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Die korpulente Schwester Gudrun nahm sich den Medikamentenschrank vor. „Is schon 'ne Weile her, dat ick dazu Jelejenheit hatte”, sagte sie zu Felix Brunner. „Wenn die Patienten unsere Praxis stürmen, als wär’ se die einzije uff der janzen Welt, is dafür vaständlicherweise keene Zeit.”

„Hat der Chef gesagt, wann er zurückkommt?”, fragte Schwester Marie-Luise.

„Nee”, antwortete Gudrun Giesecke. „Wer will et wissen?”

„Ich”, sagte Marie-Luise Flanitzer.

„Wenn er kommt, is er da.”

Felix begab sich nach nebenan. Schwester Gudrun schuf im Medikamentenschrank eine Ordnung, die sich in vielen Jahren bewährt hatte. Sie kontrollierte Verfalldaten, sortierte angebrochene Packungen aus und rollte Salbentuben auf. Als sie damit fertig war, traf Sven Kayser ein.

„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse, während ich weg war, Icke?”, erkundigte er sich.

„Nee, Herr Doktor, allet paletti”, antwortete die gewichtige Berlinerin. „Is ’ne Fraje jestattet? Ja? Wie jeht es unseren Patienten in der Seeberg-Klinik denn so?”

„Zufriedenstellend.”

„Wenn ick mal zum Runderneuern muss, jeh’ ick ooch bloß in de Seeberg-Klinik. Een anderet Krankenhaus kommt für mich übahaupt nich in Fraje.”

Sven setzte sich an seinen Schreibtisch. Er war noch nicht dazu gekommen, die heutige Post durchzusehen. Das holte er nun nach. Mehrere Medikamentenankündigungen pharmazeutischer Firmen. Patientenberichte von Kollegen aus der Seeberg-Klinik. Zwei Ansichtskarten von Patienten, die sich auf Genesungsurlaub befanden und ihrem Hausarzt herzliche Grüße übermittelten ... Danach war noch Zeit für eine Tasse Kaffee. Und dann kam Jasmin Fischer zur Kontrolle.

„So rasch sieht man sich wieder”, meinte sie und lächelte ein wenig unsicher.

„Es ist alles bestens”, sagte Sven Kayser nach der Untersuchung. „Ihre Schwangerschaft verläuft programmgemäß. Sie dürfen zufrieden sein.”

Jasmin senkte den Blick. „Das bin ich”, sagte sie leise.

,,Sie machen aber keinen sehr glücklichen Eindruck.”

„Ich bin ein ernster Mensch ...”

„Geworden”, sagte Sven. „Sie waren früher fröhlicher.”

Jasmin seufzte. „Früher.”

„Das ist noch gar nicht so lange her.”

„Wenn man ein Kind erwartet, wird man seriöser, pflichtbewusster, nachdenklicher. Zu einer werdenden Mutter passt kein unbekümmertes Jungmädchengehabe.”

„Ich kenne viele schwangere Frauen, die sich trotz allem ihre unbeschwerte Fröhlichkeit bewahrt haben”, entgegnete Sven Kayser. „Aber die sind nicht allein.”

Ihm kam vor, als würde Jasmin sich in diesem Moment völlig verschließen. Ihre Miene wurde undurchdringlich. Ihr Blick richtete sich auf die Tür. Sie wollte gehen. Aber vor sich selbst kann man nicht davonlaufen. Ganz gleich, wohin man flieht, seine Probleme nimmt man überallhin mit.

Jasmin lächelte gezwungen. „Ich bin nicht allein, Dr. Kayser. Ich habe mein Baby.”

„Weiß Ihr Arbeitgeber schon, dass Sie in anderen Umständen sind?”

Jasmin nagte an ihrer Unterlippe, ihre Augenlider zuckten.

„Sie wollten doch ...”

„Die Gelegenheit, auf die ich warte, hat sich noch nicht ergeben”, erklärte Jasmin beinahe trotzig. „Es widerstrebt mir, dem Senior im Krankenhaus zu eröffnen, dass ich ein Kind erwarte.”

„Und warum erzählen Sie es dem Junior nicht?”

„Weil... weil...” Sie wusste nicht, was sie antworten sollte „Weil Sie finden, dass es ihn nichts angeht?”

„Ja. Vielleicht. Es ist schließlich meine Privatsache ...”

„Ist er der Vater?”, fragte Sven unvermittelt.

„Was?”, kam es schrill über Jasmin Fischers Lippen.

„Ist Jochen Gorbach der Vater Ihres ungeborenen Kindes?”

Die junge Frau rutschte nervös auf dem Patientenstuhl hin und her. „Ich — ich verstehe nicht ...”

„Ist er es?” fragte Sven beharrlich. Er sah der Patientin an, dass er sie in die Enge getrieben hatte. Ihr unsteter Blick suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

„Wie—wie kommen Sie denn auf so etwas?” krächzte Jasmin.

„Ist er es?”, wiederholte Sven Kayser eindringlich.

Da platzte aus Jasmin Fischer ein unglückliches „Ja!”, heraus. Im gleichen Moment sah sie den Arzt entsetzt an. Großer Gott, was hatte sie getan? Sie hatte ihr Geheimnis preisgegeben! Das hatte sie nicht gewollt. Wie hatte ihr Dr. Kayser nur so sehr zusetzen können? Das war nicht fair gewesen! „Das — das hätten Sie nicht tun dürfen”, stammelte sie verstört, und ihre Augen schwammen in Tränen. „Warum haben Sie das gemacht? Warum?”

„Ich möchte ihnen helfen”, sagte Sven sanft.

„Ich brauche diese Art von Hilfe nicht. Sie sind ein hervorragender Arzt und Geburtshelfer, deshalb habe ich mich für Sie entschieden. Hätte ich geahnt, dass Sie Ihre Kompetenzen überschreiten und sich um Dinge kümmern, die Sie nichts angehen ...”

„Ich bin für Ihr körperliches Wohlbefinden zuständig. Viele physische Störungen haben aber ihren Ursprung im psychischen Bereich ...”

Jasmin benahm sich wie ein trotziges kleines Mädchen. Sie wusste es, aber sie konnte nicht anders. „Sie haben mich soeben untersucht und festgestellt, dass alles in Ordnung ist.”

„Im Moment ja, aber das kann sich jederzeit ändern. Frauen sind während der Schwangerschaft sehr sensibel und deshalb höchst anfällig für störende Einflüsse aus dem mentalen Bereich. Ganz simpel ausgedrückt: Ein kranker Geist kann den gesündesten Körper krank machen.”

„Mein Geist ist aber nicht krank. Das lasse ich mir von Ihnen nicht einreden!”

„Sie sind ernst, traurig, unglücklich.”

„Ich bin gesund, Dr. Kayser! Geistig ebenso wie körperlich. Mir fehlt nichts.

Ich fühle mich gut, meine Schwangerschaft verläuft nach Ihren Worten programmgemäß, und ich werde in etwa sechs Monaten einem gesunden Kind das Leben schenken. Es gibt also weit und breit kein Problem.”

„Wissen Sie, wie viele Paare sich Kinder wünschen und aus den verschiedensten Gründen keine bekommen?”, sagte Sven. „Es ist ein Segen, ein Kind zu empfangen. Warum wollen Sie den Vater an diesem Glück nicht teilhaben lassen?”

Jasmins Augen funkelten leidenschaftlich. „Sie werden es ihm nicht sagen. Es gibt eine ärztliche Schweigepflicht. Sie dürfen Jochen nichts davon erzählen.”

„Das werde ich nicht”, beruhigte Sven die erregte Patientin. „Aber Sie, Sie sollten es endlich tun, denn Jochen Gorbach hat ein Recht darauf, zu erfahren, dass er Vater wird.”

Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane

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