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c) Mitwirkung an Vorentscheidungen

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Ein Richter ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 23 StPO kraft Gesetzes von der weiteren Mitwirkung ausgeschlossen (insbes. wegen Mitwirkung in niedrigerer Instanz; s.o. Rn 110). Das wirft die Frage auf, ob für die in § 23 StPO nicht aufgelisteten Fälle auf das Recht der Ablehnung wegen Befangenheit iSv § 24 II StPO zurückgegriffen werden kann mit der Folge, dass im Regelfall bei Vorbefassung in derselben Sache eine Ablehnung Erfolg haben muss. Eine derartige Lösung wird jedoch von der Rspr abgelehnt. Ein vernünftig abwägender Angeklagter habe keinen Grund zur Besorgnis, denn auch ein vorbefasster Richter sei verpflichtet, sich nicht von der früheren Entscheidung beeinflussen zu lassen, sondern ausschließlich auf Grund des in dem neuen Verfahren vorliegenden Beweisstoffes zu entscheiden: „Mit der gewissenhaften Erfüllung dieser Pflichten können die Beteiligten rechnen“[24]. Hierbei soll es keinen Unterschied ausmachen, ob der Richter bei einer vorläufigen Entscheidung im Ermittlungsverfahren oder bei einem auf Grund einer Hauptverhandlung gefällten Urteil mitwirkte.

Besorgnis der Befangenheit wurde von der Rspr zB abgelehnt bei vorheriger Mitwirkung

als Ermittlungsrichter, selbst wenn er einen Haftbefehl gem. §§ 112, 125 StPO erlassen hat[25]
als Richter, der den Eröffnungsbeschluss (§§ 203, 207 StPO) erlassen hat[26]
als Richter, der einen Antrag des Beschuldigten auf Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO abschlägig beschieden hat[27]
als Richter an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren[28]
als Richter an einem in der Revision aufgehobenen Urteil nach Zurückverweisung gem. § 354 II StPO[29], es sei denn, es seien besondere Gesichtspunkte erkennbar, die die Unparteilichkeit des Richters zweifelhaft erscheinen lassen, wie zB ein abträgliches Werturteil über die Persönlichkeit des Angeklagten in den Gründen des vorangegangenen Urteils[30] (zur Zurückverweisung s.u. Rn 863).

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Diese restriktive Rspr bzgl der Vorbefassung im Rahmen einer vorangegangenen Urteilsfällung ist abzulehnen, denn sie berücksichtigt nicht, dass die Ausschließungsgründe nach §§ 22, 23 StPO nur gesteigerte Ablehnungsgründe sind, sodass die Verneinung einer Ausschließung noch keine zwangsläufige Entscheidung über die Ablehnung beinhaltet. Auch ein „vernünftiger“ bzw „verständiger“ Angeklagter wird zumeist Zweifel an der Unvoreingenommenheit hegen, wenn er erneut einem Richter gegenübersitzt, der schon einmal in derselben Sache in einer Hauptverhandlung abschließend über ihn entschieden hat. Es ist psychologisch auch für einen Richter kaum möglich, die Vorgänge und Eindrücke in den beiden Verhandlungen strikt voneinander zu trennen und nur auf Grund der neuen Verhandlung zu urteilen[31].

Entsprechend der Rspr sollte hingegen die Voreingenommenheit durch Vorbefassung im Rahmen von Zwischenentscheidungen behandelt werden, so zB bei Erlass eines Haftbefehls nach Erhebung der Anklage oder bei Erlass eines Eröffnungsbeschlusses. Hier bejaht der Richter nur einen bestimmten Verdachtsgrad und schließt eine spätere „Korrektur“ nicht aus; die richterliche Überzeugungsbildung hat für ihn also keinen endgültigen Charakter. Die Mitwirkung an früheren Zwischenentscheidungen kann hingegen ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit gem. § 24 II StPO begründen, wenn besondere Umstände hinzutreten, so zB, wenn die Entscheidungen abwegig sind oder sogar den Anschein von Willkür erwecken oder wenn der Richter sich in unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat[32] oder wenn das Verhalten des Richters vor der Hauptverhandlung besorgen lässt, dass er nicht mehr unvoreingenommen an die Sache herangehen wird, weil er bereits von der Schuld des Angeklagten überzeugt zu sein scheint[33].

▸ Beispielsfall bei Beulke, Klausurenkurs III, Rn 57.

§ 4 Ausschließung und Ablehnung des Richters › III. Verfahren

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