Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 41

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„Unser Felix is’n richtijer Wonneproppen”, behauptete Schwester Gudrun, die Perle von der Spree, so stolz, als wäre sie seine leibliche Mutter. „Dat wusste ick gleich am ersten Tag, als er hier anjetanzt kam. Mit dem machen wa den Griff det Jahrhunderts, sagte ick mir. Und Recht hab’ ick behalten. Hab' eben ’ne jute Neese für tüchtije Menschen. Du hättest sehen sollen, wie er der Frau Hackfleisch ...”

„Haggleich”, verbesserte Schwester Marie-Luise schmunzelnd.

„Wees ick. Aber Hackfleisch jefällt mir besser. Häste mal sehen sollen, wie sich die ängstliche Hackfleisch, unser Paradefeijling, die normalerweise schon moosgrün im Jesichte wird, wenn bloß von ’ner Injektion die Rede is’, uff de Spritze vom jungen Doktor jefreut hat! Det war’n richtijer Aujenschmaus, det kannste von mir schriftlich haben. Und ’n Ohrenschmaus war’s ooch. ,Bei Ihnen tut mir det jar nicht weh, Herr Doktor', hat se jesäuselt. Det Herz ist ihr dabei förmlich uffjejangen. Spritzen kriegt se von nun an nur noch von unserem Dr. Brunner, denn bei dem macht se bei die dicksten Nadeln keenen Mucks.”

Während sich die beiden Arzthelferinnen unterhielten, hatte Dr. Sven Kayser eine schwierige Patientin in seinem Sprechzimmer.

Daniela Trauttendorf sah schlecht aus, obwohl sie organisch gesund war. Ihre Gesichtshaut war blass und stumpf und sank unter den Wangenknochen ein. Sie nahm ständig ab, wirkte deprimiert und verhärmt. Ein bitterer Ausdruck umschloss ihren Mund wie eine Klammer. Sie war bis vor kurzem eine bildschöne Frau gewesen, machte, bei flüchtigem Hinsehen, auch jetzt noch einen hübschen Eindruck, aber auf den zweiten Blick erkannte jeder den Verfall, der bei ihr eingesetzt hatte und der allmählich rascher fortzuschreiten drohte.

Daniela Trauttendorf, eine siebenundzwanzigjährige, unglückliche Frau, die durch die Hölle ging, die fortwährend mit ihrem Schicksal haderte und sich außerstande sah, ihr schwieriges Leben irgendwie in den Griff zu bekommen und zu meistern. Eine schwache, kraftlose, entmutigte Person. Ein nervliches Wrack.

Sven stellte fest, dass sie anfing, sich gehenzulassen. Ihr langes rotblondes Haar wirkte strähnig, und das Kleid, das sie anhatte, hing an ihr wie an einem Kleiderbügel. Es schien sie nicht mehr zu kümmern, wie sie aussah. Sie war im Begriff, sich selbst aufzugeben. Alles Zureden half nicht. Es ging ihr bei einem Ohr rein und beim andern ungehört wieder raus.

Daniela Trauttendorf, eine langjährige Patientin von Dr. Kayser. Er konnte sich auch an ihre guten Zeiten erinnern, wusste noch, wie glücklich sie gewesen war, als der reiche Geschäftsmann Volker Trauttendorf um ihre Hand angehalten hatte, wie sehr sie ihren Mann geliebt und sich bemüht hatte, ihm eine gute Frau zu sein. Die beste Ehefrau von allen wollte sie sein. Und die beste Mutter. Aber damals hatte ihr himmelhoch jauchzendes Glück den ersten schmerzlichen Dämpfer bekommen. Es hatte danach ausgesehen, als ob ihre sonst so perfekte Ehe kinderlos bleiben würde. Daniela war verzweifelt gewesen. Sie hätte dem geliebten Mann so wahnsinnig gern ein Kind geschenkt, fühlte sich minderwertig. Eine Frau, die keine Kinder gebären, die ihrer obersten natürlichen Bestimmung nicht gerecht werden konnte, war in ihren Augen wertlos.

Sie rannte Dr. Kayser die Tür ein, flehte ihn an, ihr zu helfen, und nach einer langen Hormonbehandlung wurde sie — endlich — schwanger.

Danielas Glück kannte keine Grenzen. Sie schnappte beinahe über vor Freude. Endlich in anderen Umständen! Endlich durfte sie Mutterfreuden entgegensehen! Endlich ein Kind! Ein Mädchen, wie die Ultraschalluntersuchungen einwandfrei ergaben. Barbara sollte es heißen. Oh, Daniela freute sich so sehr auf Barbara. Alle Liebe, die in ihr war, wollte sie der Kleinen schenken. Und alle Zärtlichkeit.

Die Geburt war schwierig. Viele Stunden quälte sich Daniela. Sie befürchtete schon, sie würde es nicht schaffen, aber dann hörte sie Barbaras ersten dünnen Schrei, ihr zartes, liebes Stimmchen — und war unbeschreiblich selig. Und so erschöpft wie noch nie in ihrem Leben.

„Barbara ...“, hatte sie völlig entkräftet geflüstert. „Ist sie gesund?”

„Ein Prachtmädchen ist sie”, hatte Dr. Kayser, der bei der Geburt dabeigewesen war, geantwortet. „Sie können stolz sein auf Ihre bildhübsche kleine Prinzessin.”

Heute war Barbara vier Jahre alt — und die Ehe ihrer Eltern am Ende. Zu oft hatte Volker Trauttendorf seine Frau betrogen. Daniela war an der Untreue ihres Mannes zerbrochen, war inzwischen nervlich so zerrüttet, dass sie Sven um immer stärkere Schlafmittel bat.

„Sie müssen raus aus diesem Teufelskreis, Frau Trauttendorf”, sagte Dr. Kayser eindringlich.

Daniela lachte gallig. „Das sagt sich so leicht, Herr Doktor.”

„Immer stärkere Schlafmittel sind keine Lösung.”

„Aber die, die Sie mir bisher verschrieben haben, wirken nicht mehr.”

„Sie müssen sich zusammenreißen, Frau Trauttendorf.’’

„Das kann ich nicht.”

„Wenn Sie wollen, können Sie es.” Seine Stimme klang eindringlich.

„Ich bin zu schwach, Herr Doktor. Diese schlaflosen Nächte laugen mich aus. Ich habe keine Kraft mehr, leide an Appetitlosigkeit, fühle mich hohl, bin nur noch eine leere Hülle. Sie müssen mir stärkere Tabletten verschreiben. Ich brauche welche, die wirken. Ich muss endlich wieder schlafen, sonst werde ich wahnsinnig. Können Sie es verantworten, dass ich durchdrehe? Wer weiß, was ich dann anstelle. Vielleicht tue ich meinem Mann etwas an. Oder dem Kind. Oder mir ...”

„Was Sie brauchen, ist medizinische und therapeutische Betreuung rund um die Uhr, Frau Trauttendorf”, sagte Sven ernst. „In einem guten Nervensanatorium.”

„Ich muss mich doch um Barbara kümmern!”

„Ihre Tochter braucht eine gesunde Mutter. Sie sind krank, Frau Trauttendorf. Wollen Sie nicht wieder gesund werden? Für Barbara? Für Ihren Mann?”

Danielas Miene wurde hart. „Mein Mann braucht mich nicht mehr. Sie wissen, wie es um unsere Ehe bestellt ist. Volker holt sich ungeniert auswärts, was er braucht. Er beachtet mich kaum noch, und wenn ich ihm eine Szene mache und ihm seine beleidigende Untreue vorhalte, zieht er sich an und geht zu einem dieser billigen Flittchen.”

„Sie müssen auch an sich denken”, sagte Sven.

„Wozu?”

„Sie sind eine junge Frau ...”

„Das Leben hat mir nur noch Tränen, Leid und Erniedrigungen zu bieten, Herr Doktor. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertragen kann — und ich habe Angst vor dem, was danach kommt.” „Sie müssen in ein Sanatorium, Frau Trauttendorf. Es gibt in unserem Land eine Reihe ausgezeichneter Spezialkliniken, in denen Ihnen geholfen werden kann. Allein kommen Sie nicht raus aus diesem Dilemma. Wenn Sie wollen, versuche ich ...”

„Ich denke darüber nach, Herr Doktor”, fiel sie ihm ins Wort.

,,Na schön, aber tun Sie uns beiden den Gefallen und denken Sie schnell nach, denn es eilt. Wenn Sie Ihr Problem auf die lange Bank schieben ...“

„Bekomme ich fürs erste ein stärkeres Schlafmittel, Herr Doktor?”, fiel die Patientin dem Grünwalder Arzt erneut ins Wort.

Sven schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Frau Trauttendorf. Das Mittel, das ich Ihnen bisher verschrieben habe, ist schon stark genug. Ein stärkeres kann ich in Ihrem Fall beim besten Willen nicht verantworten.”

Die Patientin seufzte enttäuscht. „Also gut, geben Sie mir das Rezept, Dr. Kayser.” Sie würde versuchen, die Wirkung des Mittels mit Alkohol zu erhöhen.

Sven Kayser begleitete die junge Frau hinaus und bat den nächsten Patienten ins Sprechzimmer. Eine andere gesundheitliche Hürde stellte sich dem Grünwalder Arzt in den Weg und musste von ihm medizinisch gemeistert werden. Das neue Problem überschattete jenes von Daniela Trauttendorf und drängte es in den Hintergrund.

Schwester Gudrun schaute Daniela Trauttendorf nach und dachte: Armet Persönchen. Schleicht hinaus wie ihr eijener Schatten. Wat ham et manche Menschen doch schwer im Leben!

Daniela fuhr mit einem Taxi nach Hause.

Nach Hause — in diesen goldenen Käfig, in dem es alles gab, jeden erdenklichen Luxus. Nur keine Liebe mehr für sie. Das war vorbei, und sie wusste nicht, warum. Was hatte sie falsch gemacht? Sie war sich keines Fehlers bewusst, war immer für Volker dagewesen. Nach der Geburt von Barbara natürlich nicht mehr so sehr wie vorher, das war klar, doch sie hatte ihren Mann immer geliebt, und es war für sie eine Selbstverständlichkeit gewesen, ihm treu zu sein.

Aber wusste er das zu schätzen? Kein bisschen. Barbara war noch nicht einmal ein halbes Jahr alt gewesen, als es mit den ersten wichtigen Nachtsitzungen anfing, die sich in immer kürzeren Abständen wiederholten. Und bald erlaubte Volker seinen Freundinnen sogar, ihn zu Hause anzurufen. Er machte nicht einmal mehr ein Hehl daraus, dass er fremdging. Das war ja wohl der Gipfel an Impertinenz und Geschmacklosigkeit!

Auf den spiegelnden Parkettböden lagen teure handgeknüpfte Teppiche. An den Wänden hingen Gemälde von El Greco und Vermeer van Delft und riesige Gobelins. In den Wandnischen standen Plastiken zeitgenössischer Künstler. Das ganze Haus war voll klimatisiert. Es hatte hier drinnen Sommer wie Winter einundzwanzig Grad Celsius.

Es war einmal so schön in diesem Haus gewesen! Daniela hatte sich hier einmal so wohl gefühlt, war so unvorstellbar glücklich gewesen.

Und heute? Heute stand sie vor den Scherben ihres Glücks, und dieses Haus war für sie zum Kerker, zur Folterkammer erkalteter Gefühle geworden, in der sie umzukommen drohte.

Daniela schaute in den Salon. Er war leer. Die junge Frau begab sich nach oben. Lisa, das Kindermädchen, eine junge, hübsche, eiskalte Person, verwehrte ihr den Zutritt zu Barbaras Zimmer.

„Was soll das?”, brauste Daniela auf. Sie verlor in letzter Zeit immer gleich die Beherrschung. „Was erlauben Sie sich? Treten Sie zur Seite!”

„Tut mir leid, gnädige Frau”, erwiderte Lisa mit der Ausstrahlung eines Eisblocks, „aber ich habe Anweisung ...”

„Interessiert mich nicht! Sie lassen mich jetzt augenblicklich zu meinem Kind, oder Sie können was erleben!” Lisa trat aus dem Zimmer und schloss die Tür.

„Ich muss Sie bitten, etwas leiser zu sein, gnädige Frau”, sagte sie kühl. „Barbara schläft nämlich, und Sie wollen doch bestimmt nicht, dass sie aufwacht. Sie ist ein sehr zartes, sensibles Kind und braucht sehr viel Ruhe.” Bestimmt war auch sie schon mit meinem Mann im Bett, durchzuckte es Daniela. Deshalb wagt sie, so gegen mich aufzutreten. Ich wollte kein Kindermädchen. Brauchen wir nicht, habe ich gesagt. Ich kann mich selbst um mein Kind kümmern, aber Volker hat darauf bestanden, um mich zu „entlasten”, und dann kam dieses Frauenzimmer in unser Haus ...

Sie brauchte einen Drink, brauchte in letzter Zeit immer öfter einen, um sich zu beruhigen, um mit ihrer quälenden Einsamkeit, mit ihrer nagenden Verzweiflung und mit der kaltschnäuzigen Untreue ihres Mannes fertig zu werden. Es half ihr ja sonst keiner. Nur beim Alkohol fand sie Zuflucht.

Sie ließ Lisa stehen und kehrte ins Erdgeschoss zurück, schenkte sich einen Kognak ein und stürzte ihn hinunter. Die Umstände hatten sie zur Wirkungstrinkerin gemacht. Sie genoss den Kognak nicht, wollte nur, dass er ihren Geist schnell genug betäubte. Sie füllte ihr Glas noch einmal.

„Ein Bild für Götter”, sagte Volker Trauttendorf zynisch.

Daniela fuhr herum. Ihre grünen Augen verschossen feindselige Blitze. Sie hatte ihren Mann nicht eintreten gehört.

„Man trifft dich immer seltener ohne Glas in der Hand an, Liebling”, stellte Trauttendorf, ein stattlicher Mann mit schwarzem Haar und markanten Zügen, sachlich fest.

„Ich bin nicht mehr dein Liebling”, fauchte Daniela. „Wer hat mich denn so weit gebracht?”

„Ich denke, das warst du selbst.”

„O nein, daran hast du Schuld, du mit deinen ewigen Weibergeschichten. Was willst du dir damit eigentlich beweisen? Das würde mich wirklich interessieren. dass du ein richtiger Mann bist, der auch von anderen Frauen begehrt wird und Erfolg bei Ihnen hat?” Sie trank und schenkte ihr Glas zum dritten Mal voll.

Trauttendorf hinderte sie nicht daran.

„Ich will, dass Lisa geht!”, zischte Daniela. Ihr Blick war bereits ein wenig glasig.

„Warum?”

„Wir brauchen sie nicht.”

„Ich bin anderer Meinung”, erwiderte Trauttendorf.

„Sie ist frech und präpotent!”

„Lisa bleibt!”, sagte Trauttendorf frostig.

„Ist sie gut im Bett? Willst du sie deshalb im Haus haben? Ist das der Grund? Sag schon! Genier dich nicht! Ist angenehm für dich, wenn so ein Flittchen stets in Reichweite und immer verfügbar ist, nicht wahr?”

„Du bist betrunken.”

„Stört es dich?”

„Nein, nicht mehr”, antwortete Trauttendorf trocken. „Du tust mir nur noch leid.”

„Spar dir dein Mitleid. Ich brauche es nicht. Du ahnst ja nicht, wie sehr du mich ankotzt — du und dein ganzes über alles erhabene, scheinheilige Getue. Du hängst mir zum Hals raus. Ich hab’ dich satt, hab’s satt, mich mit dir zu streiten, satt, zuzusehen, wie du mich fortwährend betrügst — sogar in diesem Haus, vielleicht sogar vor den Augen unserer Tochter. Ich würd’s dir zutrauen. Oh, ich hab’ das ganze Leben mit dir so satt, Volker Trauttendorf!”

„Es steht dir frei, zu gehen.”

„Vielleicht tue ich das eher, als du denkst.”

„Ich werde dich nicht zurückhalten.”

Ihre Augen funkelten ihn an. „Nein, das wirst du nicht. Oh, was bist du nur für ein zynischer, abgefeimter, dreckiger Bastard geworden!” Sie trank und warf das leere Glas nach ihm.

Er brauchte nicht auszuweichen. Das Glas flog weit an ihm vorbei und zerschellte an der Wand.

„Ich hasse dich, Volker Trauttendorf!”, schrie Daniela, verbarg ihr Gesicht hinter den Händen und schluchzte unglücklich. Sie ließ sich auf ein Sofa fallen und fragte mit schwerer Zunge: „Warum haben wir es so weit kommen lassen, Volker? Wir waren so verliebt, so glücklich ... Warum musste das so enden?”

Er zuckte die Schultern. „Wir haben beide Fehler gemacht.”

„Welche?”

„Es ist sinnlos, jetzt noch darüber zu reden. Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen.”

Daniela ließ die Hände sinken. Ihr Gesicht war tränennass. „Und was nun?”

„Es gibt nur noch einen Ausweg, einen einzigen Schritt, den wir tun können, tun müssen. Du weißt, wovon ich spreche.”

„Von Scheidung.”

„Ja”, sagte Volker. „Diese Ehe ist für uns beide nur noch ein Martyrium. Lass sie uns beenden, Daniela. Ich bin dafür, dass wir einen Schlussstrich ziehen. Es ist das Beste für uns und für unser Kind.“

„Du willst, dass ich mit Barbara das Haus verlasse?”

„Barbara bleibt selbstverständlich hier”, sagte Volker ruhig.

„Aber sie ist mein Kind!”

„Sie ist genauso meine Tochter und sie hat hier alles, was du ihr niemals bieten kannst.”

„Aber ich kann nicht leben ohne Barbara.”

„Du wirst es lernen”, erwiderte Trauttendorf knapp. „Du musst auf Barbara verzichten, Daniela. Du weißt, dass du nicht fähig bist, sie großzuziehen. Wenn du das Kind wirklich liebst, lässt du es bei mir. Ich werde dafür sorgen, dass es ihr an nichts mangelt und dass sie eine echte Trauttendorf wird.”

„Eine echte Trauttendorf”, wiederholte Daniela. Es klang verächtlich.

„Selbstverständlich werde ich auch für deinen Unterhalt großzügig aufkommen.”

„Du denkst, alles lässt sich mit Geld regeln, nicht wahr?”

„Ist es etwa nicht so?”

„Alles im Leben hat seinen Preis, und du bist reich genug, ihn bezahlen zu können. O Gott, mir wird bei deinem Anblick übel. Gib mir was zu trinken.”

Sie bekam von ihm einen Kognak, und sie leerte das Glas so schnell wie immer. Volker legte ein Schriftstück vor sie hin. „Was ist das?”, fragte sie benommen. „Ich möchte, dass du das unterschreibst.”

„Was soll ich unterschreiben?”

„Lies es”, sagte Volker.

„Ich kann nicht mehr lesen. Ich bin zu betrunken.”

„Aber unterschreiben kannst du.” Er drückte ihr seine goldene Füllfeder in die Hand. „Nun mach schon.”

Sie unterschrieb, damit er sie in Ruhe ließ. „Was habe ich unterzeichnet? Mein Todesurteil? Meinetwegen. Ich hänge nicht mehr an meinem Leben.”

Volker steckte die Füllfeder ein und nahm das Papier an sich. „Du hast soeben mit deiner Unterschrift auf das Sorgerecht für Barbara verzichtet.”

„Du niedertächtiger, gemeiner, hinterhältiger ...”

„Du solltest dich hinlegen”, sagte Volker Trauttendorf, zerrte sie hoch und brachte sie in ihr Zimmer.

Daniela war zu schwach, sich zu widersetzen — ihre Beine knickten fortwährend ein — zu schwach, zu protestieren — ihr war kein klarer Gedanke mehr möglich —, zu schwach zu allem — ihre ganze Energie war beim Teufel. Volker hatte ihre Kraftlosigkeit geschickt ausgenützt, den richtigen Moment abgewartet und ihr Barbara dann mit einer simplen Unterschrift abgeluchst.

Er rief sofort seinen Anwalt an. Eine Frauenstimme meldete sich.

„Dr. Ullanus, bitte”, sagte Volker.

„Darf ich Sie um Ihren Namen bitten?”

„Trauttendorf.”

„Einen Augenblick, Herr Trauttendorf.”

Kurze Pause. Dann Werner Ullanus’ dröhnende Bassstimme: „Guten Tag, Herr Trauttendorf. Was kann ich für Sie tun?”

„Sie hat unterschrieben. Meine Frau hat die Sorgerecht-Verzichtserklärung unterzeichnet.”

„Gratuliere.”

„Danke. Hiermit kriegen Sie von mir grünes Licht für alle weiteren Schritte ...”

„Es wäre mir lieb, wenn sie mich morgen in meiner Kanzlei aufsuchen würden, Herr Trauttendorf.”

„Gut. Wann soll ich kommen?”

„Sekunde ... Wäre Ihnen siebzehn Uhr recht?”

„Siebzehn Uhr passt mir ausgezeichnet.”

„Also bis dann”, sagte Dr. Ullanus und legte auf.

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