Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 61
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In zwei Stunden hinter den Silbertannen ... In zwei Stunden hinter den Silbertannen ... In zwei Stunden hinter den Silbertannen ..., hämmerte es ununterbrochen in Tamaras Kopf. Sie hielt das schon nicht mehr aus.
Hans Lapunsky wird warten. Dieser Mistkerl. Er will mit dir reden. Du weißt, worüber. Dieser verdammte Hans Lapunsky. Warum musste er ausgerechnet hier auftauchen? Man sollte ihn ...Man müsste ihn ...Unschädlich machen musst du ihn. Wenn du es nicht tust ... Du weißt, was dann geschieht. Man wird dich holen. Man wird dich fortbringen. Es wird wieder so sein, wie es schon einmal war. Diese quälende Unfreiheit. Dieser ständige Zwang. Du wirst das alles nicht noch mal ertragen. Du wirst daran zugrunde gehen, wenn Lapunsky redet. Das darf er nicht. Du musst ihn daran hindern — in zwei Stunden hinter den Silbertannen ...
Sie war überpünktlich. Lapunsky war noch nicht da. Auf dem Boden, der mit abgefallenen braunen Nadeln bedeckt war, lag ein weißer Stein, so groß wie Tamaras beide Fäuste. Ob sie Lapunksy damit...? Sie wollte ihn erst einmal anhören. Er kam, hatte sich umgezogen, trug khakifarbene Hosen und ein bunt gemustertes Hemd aus Kunstseide.
Grinsend schob er die Hände in die Hosentaschen. „Tamara Ettrich.” Er schüttelte den Kopf. „Die Winkelzüge des Lebens sind manchmal verblüffend, findest du nicht auch? Ausgerechnet hier in München begegnen wir uns wieder. Damit hast du nicht gerechnet, was? Ich auch nicht. Ich dachte, das gibt's nicht, als ich dich aus der Villa kommen sah. Hast dir ein hübsches Versteck ausgesucht. Ich hab’ ein paar Erkundigungen eingeholt. Mit Jochen Gorbach hast du einen verdammt guten Griff getan. Was hast du ihm erzählt? Bestimmt nicht die Wahrheit.” Er lachte ironisch. „Mit der Wahrheit muss man sehr behutsam umgehen. Nicht jeder verträgt sie, deshalb darf man sie den Leuten auch nur in ganz geringen Dosen verabreichen — wenn überhaupt.”
Tamara musterte ihn mit kalten Augen. Sie trug noch immer dunkelblaue Schleifen an den Zöpfen. Ihr Gemütszustand hatte sich nicht gebessert. Eher verschlechtert.
„Was willst du, Lapunsky?”, fragte sie rau.
Er grinste „Erst mal möchte ich dir sagen, wie sehr ich mich freue, dich gefunden zu haben. Eigentlich bin ich hier ja mehr oder weniger über dich gestolpert.”
„Nun weißt du also, wo ich bin. Und was weiter?”
„Ich freue mich für dich, dass du’s hier so gut getroffen hast.”
„Was wirst du unternehmen?”
Er legte die Hand auf sein Herz. „Nichts. Nichts. Ich bin dein Freund. Erinnerst du dich nicht mehr? Ich werde dir doch keinen Ärger machen. Nein, das tu’ ich ganz bestimmt nicht. Allerdings ...’’
„Ja?”
Lapunsky spielte mit einem Tannenzweig. „Du darfst mich nicht falsch verstehen, Tamara. Ich tue Unrecht, wenn ich schweige, und das belastet natürlich mein Gewissen. Ich bin nämlich — man sieht es mir an — ein durch und durch anständiger, ehrlicher Mensch, deshalb widerstrebt es mir so sehr, mein Wissen für mich zu behalten. Aber aus alter Freundschaft — Freundschaft bedeutet mir unheimlich viel — und für ein wenig Geld würde ich den Mund halten.”
„Für ein wenig Geld.” Zorn pochte in Tamaras Hals.
Hans Lapunsky lachte. „Wenn du mich so verächtlich ansiehst, komme ich mir direkt schäbig vor. Wir sind Freunde, Tamara. Sieh es doch so: Ist es verwerflich, einen Freund um Geld zu bitten? Ich habe Schulden. Die könnte ich mit einem Schlag los sein.”
„Ich besitze kein Geld.”
„Aber Jochen Gorbach. Man kann von ihm nicht gerade behaupten, dass er arm wie eine Kirchenmaus ist.”
„Soll ich zu ihm gehen und sagen, ich brauche Geld? Er wird wissen wollen, wofür.”
„Dann erfindest du eben eine hübsche kleine Lügengeschichte Mir ist es im Grunde ziemlich egal, wie du das Geld beschaffst. Von mir aus kannst du es Jochen Gorbach auch klauen. Hauptsache, ich bekomme es.”
„Wie hoch sind deine Schulden?”
„Sagen wir, mit siebentausend Mark wäre ich aus dem Gröbsten raus.”
„Siebentausend Mark ...“
Lapunsky knickte den Tannenzweig. „Also, eines sage ich dir: Unter fünf Riesen kann ich nicht gehen. Du würdest mich beleidigen, wenn du versuchst, mich mit einem Bettel abzuspeisen.” Tamara zitterte. Sie dachte an den großen weißen Stein ...
„Man beleidigt seine Freunde nicht”, lächelte Lapunsky.
„Ich — kann höchstens fünftausend ...”, stammelte Tamara. „Auf keinen Fall mehr ...“
„Na schön, ich will mal nicht so sein. Du sollst sehen, dass ich ein gutes Herz habe Einverstanden. Fünftausend Mark sind okay.”
„Wie viel Zeit habe ich?”
„Ach, das eilt nicht. Ich bin übermorgen wieder hier.”
„Übermorgen schon?”
„Ich bin ein fleißiger Mensch.”
„Aber ich kann nicht so schnell ...”
„Du kannst”, sagte Lapunsky hart. „Weil du nämlich musst!” Er tätschelte ihre Wange. „Bleib gesund, mein Goldschatz. Wir sehen uns übermorgen wieder. Derselbe Ort, dieselbe Zeit. Enttäusch mich nicht, sonst sehe ich mich gezwungen, dich hochgehen zu lassen. Die Zukunft liegt in deinen Händen.”
Er drehte sich um, und Tamara hob blitzschnell den Stein auf. Sie hatte ein Problem. Sie musste es lösen. Jetzt gleich. Sie musste Hans Lapunsky zum Schweigen bringen. Für immer. Und nicht mit Geld — denn er würde immer wieder welches fordern —, sondern mit diesem Stein.
Rote Spiralnebel drehten sich vor ihren Augen. Ihre Gedanken wurden zu dröhnenden Kreiseln. Sie schlug zu. Zum Schweigen bringen ...
Lapunsky stieß einen heiseren Schmerzensschrei aus. Tamara schlug wieder zu. Für immer ... Lapunsky torkelte, drehte sich um, der Stein traf ihn abermals. Für immer zum Schweigen bringen ... Für immer ... Für immer ... Lapunsky brach blutüberströmt zusammen.
Tamara beugte sich über ihn. Für immer und ewig ...