Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 37

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Während sich Jasmin Fischer anzog, stellte Dr. Kayser ein Rezept für die schwangere Frau aus. Sie trat hinter dem weißen Paravent hervor, und ihr Blick bombardierte den Grünwalder Arzt mit vielen stummen Fragen.

Ihre Züge hellten sich auf und machten einem Ausdruck entspannter Erleichterung Platz, als Sven sagte: „Es ist alles in bester Ordnung. Eine Bilderbuchschwangerschaft.’’

„Danke, Herr Doktor”, lächelte die junge Frau.

„Das hört man gern, nicht wahr?”

„Ja.” Sie wirkte nun sehr erleichtert.

„Bitte, setzen Sie sich”, forderte Sven Kayser seine Patientin auf.

Jasmin ließ sich langsam auf dem angebotenen Stuhl nieder. Sie hatte kurzes, brünettes Haar. Sehr hübscher Schnitt. Sauber und adrett wirkte sie. Eine sympathische, intelligente Person, immer tipptopp gekleidet. Sie verdiente überdurchschnittlich gut als Sekretärin des Möbelfabrikanten Gerd Gorbach, war sehr selbständig und stand mit beiden Beinen fest im Leben.

Allein. Und das passte nicht so ganz zu ihrem Zustand, denn normalerweise sind schwangere Frauen entweder verheiratet oder verlobt, oder sie haben einen Lebensgefährten, einen Partner, einen Kindsvater vorzuweisen.

Sven fragte nicht mehr nach dem Mann, mit dem Jasmin das Kind gezeugt hatte. Sie wollte seinen Namen nicht nennen, und er musste das akzeptieren.

Ob Gerd Gorbach der Vater war? Sven konnte sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden. Gorbach, auch ein Patient von ihm, war siebenundfünfzig. Gewiss nicht zu alt, um Vater zu werden, aber Gerd Gorbach und Jasmin Fischer ... Nein, die passten weder optisch noch sonst irgendwie zusammen. Jasmin hätte Gorbachs Tochter sein können, und Sven wusste, dass sie für ältere Männer nichts weiter als ein freundliches Lächeln übrig hatte.

Der Vater des Kindes, das sie unter dem Herzen trug, musste ein junger Mann sein. Ein gewissenloser Kerl, dem es nur ums Vergnügen gegangen war? Ein Mann ohne Moral, Anstand und Verantwortungsbewusstsein?

Dr. Kayser sah die Patientin nachdenklich an. Ob sie den Namen jemals preisgeben wird?, überlegte er.

Er lächelte. „Macht Ihnen die morgendliche Übelkeit noch zu schaffen?”

„Sie lässt allmählich nach, ist nicht mehr so heftig”, antwortete Jasmin.

„Sie wird bald ganz aufhören. Die Schwangerschaft dauert in der Regel zweihundertachtzig Tage. Bei der Berechnung geht man vom 1Tag des Beginns der letzten Menstruation aus, und man teilt diese Zeit in drei Abschnitte: Vom ersten bis zum dritten Monat rechnet man das Stadium der Anpassung. Der mütterliche Organismus stellt sich auf die veränderten Umstände und auf die von ihm dadurch geforderten erhöhten Leistungen ein. Die Zeit vom vierten bis zum achten Monat bezeichnet man als das Stadium des Wohlbefindens. Der Organismus der Frau hat sich in körperlicher und psychischer Hinsicht auf den neuen Zustand eingestellt. Meist zeigen sich keine besonderen Beschwerden. Erst der neunte und zehnte Monat werden als Stadium der Belastung bezeichnet. Das größer werdende Kind dehnt die Bauchwand, drückt auf die Bauchorgane der Mutter und kann ziehende Schmerzen im Rücken verursachen. Gegen Ende dieses Stadiums haben die Stoffwechselorgane der Mutter etwa dreißig Prozent mehr zu leisten als normalerweise. Aber keine Sorge. So gesund, wie Sie sind, schaffen Sie das problemlos.”

Jasmin Fischer legte unbewusst die Hand auf ihren noch flachen Bauch.

Niemand war da, an den sie sich lehnen konnte, der ihr die Zärtlichkeit gab, die sie jetzt gebraucht hätte, der sie liebte, sich um sie sorgte, der neben ihr stand, wenn sie Hilfe brauchte, auf den sie sich verlassen konnte. Wie glücklich durften sich dagegen junge, unerfahrene Frauen, werdende Mütter preisen, deren Partner sie nicht im Stich gelassen hatte, der in der gravierendsten Zeit ihres Lebens zu ihnen hielt und alle Hindernisse für sie aus dem Weg räumte, so dass sie sich nur auf ihre Schwangerschaft und die Geburt zu konzentrieren brauchten!

„Wie geht es beruflich?”, erkundigte sich Dr. Kayser.

„Sehr gut”, antwortete Jasmin Fischer. Sie lächelte kurz. „Im Augenblick geht es ein wenig drunter und drüber, wie Sie sich vorstellen können. Die Vorbereitungen für Herrn Gorbachs Geburtstagsfeier laufen auf Hochtouren. Vorige Woche haben wir die Einladungen verschickt ...”

„Ich habe meine gestern bekommen”, warf Sven ein.

„Dann sehen wir uns ja bald wieder.” „Ich freu’ mich darauf.”

Jasmin erhob sich.

Dr. Sven Kayser stand ebenfalls auf. Er gab der Patientin das Rezept und reichte ihr die Hand. „Weiß Herr Gorbach schon von Ihrer Schwangerschaft?”

Jasmin schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht.”

„Sie müssen es ihm sagen.”

,,Es bot sich noch keine passende Gelegenheit. Ich möchte es ihm nicht zwischen zwei Terminen einfach so an den Kopf knallen, verstehen Sie?” Die Patientin faltete das Rezept und schob es in ihre Handtasche. „Ich habe heute noch eine ganze Menge zu erledigen.”

Sven schmunzelte. „Wie wird das erst werden, wenn Herr Gorbach seinen Sechzigsten feiert?”

Jasmin lachte. „Schlimm. Ganz schlimm. Auf Wiedersehen, Herr Doktor.”

„Auf Wiedersehen. Grüßen Sie Ihren Chef von mir.”

„Mache ich gern, Herr Doktor.” Nachdem die Patientin das Behandlungszimmer verlassen hatte, trat Schwester Gudrun ein. „Nette Person, wa?”

„O ja, sehr nett.”

„’ne Affenschande ist det, dass so’n süßes Frauchen ihr Kind janz alleene uff die Welt bringen muss, Chef. Den Fatzke sollte man doch jlatt... Ick saje es lieber nich. — Det is nämlich etwas janz Böses, was mir da uff die Zunge liegt, Herr Doktor. Det behalt’ ick mal lieber für mich.” Dr. Kayser nickte „Einverstanden, Icke Wie viele Patienten sind noch draußen?”

„Nur noch eener, Chef.” Gudrun verdrehte die Augen. „Mäxchen Kabel. Det Se den noch nich uff'n Mond jeschossen haben, kann ick, ehrlich jesagt, ooch nich so janz vastehn. Is doch’n Simulant allererster Jüte. Ein richtjer Hypochonder. Dem fehlt doch rein jar nischt. Wenn alle Leute so jesund wären wie der, würden wa hier den janzen Tag bloß Däumchen drehn und Maulaffen feilhalten.”

„Ich weiß, er hat seine Wehwehchen aus diversen Illustrierten, aber das schließt nicht aus, dass er irgendwann einmal wirklich krank zu uns kommt.”

„Ick bin jespannt wann dieser medizinisch verbildete Laie mal höflichst darum bittet, dat Se ihm ’ne Spirale einsetzen, Chef”, ulkte Schwester Gudrun.

„Hat er Ihnen anvertraut, weshalb er diesmal hier ist?”

„Klar. Der redet doch so jerne über Krankheiten aller Art. Dat is’ doch sein einzijes Lieblingsthema. Heute möchte er — wenn ick mit meene Lauscherchen allet richtig uffjeschnappt habe — jerne ’ne erschöpfende Auskunft darüber haben, ob ihm durch eenen übersehenen Leistenbruch Unfruchtbarkeit drohen kann.”

„Felix!” Svens Ruf galt seinem Assistenten, der im benachbarten Raum beschäftigt war.

„Ja, Chef?”

„Können Sie mal kommen?”

„Bin schon unterwegs.” Dr. Felix Brunner erschien, ein junger Mann, der bei Helferinnen und Patienten gleichermaßen beliebt und dessen sympathische Fröhlichkeit ansteckend war. Er wusste mit Menschen — ob sie nun krank oder gesund waren — hervorragend umzugehen und verstand es mit geradezu spielerischer Leichtigkeit, im Handumdrehen jedermanns Vertrauen zu gewinnen. Er wohnte vorübergehend im Souterrain des Grünwalder Arzthauses.

„Was gibt es, Chef?”, erkundigte er sich beflissen.

Sven sah Schwester Gudrun kurz an. ,,Ich möchte Ihnen Herrn Kabel ans Herz legen, Felix.”

„Der Ärmste hat’n einzijes jroßes Problem”, grinste Gudrun. „Er is kernjesund — und wär' doch so schrecklich jerne ein kleenes bissken krank.”

„Hat sein Wissen aus den Gesundheitsecken der Regenbogenpresse”, sagte Dr. Kayser.

„Is’n richtig klujer Mann, unser Mäxchen.” Die rundliche Schwester grinste. „Beinahe schon so wat wie’n Studierter. Ein Selfmade-Doktor, wenn ick det mal so salopp formulieren darf. Weeß allet besser. Weeß mehr als wir— denkt er jedenfalls. Kommt schon mit ’ner handfesten Fehldiagnose in die Praxis ...”

„Und unsere Aufgabe ist es dann, ihm die jeweilige eingebildete Krankheit behutsam auszureden”, sagte Sven.

„Mach' ich, Chef”, nickte Felix. „Das krieg' ich schon hin.” Er wandte sich an Schwester Gudrun. ,,Würden Sie den Patienten in mein Behandlungszimmer bitten.”

„Mit dem jrößten Vergnüjen”, antwortete Gudrun Giesecke amüsiert. „Nee, also wat für’n enormen Dussel Se haben, Felix, dat Ihnen der Chef diesen wichtigen Patienten überlässt, ’n riehtijer Glückspilz sind Se, det kann ick Ihnen flüstern. An Mäxchen Kabel können Se sich nämlich so richtig schön profilieren. Jibt’s wat Erstrebenswerteres als dat für ’nen tüchtigen jungen Doktor uff'm Weiterbildungs-Assistentenposten?”

Bevor die Gute ins Wartezimmer ging, fragte Dr. Sven Kayser: „Wie viele Hausbesuche heute?”

„Drei”, antwortete Gudrun knapp.

„Nur drei?”

„Scheint’n jesundet Zeitalter anzubrechen, Chef.” Sie verließ das Sprechzimmer und sagte überfreundlich: „Herr Kabel, zu Doktor Brunner, wenn’s jenehm is'.”

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