Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 38
Оглавление2
„Mächtig was los hier”, sagte der große kräftige Mann zu Sven. Er hielt einen Teller in der linken und eine Gabel in der rechten Hand und genoss die Köstlichkeiten, die er sich vom kalten Büfett geholt hatte.
Auch Dr. Kayser labte sich an den erkämpften Delikatessen. Obwohl genug da war und ständig nachgelegt wurde, herrschte am Büfett ein mörderisches Gedränge.
Das turbulente Fest fand im Freien statt. Auf dem riesigen Gorbachschen Anwesen, auf dem eine prächtige Villa und die große Möbelfabrik Platz hatten. Der Wettergott meinte es gut mit dem Geburtstagskind. Es war früher Abend, noch hell, und jedermann empfand die Temperaturen als angenehm mild.
Viele Reden waren gehalten worden, und man hatte Gerd Gorbach mit Geschenken überhäuft.
Inzwischen war man beim gemütlichen Teil angelangt. Die Gäste standen in kleinen Grüppchen beisammen — sofern sie ihre Tapferkeit nicht gerade am kalten Büfett unter Beweis stellten — und unterhielten sich gut gelaunt.
„Großartige Stimmung”, sagte der kräftige Mann mit seiner dröhnenden Bassstimme zu Sven.
„Könnte nicht besser sein”, erwiderte Dr. Kayser.
„Und mit dem Wetter hat Gerd wieder mal unverschämtes Glück.”
„Wie voriges Jahr.”
„Ach, waren Sie da auch hier?”
Sven nickte.
„Sie kommen mir irgendwie bekannt vor”, sagte der Mann.
„Ich bin Herrn Gorbachs Hausarzt.”
„Dr. Sven Kayser.”
„Genau”, bestätigte der Grünwalder Arzt.
„Und ich bin Dr. Werner Ullanus, Gerd Gorbachs Rechtsanwalt”, stellte der Mann sich vor.
„Sehr erfreut.”
„Wenn Sie mal ein kniffliges Rechtsproblem haben, kommen Sie zu mir”, sagte Dr. Ullanus. „Ich helfe Ihnen gern.”
„Und wenn Sie mal ein gesundheitliches Problem haben ...”
Der Anwalt lachte. „Was wir nicht hoffen wollen.”
„Natürlich nicht, aber wenn ...”
„Dann komme ich zu Ihnen”, versprach Werner Ullanus. „Haben Sie Dr. Schiller gekannt?”
„O ja, ein hervorragender Diagnostiker.”
„Und, bedauerlicherweise, ein leidenschaftlicher Spieler. Er konnte das Geld gar nicht so schnell verdienen, wie es ihm in den Kasinos aus der Tasche gezogen wurde. Er hat alles verspielt. Auto, Haus, Praxis ... Als seine Schulden so hoch waren, dass er sie nicht mehr überblicken konnte, machte er Schluss.”
„Mit Morphium, ich weiß”, sagte Sven, dem das Thema nicht behagte.
„Wenn er zu mir gekommen wäre und sich mir anvertraut hätte, hätte ich ihm bestimmt helfen können. Aber ich hatte keine Ahnung von seinen finanziellen Schwierigkeiten.”
„Niemand wusste davon”, sagte Sven.
„Kein Mensch hat das Recht, sein Leben, den größten Besitz, den er hat, so achtlos wegzuwerfen.”
„Ich bin ganz Ihrer Meinung”, nickte Sven.
Ein Mädchen in dunkelblauem Kleid mit weißer Schürze und weißem Häubchen nahm ihnen freundlich lächelnd die leeren Teller ab. Als kurz darauf ein anderes Mädchen mit einem Tablett vorbeikam, auf dem gefüllte Sektgläser standen, bedienten sich Sven und der Anwalt.
Jasmin Fischer gesellte sich zu Ihnen. „Amüsieren Sie sich gut?”
„Ausgezeichnet”, antwortete Sven.
Jasmin trug ein wunderschönes Kleid aus grünem Musselin. Werner Ullanus schaute sie fasziniert an und sagte: „Donnerwetter, Jasmin, ich bin überwältigt. Sie sehen großartig aus.”
Die hübsche Sekretärin lächelte verlegen. „Oh, vielen Dank.”
„Und Sie haben mit der Organisation dieses Festes wieder einmal ganz hervorragende Arbeit geleistet.”
„Ich brauche nur jedes Jahr das gleiche zu tun”, antwortete Jasmin bescheiden. „Das ist jetzt keine Hexerei mehr. Als ich damit anfing, war’s schwierig, und es gab auch so manche peinliche Panne, wie Sie vielleicht noch wissen, aber inzwischen habe ich alles recht gut im Griff. Wie heißt es doch so schön? Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.” Während sie mit dem Anwalt sprach, hatte Sven Muße, sie zu betrachten. Er war der einzige, der von ihrem süßen Geheimnis wusste. Sie ist bildschön, ging es ihm durch den Sinn. Wer bringt es fertig, eine Frau wie sie sitzenzulassen? Der Mann kann nicht bei Trost sein.
„Möchten Sie tanzen, Jasmin?”, fragte Dr. Ullanus in diesem Moment.
„Sehr gern.”
„Entschuldigen Sie uns, Dr. Kayser”, sagte der Anwalt, „aber diese einmalige Gelegenheit darf ich mir einfach nicht entgehen lassen.”
„Da kann ich Ihnen nur beipflichten”, gab Sven schmunzelnd zurück. „Ich bedaure nur, dass ich die Idee nicht vor Ihnen hatte.”
„Bloß keinen Streit”, lachte Jasmin. „Ich reserviere Ihnen selbstverständlich einen Tanz, Dr. Kayser.”
„Ich bitte darum.”
„Wir sehen uns bestimmt noch”, sagte Werner Ullanus.
„Aber sicher”, gab Sven zurück.
Der Anwalt bot Jasmin Fischer galant seinen Arm und entfernte sich mit ihr.
„Ein attraktives Paar, mein Anwalt und meine Sekretärin, finden Sie nicht, Dr. Kayser?”, sagte Gerd Gorbach und trat neben den Arzt. „Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich für Ihr Kommen zu bedanken. Es ist mir eine außerordentliche Freude, dass Sie mir auch diesmal wieder die Ehre geben. Tja, schon wieder ist ein Jahr um. Wie verflixt schnell doch die Zeit vergeht. Ist sie nicht grausam? Warum rennt sie so? Warum hat sie’s so eilig? Ich nähere mich mit Riesenschritten dem sechzigsten Geburtstag. Es lässt sich nicht verhindern. Je älter ich werde, um so schneller vergeht die Zeit. Jedenfalls empfinde ich es so. Ich habe manchmal das Gefühl, mir läuft das Leben regelrecht davon. Aber wahrscheinlich geht es allen Menschen meinen Alters so. Man hat noch so viele unverwirklichte Ideen, möchte noch so schrecklich vieles tun ...”
Obwohl Gerd Gorbach mindestens dreißig Pfund Übergewicht hatte, machte er in seinem maßgeschneiderten Smoking eine recht passable Figur. Er strich sich das schüttere Haar aus der Stirn. Seine Ohren waren sehr groß, die Ohrläppchen fleischig. Das rechte massierte er häufig, während er sprach. Eine Angewohnheit, der er sich nicht bewusst war.
„Und wie fühlt man sich ganz allgemein an einem solchen Tag?”, erkundige sich Sven Kayser lächelnd.
„Es ist schön, all die Menschen, die man mag und die einen mehr oder weniger lange schon durchs Leben begleiten, um sich zu haben. Da vergisst man für kurze Zeit ...”
„Was vergisst man?”
„Ach, wir wollen an so einem schönen Tag nicht von Krankheiten reden, Dr. Kayser.”
„Warum nicht? Ich bin Arzt. Ihr Hausarzt.”
Gorbach klagte über ständige Rückenschmerzen, die sich in das linke Bein und in die Kniekehle hinunterzogen, an manchen Tagen sogar bis in die Ferse ausstrahlten.
Er seufzte. „Ich weiß, ich bin zu schwer, das tut meinem Kreuz nicht gut. Dutzende Diäten habe ich schon hinter mir. Ich nehme ab und zu wieder ab und wieder zu ...”
„Als Arzt muss ich auch vor diesem Jo jo-Gewicht warnen”, sagte Sven. „Dieses ständige Ab und Zunehmen belastet den Organismus mehr, als man meint.”
„Man müsste irgendwie im mentalen Bereich einhaken, denn da liegt der Hund begraben.” Gorbach tippte sich an die Stirn. „Alles wird von dieser Kommandozentrale aus gesteuert, und unser Bordcomputer funktioniert zumeist auch ein Leben lang ziemlich klaglos. Nur der Bereich, der für die Nahrungsaufnahme zuständig ist, scheint einen Widerstand zu wenig zu haben. Uns ist die natürliche Bremse abhanden gekommen. Deshalb gibt es ja so viele dicke Menschen auf der Welt.”
„Kommen Sie doch in den nächsten Tagen in meine Praxis”, sagte Dr. Kayser, „damit ich Sie untersuchen kann. Diese ständigen Rückenschmerzen müssen nicht sein. Dagegen kann man eine ganze Menge tun.”
„Meine Sekretärin wird mit Schwester Gudrun einen Termin vereinbaren”, nickte Gorbach. „So, und nun wird kein Wort mehr über Krankheiten verloren. Amüsieren Sie sich, Dr. Kayser. Dazu sind Sie schließlich hier.”