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III. Verfahren

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1. Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, § 24 I StPO. Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen, § 26 I StPO. Ablehnungsberechtigt sind neben dem Beschuldigten auch die StA und der Privatkläger (vgl § 24 III 1 StPO).

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2. Die Ablehnung eines nach §§ 22, 23 StPO ausgeschlossenen Richters ist – solange er mit der Sache befasst ist – im Prinzip ohne zeitliche Beschränkung möglich[34]. Das Gericht kann dem Antragsteller allerdings nach § 26 I 2 StPO aufgeben, ein in der Hauptverhandlung (mündlich) angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen.

Wird der Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so muss die Ablehnung im ersten Rechtszug bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Person erfolgen, wenn der Ablehnungsgrund dem Ablehnenden zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt ist, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, § 25 I 1 StPO. Wurde die Besetzung des Gerichts schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt (§ 222a I 2 StPO), muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich erfolgen, § 25 I 2 StPO. In den übrigen Fällen ist der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Bekanntwerden der Ablehnungsgründe zu stellen (§ 25 II 1 StPO), wobei unter „unverzüglich“ wie im Zivilrecht „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen ist[35]. Jedoch kommt auch Äußerungen eines Richters, die nicht unverzüglich zu einem Ablehnungsgesuch geführt haben, für die Beurteilung eines späteren Ablehnungsgesuches dann Bedeutung zu, wenn dieses frühere präkludierte Geschehen dem weiteren, grundsätzlich berechtigten Ablehnungsgesuch ein erhöhtes Gewicht verleiht[36]. Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist eine Ablehnung nicht mehr möglich, § 25 II 2 StPO.

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3. Der Ablehnungsgrund ist (ggf innerhalb der nach § 26 I 2 StPO gesetzten Frist) glaubhaft zu machen, § 26 II StPO. Im Fall des § 25 I 2 StPO oder einer später noch zulässigen Richterablehnung nach § 25 II StPO ist zusätzlich die Unverzüglichkeit der Antragstellung glaubhaft zu machen. Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern, § 26 III StPO.

Mit welchen Mitteln sich das entscheidende Gericht Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen verschafft, bleibt seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen. Eine förmliche Beweisaufnahme über das Ablehnungsgesuch findet nicht statt[37].

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4. Werden die genannten Verfahrensvorschriften nicht eingehalten, weil die Ablehnung verspätet ist, ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 I 2 StPO gesetzten Frist angegeben wird oder durch die Ablehnung das Verfahren offensichtlich nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen, so ist der Antrag vom Gericht zwingend als unzulässig zu verwerfen, § 26a I Nrn 1-3 StPO[38]. Bei dieser Entscheidung aus formalen Erwägungen darf der abgelehnte Richter mitwirken, § 26a II 1 StPO. Nach Ansicht der Rspr wird eine „völlig ungeeignete“ Begründung des Ablehnungsgesuchs dem Fehlen einer Begründung gleichgestellt. Dies muss aber allein schon wegen der Mitwirkung des auszuschließenden Richters, der nicht entgegen Art. 101 I 2 GG zum „Richter in eigener Sache“ werden soll, äußerst restriktiv gehandhabt werden[39].

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5. Über die Begründetheit eines zulässigen Antrags entscheidet das Gericht hingegen ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters, § 27 I StPO. Letzterer wird durch einen anderen (gesetzlichen) Richter ersetzt. Dies gilt nicht nur für die Richter beim AG (§ 27 III StPO), sondern für alle Berufsrichter[40]. Wird ein Ablehnungsgesuch gegen mehrere Richter einer Strafkammer gleichzeitig und aus demselben Grund eingereicht, so wird darüber durch einen einheitlichen Beschluss entschieden[41]. Die Schöffen wirken bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht mit (§ 27 II StPO iVm § 76 I 2 GVG bzw § 27 III StPO). Zum Fall der Ablehnung von Schöffen s. § 31 StPO.

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6. Eine Anfechtung des ablehnenden Beschlusses ist im Wege der sofortigen Beschwerde zulässig (§ 28 II 1 StPO). Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, § 28 II 2 StPO. „Erkennend“ ist ein Richter, der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufen ist, dh in der ersten Instanz jedes Gerichtsmitglied ab Erlass des Eröffnungsbeschlusses[42].

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7. Der Richter hat die Pflicht, seinerseits einen Sachverhalt anzuzeigen, der zur Ausschließung oder Ablehnung führen könnte, § 30 StPO. Ein unmittelbares Selbstablehnungsrecht besteht nicht.

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8. § 29 StPO sieht ferner vor, dass das Verfahren nach Ablehnung eines Richters mindestens für zwei Wochen fortgesetzt werden kann, da die Hauptverhandlung keinen Aufschub gestattet (§ 29 II 1 1. Hs StPO).[43] Ist das Ablehnungsgesuch erfolgreich, müssen die Teile der nach dem Befangenheitsgesuch fortgesetzten Hauptverhandlung ggf wiederholt werden (§ 29 IV StPO).

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Lösung Fall 10 (Rn 104):

a) Der Schöffe G könnte gem. § 22 Nr 1 iVm § 31 I StPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen sein. Dies setzt jedoch voraus, dass er durch die Straftat des A selbst unmittelbar verletzt ist. Davon ist nicht auszugehen, denn unmittelbar durch die Straftat geschädigt ist nur das Vermögen der X-GmbH, die nach § 13 I GmbHG als juristische Person ausgestaltet und deren Vermögen gem. § 13 II GmbHG von dem ihrer Gesellschafter getrennt ist. G ist auch nicht deswegen unmittelbar Verletzter, weil er als Geschäftsführer der X-GmbH allein zu deren Vertretung nach außen gem. § 35 I GmbHG berechtigt ist. § 22 Nr 1 StPO greift daher nicht ein. Durch die Tat des A ist das Vermögen des G jedoch mittelbar verringert worden. Diese Tatsache ist geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des G zu rechtfertigen, sodass A den G wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen kann, § 24 II iVm § 31 I StPO.

b) Hier ist G als Kommanditist unmittelbar geschädigt, dh G ist gem. § 22 Nr 1 iVm § 31 I StPO bereits kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen.

Einzelheiten s. Rn 108.

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Lösung Fall 11 (Rn 105): A könnte R gem. § 24 I StPO ablehnen, wenn R von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen wäre (§§ 22 f StPO). Der Ausschließungsgrund der Vorbefassung mit der Angelegenheit kommt hier nicht in Betracht, denn § 23 StPO benennt gerade nicht den Fall, dass der Richter in derselben Instanz bereits entschieden hat. Für den Fall, dass die Sache gem. § 354 II StPO zurückverwiesen wird, sieht das Gesetz keinen Richterausschluss vor. Nach der Rspr darf im Regelfall auch nicht auf die Befangenheitsregelung des § 24 II StPO zurückgegriffen werden, denn ein vernünftig abwägender Angeklagter habe keinen Grund anzunehmen, der Richter werde sich durch seine Mitwirkung am früheren Urteil beeinflussen lassen. Der Gesetzgeber habe diese Vorbefassung bewusst nicht in den Ablehnungskatalog des § 23 StPO aufgenommen (BGHSt 21, 142, 145). Mit der hA im Schrifttum ist hingegen eine Befangenheit iSv § 24 II StPO zu bejahen, weil aus der Sicht eines verständigen durchschnittlichen Beobachters, der sich in die Rolle des Angeklagten versetzt, die frühere Urteilsfällung befürchten lässt, der Richter werde nicht mehr unbefangen entscheiden.

Einzelheiten s. Rn 116 f.

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