Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 27

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Rüdiger war so tapfer und wollte wirklich gesund werden. Aber dann verlor er so oft den Mut. Er musste ja annehmen, dass doch alles umsonst war. Sein Mädchen würde bestimmt nicht so lange auf ihn warten. Es hatte keinen Zweck.

Lydia bekam langsam Angst.

»Und wenn er nicht durchhält, Johanna?«

»Aber er ist doch so tapfer.«

»Ach, ich weiß nicht. Man muss endlich etwas unternehmen, Johanna!«

»Lydia, was hast du vor?«

»Ich werde diese junge Frau aufsuchen.« Johanna starrte sie an. »Du wirst schweigen, verstanden? Ich muss es einfach versuchen. Er ist so ein netter Junge.«

»Ich weiß nicht. Wir sollten uns doch nicht so in seine Angelegenheiten einmischen. Und wenn es nicht gutgeht?«

»Was soll denn schon schiefgehen?«

»Wenn ich das wüsste!«

»Du wirst ihn allein unterhalten, und wenn er nach mir fragt, dann sage ihm, ich hätte keine Zeit. Ich hätte in die Stadt fahren müssen.«

»Weißt du denn die Adresse der Frau?«

Lydia lachte.

»Ja sicher. Das habe ich herausgefunden. Einmal hat er ihren Namen genannt, und dann habe ich im Telefonbuch nachgeschaut. So einfach ist das.«

»Na, du musst es verantworten!«

»Wir wollen ihm doch helfen, nicht wahr?«

»Ja!«

»Also!«

Wenn Lydia Winter mal was vorhatte, dann tat sie es auch sogleich. Zwei Stunden später befand sie sich schon im Auto. Und da es Samstagnachmittag war, konnte sie damit rechnen, dass sie Sabine antreffen würde. Es dauerte auch nicht sehr lange, da hielt sie vor dem Mietshaus und stieg aus.

Wie erstaunt war Sabine Föller, als sie eine elegante, fremde Frau vor ihrer Wohnungstür stehen sah.

»Ja, bitte?«

»Sind Sie Sabine Föller?«

»Ganz recht.«

»Ich bin Frau Winter. Ich komme wegen Rüdiger!« Lydia sah sogleich, dass die junge Frau blass wurde.

»Rüdiger? Hat er schon wieder etwas angestellt? «

»Nein, nein! Aber darf ich hereinkommen? Ich habe eine Menge zu erzählen!«

»Bitte!«

Man saß sich gegenüber, und für Lydia war es gar nicht so einfach, das Gespräch zu beginnen, aber dann sagte sie sich, es wird wohl das Beste sein, wenn ich gleich loslege und alles von Anfang an erzählte.

Als sie von dem Unfall erzählte und auch davon, dass Rüdiger habe sterben wollen, sah sie, wie die junge Frau erschrak.

»Das habe ich ja nicht gewusst!«

»Keine Sorge, es ist ja auch nichts passiert. Und jetzt geht es ihm prachtvoll. Seitdem hat er auch keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen. Er ist ein guter Junge, und ich glaube ganz fest daran, er wird es schaffen.«

»Ach, das ist aber schön zu hören. Das erleichtert mein Herz ungemein.«

»Das glaube ich.«

Sabine wollte jetzt noch mehr wissen. Lydia erzählte ihr offen, warum sie gekommen war.

»Der Junge braucht unsere Hilfe. Sonst schafft er es nicht. Manchmal ist er so mutlos, verstehen Sie?«

»Aber was kann ich denn tun?«

»Wissen Sie, dass er Sie noch immer liebt?«

Sabine stand auf.

»Aber das ist nicht gut!«

»Warum nicht?«

»Daran ist er doch zerbrochen. Hat er Ihnen das nicht erzählt?«

»Gewiss. Aber er ist jetzt reifer geworden, und ich glaube, er wird jetzt zu seiner Liebe stehen. Es wird ihm nichts mehr ausmachen, was die anderen Menschen über ihn sagen. Er hat es geschafft. Verstehen Sie doch endlich!«

»Rüdiger«, stammelte Sabine leise.

Lydia blickte sie ruhig an.

»Und wie ist es mit Ihnen? Haben Sie ihn vergessen? Lieben Sie ihn nicht mehr?«

Sabine begann zu zittern.

»Was soll ich darauf antworten, Frau Winter? Ich will doch nur sein Bestes. Aber ich kann es einfach nicht glauben.«

»Sie meinen, dass er geheilt wird?«

»Ja!«

»Das kann ich verstehen. Sicher haben Sie viel mit ihm durchgemacht.«

»Ach, wenn es das nur wäre. Aber die Leute sind so grausam. Sie werfen es mir vor, verstehen Sie? Ich bin es doch, die ihn zugrunde gerichtet hat. Das wird man auch weiter denken. Immer!«

»Aber es ist doch nicht so gewesen. Sie haben ihn doch geliebt, nicht?«

»Ja, geliebt, aber das zählt ja nicht in unserer Gesellschaft. Sie kann so grausam sein.«

»Rüdiger will nur zu Ihnen zurück. Das ist sein Hoffen und Sehnen. Auf diesen Tag baut er. Daran denkt er ununterbrochen. Von Tag zu Tag wird seine Liebe stärker, und die gibt ihm dann auch die Kraft, durchzuhalten. Es ist ein furchtbarer Kampf, sich gegen den Alkohol zu stellen. Aber wenn sie ihm jetzt den Boden unter den Füßen fortziehen, dann wird er fallen und sich nie mehr erheben.«

»Oh, was soll ich denn tun?«, flehte Sabine. »Was erwartet er von mir?«

»Zu ihm stehen!«

Sabine sagte: »Ich koche uns einen Kaffee, ich brauche Zeit zum Nachdenken. Warten Sie hier!«

Sabine floh in die kleine Küche. Hier war sie allein, hier konnte sie denken, an Rüdiger, an ihre Liebe zu Bastian. Komisch, Bastian war schon gar nicht mehr vorhanden. Ihn hatte sie noch nicht geliebt. Für ihn empfand sie nur Dankbarkeit, mehr nicht. Rüdiger liebte sie noch immer. Aus Liebe zu ihr tat er alles, wollte er wieder ein normaler Mensch werden. Nur für sie!

Alles war so schrecklich schwer. Ihr Herz schmerzte. Sabine sehnte sich nach Rüdiger. Ja, sie gestand es sich ein. Dieses Kapitel war noch lange nicht abgeschlossen.

Sie schüttete Kaffee in den Filter der Kanne.

Sie dachte an die erste Zeit ihrer Liebe. So viel Licht und Sonne war da in ihrem Herzen gewesen. Spielten Jahre wirklich eine Rolle? Für sie hatten sie keinen Augenblick ein Hindernis dargestellt. Liebende Augen sehen halt anders.

Und Rüdiger?

Er hielt zu ihr! Trotz allem. Die Eltern hatten ihn wieder aufgenommen, und doch liebte er sie, wollte zu ihr zurück! - Sabine kannte ja nicht die ganze Wahrheit.

Sie kam mit dem Tablett zurück. Lydia lächelte sie an.

»Der Junge ist mir ans Herz gewachsen.« Und jetzt erzählte sie auch von Dr. Burgstein, und wenn es einen gäbe, der Rüdiger helfen könnte, dann dieser Doktor. »Auch ihm zuliebe bin ich jetzt hier.«

Das verstand die junge Frau nun gar nicht. Lydia versuchte es ihr zu erklären.

»Er ist ein großartiger Arzt und setzt sich so für seine Patienten ein.«

»Warum sind Sie nicht früher zu mir gekommen?«, wollte Sabine jetzt wissen.

»Er hat lange Zeit seinen Namen verschwiegen. Er wollte Sie nicht mit seinen Sorgen belasten.«

»Aber, ich denke, seine Eltern ...!?«

»Davon weiß ich nichts, Frau Toller. Ich weiß nur, dass wir ihn gefunden und mitgenommen haben, und seither lebt er im Doktorhaus, und das nicht mal schlecht.«

Sabine blickte sie an.

»Und woher soll ich wissen, dass er nur mich liebt? Er hat kein anderes Mädchen um sich. Aber was wird sein, wenn er geheilt ist und junge Mädchen in seinem Alter kennenlernt? Wird er dann auch noch zu mir halten?

»Ach, das meinen Sie? Nun, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. In dem Doktorhaus wohnt ein junges und sehr bezauberndes Mädchen. Sie hat all das, was Sie sich vorstellen können bei einem netten jungen Mädchen. Aber er hat keine Augen für sie, obschon sie sich täglich sehen. Nein, er liebt Sie wirklich.«

»Ich könnte es nicht noch einmal ertragen.«

»Was?«

»Nun, dass er wieder zu trinken anfängt. Das könnte ich nicht. Es würde über meine Kraft gehen. Dann würde er mich zerbrechen.«

Lydia Winter wurde nachdenklich.

»Das verstehe ich, und ich verstehe auch, dass Sie Angst davor haben.«

»Ja?«

»O ja, aber ich glaube, wenn Sie zu ihm halten, wenn Sie es ihm sagen, wird er nicht mehr rückfällig werden. Er ist wirklich tapfer.«

»Aber im Augenblick hat er ohnehin keine Möglichkeit.«

»Da kennen Sie den Doktor schlecht. Der überlässt nichts dem Zufall, meine Liebe. Ich weiß nicht, welches Abkommen sie miteinander getroffen haben. Aber ich kann Ihnen versichern, seit einigen Tagen steht in allem Räumen eine Karaffe mit Alkohol.« Sabines Augen weiteten sich. »Ja, ich war auch erschrocken, als ich das sah und ich stellte Dr. Burgstein zur Rede. Doch er musterte mich nur kurz und sagte: ,Ich muss ihn vor Alkohol bewahren, das kann ich aber nicht, wenn ich ihn nicht der Gefahr zu trinken aussetze. Er muss sich selbst heilen, liebe Freundin. Ich reiche ihm nur die Hand, stehe ihm bei. Aber heilen muss er sich selbst. Er muss jeden Tag einen Kampf mit sich kämpfen, und das sein ganzes Leben lang.‘«

»Woher glaubt der Arzt, dass er es schafft?«

Lydia lächelte.

»Das ist ja eben das große Geheimnis unseres Doktors. Er zieht immer wieder einen Hasen aus dem Hut. Auch wenn man es nicht mehr glaubt, findet er einen Weg.«

»Das verstehe ich nicht!«

»Er überlegt, Frau Toller. Unser Doktor hat Verstand, und er denkt nur im Interesse seiner Patienten. Ich glaube, das ist sein großes Geheimnis.«

»Wie bitte?«

»Ja, es ist wirklich recht einfach, und darum will man es einfach nicht glauben. Aber es ist so. Überlegen Sie mal, denken Sie mal an all die großen Ärzte und Wissenschaftler, die in die Geschichte eingegangen sind, die wirklich eine Hilfe für die Menschheit wurden. Alle diese Menschen haben nur an die Patienten gedacht. An das Wohl und Wehe der Kranken, und wie sie ihre Leiden erleichtern, ihr Leben verbessern konnten, und plötzlich fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen, und sie wussten was sie tun mussten.«

»Aber ...«

Lydia lächelte.

»Heute denkt man an den Profit, an den guten Ruf, den man verlieren könnte, wenn man ein Außenseiter ist. Ach ja und dann sind da noch die Krankenkassen, die ein Wörtlein mitreden, und nicht zu vergessen die Verwaltung, und dann das neue Auto, das man sich wünscht, das Haus und vieles mehr.«

»Natürlich«, sagte Sabine leise.

»Also?«

Sabine stand auf und ging hin und her.

»Aber wenn ihr Doktor so gut ist, und wenn er so viele mit so geringen Mitteln heilen kann, dann frage ich mich, wann wird er am Ende sein?«

»Tja, meine Liebe, das fragen wir uns die ganze Zeit. Aber wie Sie sehen, gibt es vorerst kein Ende. Die Kranken kommen nun schon von sehr weit her.«

»Warum?«

»Weil sie bei uns geheilt werden. Und wenn sich das noch mehr herumspricht, dann werden wir uns bald nicht mehr retten können.«

»Und dann?«

»Dann werden sich langsam die anderen Ärzte auch darauf einstellen, meine Liebe.«

»Das werden sie ganz sicherlich nicht tun.«

»Meine Liebe, wenn ihnen erst einmal bewusst wird, dass ein Arzt ohne Patienten ein Nichts ist, dann werden sich die Patienten nichts mehr bieten lassen. Dann werden sie vieles geändert sehen wollen, oder sie wechseln einfach den Arzt. Dieses Denken muss erst in die Köpfe der Patienten eindringen. Und vor allen Dingen müssen sie endlich lernen zu begreifen, dass man sich Gesundheit nicht in der Apotheke kaufen kann. Die Kranken müssen mit dazu beitragen, dass sie gesund werden. Und wenn sie dann auch noch lernen, dass es mit einfachen Mitteln auch geht, werden sie sich nicht mehr mit lauter Chemie vergiften lassen.«

»Aber das gibt es doch nicht! In der heutigen Zeit? Dann hätten wir ja wieder Zustände wie vor hundert Jahren.«

»Und?«, sagte Lydia kriegerisch. »War das so schrecklich? Vielleicht waren da viel weniger Menschen krank. Die Menschheit wäre schon ausgestorben, wenn es die Naturheilmittel nicht gäbe.«

»Aber wie viele Menschen waren früher lungenkrank und sind daran gestorben!«

Lydia lachte auf.

»Da haben Sie. wirklich ein gutes Beispiel gebracht. Nicht allein die Chemie hat ihnen geholfen. Nein, frische Luft, ein gutes Essen, frisches Gemüse und Obst brachte vielen die Gesundheit. Und die Krankheiten, die die Seeleute bekamen. Während der langen Zeit auf See war ihnen oft das Obst und Gemüse ausgegangen, sie litten unter Mangelerscheinungen?«

»Aber Rüdiger ist ein Gewohnheitstrinker!«

»... und hat ein bestimmtes Kräutlein vom Doktor erhalten.«

Lydia wusste ja nicht, dass es nur ein Satz war, mit dem Rüdiger seine Sucht bekämpfen musste.

Sabine blickte sie an.

»Sie setzen sich wohl sehr für Ihren guten Doktor ein?«

»Das tue ich!« Sabine dachte nach. »Was ist jetzt?«, fragte Lydia ungeduldig.

Sabine gab sich einen Ruck.

»Wenn Rüdiger gesund wird, dann halte ich zu ihm!«

Bewegt reichte Lydia ihr die Hände.

»Sie werden es nicht bereuen!«

»Und was soll ich jetzt tun?«

»Ihn besuchen! Aber nicht sofort. Lassen Sie ein paar Tage verstreichen, sonst merkt er, dass ich damit etwas zu tun habe!«

»Und wenn er mich fragt?«

»Dann flunkern Sie ein wenig und sagen Sie, die Krankenkasse hätte Ihnen die Adresse gegeben.«

»Gut!«

»Sie sind eine tapfere junge Frau. Und wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf, dann verlassen Sie diese Stadt!«

»Warum?«

»Hier können Sie doch nicht glücklich werden.«

Sabine blickte Lydia groß an.

»Was ist Rüdiger eigentlich von Beruf?«, fragte Lydia.

»Koch!«

Lydia lachte leise auf.

»Und Sie?«

»Ich bin Sachbearbeiterin oder Sekretärin, wie Sie es nennen wollen.«

»Das trifft sich ja wunderbar!«

»Wieso?«

Lydia verabschiedete sich.

»Bis Rüdiger ganz geheilt ist, dauert es noch ein wenig. Ich glaube, ich kann noch eine Menge für euch tun.«

»Wirklich?«

»Ich muss jetzt gehen.«

Sabine brachte Lydia Winter zur Tür.

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