damit auch die Gesellschafter unmittelbar verletzt, da das Gesellschaftsvermögen, wenn auch gesamthänderisch gebunden, doch zum persönlichen Vermögen der Gesellschafter zählt[4]. Dies hat zur Konsequenz, dass der allein vertretungsberechtigte, beherrschende Gesellschafter einer geschädigten GmbH nicht kraft Gesetzes als Richter ausgeschlossen ist, während der Kommanditist einer Publikums-KG mit geringer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und keinerlei Einfluss auf die Geschäftsführung vom Ausschluss erfasst wird. Dieses wenig überzeugende Ergebnis wird dadurch erträglich, dass gegenüber mittelbar geschädigten Richtern die Möglichkeit der Ablehnung gem. § 24 II StPO bleibt[5] (dazu u. Rn 111).
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b) Der Richter weist enge familiäre Beziehungen (zB Ehegatte, Lebenspartner, Elternteil, Kind) zum Beschuldigten oder zum Verletzten auf (§ 22 Nr 2, 3 StPO)[6].
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c) Der Richter war bereits mit der Sache befasst, §§ 22 Nr 4 und 5, 23 StPO. Der Begriff der „Sache“ ist weit auszulegen[7]. Sachidentität kann zum einen durch die Identität des Strafverfahrens, zum anderen durch die Identität der Tat hergestellt werden[8]. Dieselbe Sache liegt danach vor, wenn der Richter im selben Verfahren, welches die strafrechtliche Verfolgung einer bestimmten Straftat zum Gegenstand hat (= gesamtes Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren), in einer der im Gesetz genannten Funktionen tätig geworden (§§ 22 Nr 4, 23 StPO; Hauptfall: Mitwirkung in niedrigerer Instanz) oder als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist (§ 22 Nr 5 StPO; s. auch Rn 287).
§ 4 Ausschließung und Ablehnung des Richters › II. Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, § 24 II StPO