Читать книгу Romanpaket Spezial 8/2021: Die mitreißendsten Liebesromane im August 2021 - Sandy Palmer - Страница 59
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ОглавлениеNicholas hatte sich breitschlagen lassen mitzuhelfen, die Ausstellung endlich auf die Beine zu bringen. Er hängte fleißig Bilder auf, nach den Anweisungen, die Rita und der Galerist ihm gaben. Axel rannte aufgeregt hin und her, hatte ein Handy in der Tasche, welches ständig klingelte und war kaum ansprechbar. Rita wieselte herum, begutachtete, wie die Bilder hingen, stellte die Beleuchtung ein, betrachtete das ganze aus einigen Schritten Entfernung, schimpfte gutmütig und begann wieder von vorn. Nicholas fühlte sich ein wenig zum Handlanger degradiert, doch auch er stellte fest, dass eine unterdrückte Erregung Besitz von ihm ergriff. Es schien ihm eine Art Abenteuer, in das er hier verwickelt war. Aufmerksam und neugierig betrachtete er die Werke, die Axel geschaffen hatte, und musste feststellen, dass der Mann wirklich ein Könner war. Seine Farbkompositionen waren perfekt aufeinander abgestimmt, kühn in der Gestaltung, und die Motive eher ungewöhnlich.
Nicholas hatte zu Anfang vermutet, dass Axel vielleicht zu den neuen Malern gehörte, die abstrakte und ungenau definierte Bilder produzierten. Doch er sah sich positiv getäuscht. Es waren Bilder, die ins Fantastische hineingingen. Eine Frau vor einem seltsam verschwommenen Hintergrund, die sich nach einer Glaskugel streckte, in der eine ganze Landschaft eingeschlossen schien, eine Gestalt hoch oben auf einem Berg, die durch ein imaginäres Tor ins Leere ging, das alles schienen Traumfantasien, die Axel geschickt auf die Leinwand gebannt hatte. Sehnsucht sprach aus diesen Bildern, Sehnsucht nach Stille und Einsamkeit, und Nicholas fühlte sich seltsam davon berührt.
Ja, und dann gab es ja auch noch die Brücke ins Nichts. Auch Rhode war fasziniert von diesem Bild. Und er freute sich sehr darüber, dass es Rita jetzt gehören sollte. Nach der Ausstellung würde es in ihre gemeinsame Wohnung kommen, wo Rita schon den richtigen Platz ausgesucht hatte.
Jetzt aber hantierte Nicholas mit Maßband und unsichtbaren Nylonfäden. Er hatte eigentlich immer gedacht, dass Bilder an Nägeln in der Wand aufgehängt würden, doch da sah er sich hier getäuscht. Hinter den einzelnen Stellwänden waren die eigentlichen Aufhänger angebracht, so dass die Bilder von vorne wie unsichtbar an der Wand hingen.
„Wir müssten ja sonst bei jeder Vernissage die Nagellöcher zugipsen und überstreichen“, hatte Manfred Herrmann auf Nachfrage erklärt. Und Nicholas sah die Logik dieser Worte ein.
Axel gab ihm gerade Anweisungen, wie er das Bild platzieren sollte, als das Telefon erneut klingelte. Er meldete sich und wedelte zu Nicholas mit der Hand, um ihm die richtige Position anzuzeigen. Er lauschte dann eine ganze Weile, schließlich begann er heftig und wütend auf seinen Gesprächspartner einzureden, in raschem Englisch, wo Nicholas nicht mehr folgen konnte.
Der Polizist seufzte und schüttelte den Kopf. Nein, er würde wirklich nicht gerne mit diesem Mann tauschen. Im Hintergrund hörte er die Stimme von Manfred Herrmann.
„Nein, Sie können hier wirklich nicht hinein. Was fällt Ihnen denn ein? Verlassen Sie sofort meine Galerie!“
Was sollte das denn heißen? Bedeutete das etwa Ärger? Nicholas machte sich rasch auf den Weg zum Eingang, als er eine laute Stimme rufen hörte.
„Juchuu, Rita, Nicholas, ich bin es, Doris. Kinder, ihr werdet mich doch wohl hereinlassen. Nimm doch mal einer diesen Wachhund hier weg!“
„Ich muss schon sagen, wer auch immer Sie sind, Sie haben kein Recht, hier einfach einzudringen“, schnappte der Galerist.
Nicholas hatte die Stimme erkannt und lächelte. Ritas Mutter war wirklich ein Original. Aber wie kam sie dazu, einfach hierherzukommen? Nun egal, sie war da. Und niemand hatte vor, sie wieder wegzuschicken, außer vielleicht Manfred Herrmann. Wahrscheinlich würde auch Axel nichts dagegen haben, dass sie hier war.
„Lassen Sie die Dame durch“, rief er Herrmann zu. „Das ist die Mutter von Frau Schlesinger.“
Nicholas bemerkte den schrägen Blick, den der Galerist der Frau zuwarf, doch er sperrte sich nicht länger gegen ihr Eindringen.
„Kinder, ihr seid schärfer bewacht als die Kronjuwelen von England. Nicholas, hast du das veranlasst?“
Er schüttelte den Kopf und lächelte. Seit einiger Zeit sprach Doris ihn mit Du an und sah ihn wohl schon als zukünftigen Schwiegersohn. Ihm war es recht. Er hätte Rita von heute auf morgen geheiratet, doch er wusste genau, dass sie seine Frage jetzt noch mit Nein beantworten würde. Sie war noch nicht so weit. Also hatte er sie bisher auch noch nicht gefragt. Rita war eine unabhängige Frau, das hatte er endlich gelernt. Niemand würde sie gegen ihren Willen halten können, er musste ihr die Freiheit lassen, auch wenn es ihm schwerfiel.
Axel tauchte auf. Er klappte gerade wütend sein Handy zusammen und schob es wieder in die Tasche. Sein Blick fiel auf Doris, und er erstarrte.
„Frau Schlesinger, willkommen“, sagte er ruhig und reichte ihr die Hand. Es klang, als hätte er ihr lieber Lebewohl gesagt. Eine fast greifbare Spannung war zwischen den beiden zu spüren, und Nicholas fragte sich neugierig, was es zwischen den beiden wohl jemals gegeben hatte. Doris aber tat so, als ob sie die Abneigung des Malers nicht bemerkte. Sie schüttelte eifrig die Hand von Axel und ging dann staunend zwischen den Bildern hindurch.
„Sie sind wirklich ein begnadeter Maler“, stellte sie anerkennend fest. „Wie kann ein solcher Mann nur Bankier sein?“
„Das eine ist mit dem anderen sehr gut vereinbar“, sagte Axel kühl und verschwand hinter irgendwelchen Wänden.
Nicholas starrte ihm betroffen hinterher. So hatte er ihn noch nicht erlebt. Aber Doris tat noch immer so, als wäre das vollkommen normal.
„Rita, mein Liebes“, flötete sie. „Ich wollte euch drei heute Abend zum Essen einladen. Ihr habt doch nichts dagegen, oder?“
„Nein, Mutter, ich glaube nicht“, sagte Rita erfreut. „Nicholas, Axel?“
Der Polizist nickte.
„Es wird mir eine Ehre sein“, erwiderte Axel hinter einer Wand hervor.
Nicholas verstand noch immer nicht, was hier vorging, und auch Rita sah einigermaßen verwirrt aus.
Doris aber lachte zufrieden. „Dann ist das geklärt. Ich erwarte euch heute Abend um acht. Tschau, bis dann! Ich finde allein hinaus.“
Sie warf Manfred Herrmann einen hoheitsvollen Blick zu, den er jetzt achtungsvoll erwiderte, dann rauschte sie hinaus. Doris hatte wirklich eine seltsame Art mit Menschen umzugehen, sie verschaffte sich auf jeden Fall Respekt.
Aber Nicholas nahm sich vor, Axel nach diesem merkwürdigen Verhalten zu fragen. Bei Doris würde er damit vermutlich kein Glück haben, das wusste er. Wenn sie nicht reden wollte, dann schwieg sie eisern.