Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 39

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„Sie tanzen großartig”, sagte Dr. Ullanus.

„Und Sie führen großartig”, erwiderte Jasmin Fischer.

„Sie sind leicht wie eine Feder. Man spürt Sie kaum, wenn man Sie im Arm hält. Es ist wirklich ein Vergnügen, mit Ihnen zu tanzen, Jasmin.”

„So viele nette Komplimente ... Sie machen mich ganz verlegen.”

Der Anwalt lächelte. „Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre ...”

„Was wäre dann?”

„Ich würde Ihnen glatt einen Heiratsantrag machen. Aber ich bin zu alt für Sie. Ich bin zweiundfünfzig, und ich möchte mich nicht lächerlich machen.”

Jasmin wurde ernst. Sie dachte an das Kind in ihrem Bauch und an seinen Vater, den sie liebte. Er war noch nicht hier, aber er würde kommen, und sie würde ihm die Hand geben, ihn freundlich begrüßen und ihn tapfer anlächeln. „Hallo, Jochen”, würde sie sagen, wenn niemand dabei war. „Schön, dich mal wieder zu sehen. Wie geht es dir? Du siehst blendend aus.”

Er würde bestimmt blendend aussehen. Wie immer. Sollte aber jemand zuhören, würde Jasmin mit der gebotenen Reserviertheit, die eine gute Sekretärin ausmacht, sagen: „Willkommen im Hause Ihres Vaters, Herr Gorbach. Wir haben Sie lange nicht gesehen.” Genau zwei Monate, drei Wochen, vier Tage und sieben oder acht Stunden, würde sie im Geist hinzufügen, und ihr Herz würde ihr dabei schrecklich weh tun, aber sie würde ihm nichts von dem Kind erzählen. Eher würde sie sich die Zunge abbeißen. Sie waren einander kurze Zeit sehr nahe gewesen, damals, als Jochen Gorbach noch im Haus seines Vaters gewohnt und das Unternehmen mitgeleitet hatte. Sie hatten miteinander geschlafen, ohne sich gegenseitig irgend etwas zu versprechen, und es war wunderschön gewesen. Noch nie im Leben war Jasmin glücklicher gewesen, und es machte ihr überhaupt nichts aus, dass dieses erfüllende und beglückende Zusammensein nicht ohne Folgen geblieben war. Sie machte sich keine Sorgen um die Zukunft. Sie freute sich auf das Kind, auf ihr Kind, dem sie so viel Liebe schenken würde, dass es den fehlenden Vater nicht im mindesten vermisste. Jasmin wollte auf gar keinen Fall, dass Jochen nur wegen des Babys zu ihr zurückkehrte und sich vielleicht sogar genötigt sah, sie zu heiraten. Sie war eine stolze Frau. Sie brauchte keine Almosen. Schon gar nicht in der Liebe.

„Jasmin!”

Sie fuhr zusammen.

„Habe ich irgend etwas Falsches gesagt?”, fragte Werner Ullanus.

„Nein. Wieso?”

„Sie sind auf einmal so schweigsam.”

„Entschuldigen Sie, Herr Ullanus.”

„Und so ernst.”

„Tut mir leid.” Jasmin zwang sich zu einem fröhlichen Lächeln. „Besser so?”

„Viel besser.”

„Mir fiel da etwas ein ... Wird ganz bestimmt nicht wieder vorkommen”, versprach Jasmin und gewährte dem netten Rechtsanwalt als Entschädigung einen weiteren Tanz.

Es begann zu dämmern, als Jochen Gorbach eintraf. Jasmin gab es einen heftigen Stich, als sie ihn erblickte. Sie hatte nicht geglaubt, dass es so stark schmerzen würde. Jetzt nur nicht kneifen, sagte sie sich. Die Flucht nach vorn antreten.

Sie ging auf ihn zu. Er trug einen mitternachtsblauen Anzug mit rasiermesserscharfen Bügelfalten und eine dezent gemusterte Krawatte. Ein Mann, wie er schöner nicht sein konnte, Jasmins Traummann. Ihr Herz raste und sie befürchtete dass ihr die Stimme versagen würde. Gott, wie sehr sie Jochen liebte! Sie wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte. Oder er. Oder sie beide. Auf einmal hatten sich ihre Wege wieder getrennt. Eine verrückte, bitterböse, hundsgemeine Laune des Schicksals.

„Hallo, Jochen”, sagte sie wie aufgezogen. Niemand hörte es. „Schön, dich mal wieder zu sehen. Wie geht es dir? Du siehst blendend aus.” Papierener Text, schlecht auswendig gelernt, laienhaft vorgetragen.

Jochen trug ein großes Buch unter dem Arm. Vermutlich einen Bildband, umhüllt von lindgrünem Geschenkpapier mit gelben Streifen. Seine dunklen Augen strahlten. Er schien sich wirklich zu freuen, Jasmin zu sehen.

Er sah seinem Vater nicht im entferntesten ähnlich, war schlank und hatte volles blondes Haar. Mit seinem jungenhaften Lächeln hatte er Jasmin schon einmal schwach gemacht, und ihre Knie drohten schon wieder weich zu werden.

Sie hätte ihn am liebsten umarmt und geküsst. Wie einfach hätte das Leben sein können ohne diesen dummen Stolz. So viele Worte blieben seinetwegen unausgesprochen.

„Jasmin, du ...“ Jochens Blick huschte an ihr auf und ab. „Dieses Kleid ... Du siehst darin hinreißend aus. Mir verschlägt es doch tatsächlich den Atem. Wie geht es dir? Alles okay?”

„Alles bestens. Könnte nicht besser sein”, log sie, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Das freut mich”, sagte Jochen zufrieden. „Freut mich wirklich. Behandelt dich mein Vater gut?”

„Er ist der beste Chef, den ich mir wünschen kann.”

„Und du bist die beste Sekretärin, die er kriegen konnte. Soll ich ihm eine Gehaltserhöhung für dich entreißen?”

„Danke, nicht nötig.”

„Geld kann man nie genug haben.”

„Ich bin mit meinem Gehalt zufrieden.”

Jochen zuckte die Schultern. „Gut. Wie du meinst.” Er ließ den Blick schweifen. „Kannst du mir sagen, wo ich meinen alten Herrn finde?”

„Nein, aber ich kann ihn für dich suchen.”

„Tu das. Ich gehe in sein Arbeitszimmer, dort habe ich ihn für mich allein. Ich wollte eigentlich viel früher kommen, aber ich hab's einfach nicht geschafft.”

„Hast du soviel zu tun?”, fragte Jasmin.

„Ich könnte Tag und Nacht arbeiten.”

„Ist doch schön.”

Jochen schmunzelte „Nicht schön, aber beruhigend.”

Er hatte die Möbelfabrik des Vaters nicht nur mitgeleitet, er hätte sie in der weiteren Folge auch nach und nach übernehmen sollen. Ein fließender Übergang vom Senior zum Junior war geplant gewesen, doch gravierende Meinungsverschiedenheiten mit dem Vater hatten Jochen veranlasst, aus der Firma auszuscheiden. Jochen hatte eine radikale Modernisierung des Betriebes durchzusetzen versucht, um konkurrenzfähig zu bleiben, war jedoch am Veto des Vaters gescheitert, der alles so weiterlaufen lassen wollte wie bisher.

Vater und Sohn hatten sich im Guten getrennt. Seither arbeitete Jochen als freier Designer für andere Möbelhersteller und bewies neben der für diesen Job erforderlichen Kreativität auch eine gesunde Portion Cleverness und Geschäftssinn. Womit sich wieder einmal deutlich erkennen ließ, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.

Es war dunkel in Gerd Gorbachs Arbeitszimmer. Jochen knipste die Schreibtischlampe an. Draußen wurden Hunderte von Partyfackeln angezündet. Flackernder Feuerschein, wohin man schaute.

Der junge Mann hörte, wie die Tür geöffnet wurde, und drehte sich um. „Hallo, Vater!”

„Jochen, mein Junge!”

Sie standen einander gegenüber. Vater und Sohn. Dickköpfe. Aber sie liebten sich trotzdem. Die Firma war nicht alles. Sie konnte sie nicht entzweien, nur beruflich trennen.

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Vater.” Jochen übergab sein Geschenk.

Die Männer umarmten sich. In dieser Geste war alle Herzlichkeit der Welt. Ergriffen klopfte Gerd Gorbach den Rücken seines Sohnes, und Jochen spürte, wie seine Kehle eng wurde. Er musste mehrmals schlucken.

„So ein schweres Geschenk”, lachte Gerd Gorbach. „Was ist es?”

„Denkst du, das verrate ich dir?”, grinste Jochen. „Mach es auf, dann wirst du’s sehen.”

„Es widerstrebt mir, dieses schöne Geschenkpapier zu zerreißen.”

„Wenn du vorsichtig bist, kannst du’s bestimmt noch mal verwenden.”

Gerd Gorbach pellte eine Sammlung der besten Karikaturen, gezeichnet von einem wahren Künstler auf diesem Gebiet — sein Lebenswerk —, so behutsam aus dem Geschenkpapier, dass er es fast nicht verletzte. Er legte sie auf seinen Schreibtisch und blätterte begeistert in dem großen Buch.

„Du hast einmal erwähnt, dass du diese Karikaturensammlung gern hättest”, lächelte Jochen.

„Und du hast es dir gemerkt”, sagte Gerd Gorbach ergriffen. „Das finde ich sehr schön von dir. Du machst mir mit diesem Geschenk große Freude, mein Junge. Ich werde dieses großartige Buch sehr oft zur Hand nehmen und mich über die köstlichen Karikaturen amüsieren. Sieh dir diese Zeichnung an. Oder die hier. Dieser tiefsinnige Humor. Dieser intelligente Witz. Diese feinsinnige Ironie. Diese spitze Feder. Diese absolute Treffsicherheit. Diese unverkennbare Linie zum Detail . . . Es ist ein Genuss allererster Güte sich von diesem begnadeten Künstler erheitern zu lassen. Schade, dass er so früh gestorben ist. Er war erst sechsunddreißig.” Gorbach legte das Buch weg. „Komm, wir holen uns was zu trinken. Ich möchte mit meinem Sohn anstoßen.”

Während sie, einander umarmend, das Arbeitszimmer verließen, fragte Jochen: „Was macht die Gesundheit?” Gerd Gorbach lächelte. „Wenn diese ständigen Hexenschüsse nicht wären, ginge es mir blendend.”

„Warum gehst du nicht mal zum Arzt und lässt dich ansehen?”

„Ist bereits beschlossen. In den nächsten Tagen wird Dr. Kayser mich durchchecken. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.”

„Ruf mich an, sobald das Untersuchungsergebnis vorliegt.”

„Mach’ ich, mein Junge.”

„Versprich es mir”, verlangte Jochen. „Ich verspreche es”, sagte Gerd Gorbach und trat mit seinem Sohn aus der Villa.

Jubel, Trubel, Heiterkeit herrschten auf dem großen Anwesen, und Vater und Sohn stürzten sich mitten hinein. Jasmin Fischer beobachtete sie, und sie wünschte sich, dass Gerd und Jochen Gorbach eines Tages doch auch beruflich zusammenfanden, denn dann wäre Jochen bestimmt wieder nach Hause gekommen, Jasmin hätte ihn wieder täglich gesehen, sie wären einander wieder so nahe wie früher gewesen, und vielleicht wäre ein Funke von ihr zu ihm übergesprungen, der nicht nach kurzer Zeit wieder erlosch, sondern ewig weiterglühte. Ein schöner Wunsch.

Ein sehnsuchtsvoller Traum.

Eine heimliche Hoffnung . . .

Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane

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