Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 28
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Rüdiger Füller brauchte schon lange nicht mehr im Rollstuhl ausgefahren zu werden. Er ging jetzt gern spazieren. Für ihn hatte das Leben wieder einen Sinn bekommen. Und er konnte auch ganz gut an den Wirtshäusern der Kleinstadt vorbeigehen. Immer wieder sagte er sich den Satz vor, und es funktionierte wirklich. Er brauchte ja nur bis morgen trocken zu bleiben. Das wäre doch gelacht!
Dr. Burgstein wirkte auf das Unterbewusstsein des Alkoholikers ein. Rüdiger sprach darauf an und half also mit. Rüdiger Füller heilte sich selbst und merkte es nicht einmal.
Vor einer Woche war Lydia bei Sabine gewesen. Bis jetzt hatte sich noch nichts getan. Lydia glaubte schon, Sabine würde doch nicht kommen. Aber dann traf Sabine ein, als wäre sie vom Himmel gefallen.
Rüdiger befand sich gerade im Garten und sah Sabine kommen. Er stürzte auf sie zu.
»Sabine, Sabine!« Er weinte und fiel ihr um den Hals. Noch nie war er so glücklich gewesen wie in diesem Augenblick. Auch Sabine musste weinen. Dann sahen sie sich an.
»Du siehst wunderbar aus«, erklärte Rüdiger. Er strahlte sie an. »Oh, Sabine!« Sie setzten sich auf eine Bank. »Wirst du auf mich warten?«, fragte Rüdiger bang.
»Ich bin doch gerade erst gekommen. Wir haben uns ja so viel zu erzählen, Rüdiger.«
Er küsste ihr die Hände.
»Du wirst sehen! Nie mehr wirst du meinetwegen Kummer haben. Ich bin ein ganz neuer Mensch. Diesmal werden wir es schaffen, Sabine! Wir zwei müssen unsere Liebe bewahren!«
Sie streichelte ihm über das Haar.
»Ich möchte dir ja so gern glauben«, flüsterte sie.
Er blickte sie beschwörend an.
»Das darfst du auch, Sabine.«
O ja, sie spürte deutlich, er war viel reifer geworden. Das war nicht mehr der kleine, schwache Rüdiger. Er war zum Manne gereift.
Sabine lächelte unter Tränen.
»Komm, ich muss dich unbedingt der Familie vorstellen, Sabine!«
So lernte Sabine auch den jungen Arzt kennen und begriff sehr schnell, warum Lydia Winter so sehr von ihm geschwärmt hatte. Dr. Burgstein sagte Sabine immer wieder: »Wenn Rüdiger nichts mehr aus dem Gleichgewicht bringt, wird er es bestimmt schaffen. Er ist wirklich tapfer gewesen. Wir haben schlimme Wochen hinter uns.«
»Aber kann man denn das ganze Leben lang jede Aufregung von ihm fernhalten?«
»Ich habe nur von der ersten Zeit gesprochen. In einem Jahr ist Rüdiger völlig normal. Dann ist seine Psyche auch wieder so weit, dass er Schicksalsschläge verkraften kann.«
»Ja, das verstehe ich.«
»Er hat nur von Ihnen gesprochen.«
»Wirklich?«
»Werden Sie zu ihm stehen?«, fragte der Doktor Sabine.
»Wäre ich sonst hier?« Sie lächelte ihn an.
Dr. Burgstein drückte ihr die Hand.
»Ja, dann werden wir es schaffen!«
Sabine lernte auch die übrigen Hausbewohner kennen, und auch Britta und Willy. Sie alle waren sehr nett zu ihr. Als sie dann am Nachmittag spazieren gingen, trafen sie auch auf Lydia und Johanna. Sie wurden sogleich in die weiße Villa eingeladen. Und Rüdiger erzählte lachend, wie die zwei Damen ihn gequält hätten. Es lag aber dabei so viel Humor in seiner Stimme!
Man amüsierte sich köstlich, und die Stunden rannen nur so dahin.
Lydia ging mit Sabine für kurze Zeit in den Park, um mit ihr zu reden.
»Neulich habe ich eine Andeutung gemacht. Jetzt möchte ich offen sprechen, damit Sie es sich überlegen können, Frau Toller. Rüdiger wird bald heimkommen, und darum möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, dass Sie sich hier Arbeit suchen. Wir mögen Rüdiger und werden alle ein wenig auf ihn aufpassen.«
»Arbeit?«, fragte Sabine erstaunt. »In diesem kleinen Städtchen gibt es doch kaum Möglichkeiten für mich, und ganz bestimmt nicht für Rüdiger. Hier sind doch nur Familienbetriebe.«
»Ja, aber Sie könnten hier anfangen. Johanna und ich möchten nämlich ein Sanatorium aufmachen. Verstehen Sie?«
»Wie denn das?«
»Psst, nicht so laut! Das ist noch ein Geheimnis, verstehen Sie?«
Sabine sah sie erstaunt an.
»Für den Doktor?«, keuchte sie.
»Für den Doktor! Wir haben ja beide keine Erben, und deswegen wollen wir eine Stiftung machen.«
»Oh, wie schön!«
»In der weißen Villa! Das Haus soll ziemlich klein sein, verstehen Sie? Kein Massenbetrieb! Die Menschen, die hierher kommen, sollen gesund werden, und das geht nur, wenn man sie richtig betreuen kann. Das habe ich ja auch wieder an Rüdiger gemerkt. Zuneigung, Liebe und auch ein wenig Strenge wirken oft Wunder.«
»Meine Güte«, sagte Sabine noch einmal tief bewegt .»Ich kann es noch immer nicht glauben!«
»Dass es klappen wird?«
»Nein, nein, dass hier nur lauter nette Menschen leben sollen«, sagte Sabine mit brüchiger Stimme.
»Oh, da kann ich Sie beruhigen«, lachte Lydia. »Von der anderen Sorte haben wir auch genug im Städtchen wohnen. Aber wer einmal mit dem Doktor zusammengekommen ist, der wird anschließend sein Freund. Man kann sich seiner Ausstrahlung einfach nicht entziehen.«
»Selbst als Alkoholiker nicht!« Sabine bestätigte das.
»Selbst da nicht, da haben Sie recht!«
Sabine blickte in den blauen Himmel.
Aus der Stadt fortgehen, hier leben! Es war so gemütlich hier, so still und schön. Hier würde sie ganz von vorn anfangen können.
»Werden Sie es sich überlegen?«, fragte Lydia Winter.
Sabine sah Lydia warm und herzlich an.
»Das werde ich Ihnen nie vergessen«, sagte Sabine tief bewegt.
Lydia lachte.
»Oh, ich werde eine strenge Vorgesetzte sein, und ich will nur gutes Personal, meine Liebe!«
Sabine konnte nicht anders, sie beugte sich vor und küsste die nette alte Dame.
»Unser erstes Kind werden wir Lydia taufen«, sagte Sabine lachend.
»Aber für einen Jungen klingt dieser Name eigenartig«, sagte Lydia tief bewegt.
»Ich werde bestimmt eine Tochter kriegen.«
Lydia fragte: »Also kann ich mich auf Sie verlassen?«
»Ja, das können Sie! Aber erst muss Rüdiger vollkommen gesund sein.«
»Das wird er bald sein.«
Sie schlenderten zum Haus zurück.
»Rüdiger, ich muss gehen!«, erklärte Sabine.
»Schon?«
»Ja, ich bin mit dem Zug gekommen. Mein Wagen streikte mal wieder.«
»Ich bringe dich zur Bahn!«
Sie verabschiedeten sich.
Lydia hatte Sabine gebeten, noch nicht von ihren Plänen zu reden. Sie wollten Rüdiger nicht aufregen. Vielleicht bekam er dann wieder Angst, weil er fürchtete, doch noch zu versagen. Zur rechten Zeit würde sich alles finden.
Rüdiger hatte Sabine noch so viel zu erzählen. Sie saßen noch lange auf dem Bahnhof und sprachen miteinander. Endlich kam der Zug, der Sabine wieder in die Stadt zurückbringen sollte.
»Sobald mein Wagen fertig ist, werde ich dich öfters besuchen kommen«, versprach Sabine.
»Ich werde immer auf dich warten«, erklärte Rüdiger.