Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 60
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Daniela Trauttendorf hatte nicht aufgehört zu trinken, das war nicht so einfach zu schaffen, aber es war ihr gelungen, den Alkoholkonsum drastisch zu reduzieren, was Robert Erichsen natürlich nur ein mitleidiges, verständnisloses Lächeln entlockte.
Er begriff nicht, wozu sie sich so quälte. Es war doch viel angenehmer, der Versuchung nachzugeben. Daniela hatte angefangen, die Wohnung in Ordnung zu bringen. Eine Sisyphusarbeit, denn Robert fühlte sich nicht wohl in einer aufgeräumten Wohnung und tat deshalb alles, damit die Räume gleich wieder etwas ,heimeliger’ wurden, wie er sich ausdrückte.
Wie würde das werden, wenn Barbara hier war? Daniela dachte lieber nicht daran. Sie musste eine Lösung finden. Nicht sofort. Aber bald. Robert konnte nicht bleiben. Er war zu gewöhnlich, zu brutal. Er trank zu viel. Er war ein Tier. Keine Minute hätte Daniela ihn mit Barbara allein gelassen. Sie räumte wieder eine leere Flasche weg.
Robert hing schräg in einem Sessel, das Hemd bis zum Nabel offen, sah mit glasigen Augen fern, gab lästernde Kommentare ab und beschimpfte die Schauspieler auf das unflätigste. Nie durfte Barbara solche Worte hören. Dieser Mann war unmöglich, eine Zumutung für jeden halbwegs gebildeten Menschen, ein Schandfleck der Gesellschaft. Und Daniela wusste nicht, wie sie ihn entfernen sollte.
Noch brauchte sie ihn. Noch hatte der Mohr seine Schuldigkeit nicht getan. Aber wenn er ihr geholfen hatte, Barbara hierher zu holen, hatte sie keine Verwendung mehr für ihn. Vielleicht ging er, wenn sie ihm Geld gab.
Daniela stellte sich vor den Fernsehapparat.
„He, war dein Vater Glaser?”, brummte Robert Erichsen. „Geh zur Seite, ich sehe nichts!”
„Ich möchte mit dir reden.”
„Später.”
„Jetzt”, beharrte Daniela.
„Na schön, aber geh zur Seite.”
„Wirst du mir dann auch zuhören?”
Er grinste. „Aber ja, Täubchen. Warum denn nicht?”
Sie gab den Blick auf den Bildschirm wieder frei. „Wir versuchen es morgen”, sagte sie
„Morgen schon?” Diese Eile behagte ihm nicht.
„Ich kann nicht länger warten.”
„Aber ich habe dir doch gesagt, die Sache will reiflich überlegt sein. Wir haben ja noch nicht mal einen Plan.”
„Es wird keinen Plan geben”, erklärte Daniela. „Wir werden an Ort und Stelle improvisieren.”
„Das kann ins Auge gehen.”
„Du hast versprochen, mir zu helfen.”
„Klar. Und dazu stehe ich auch. Natürlich werde ich dir helfen. Gar keine Frage.” Er rülpste, „’tschuldigung.”
„Wir warten, bis Volker das Haus verlässt, dann lenkst du das Kindermädchen ab, und ich hole Barbara.” So einfach stellte sich Daniela das also vor.
„Und was, wenn Volker das Haus nicht verlässt?”, fragte Robert Erichsen.
„Er wird.”
Robert räusperte sich. „Warum soll ich das Kindermädchen ablenken?”
„Intelligente Frage. Weil Lisa dich nicht kennt. Außerdem würde Barbara nicht mit dir gehen.”
Robert setzte sich mit einem Ruck gerade. „Aha, weil ich nicht vertrauenerweckend genug aussehe, wie?”
„Barbara geht mit mir überall hin, ohne Fragen zu stellen.”
„Lisa wird der Polizei sagen, wie ich aussehe.”
Daniela zuckte mit den Schultern. „Na und? Damit kann die Polizei doch nichts anfangen. Oder wird bereits wegen einer anderen Geschichte nach dir gefahndet?”
„Hör mal, wofür hältst du mich?”, erwiderte Robert Erichsen entrüstet. „Ich bin doch kein steckbrieflich gesuchter Verbrecher.” Er kratzte sich hinter dem Ohr und machte ein Gesicht, als hätte er Essig getrunken. „Also, irgendwie passt es mir morgen nicht so recht.”
„Wieso nicht? Hast du schon etwas anderes vor?”
„Das nicht, aber das, was wir vorhaben, bedarf doch einer gewissen Vorbereitungszeit. Man kann nicht einfach losmarschieren und ein Kind stehlen.” Daniela sah ihn durchdringend an. „Ich stehle kein Kind. Ich hole mir nur, was mir gehört. Ich bin Barbaras Mutter.”
„Gut”, sagte Robert Erichsen. „Wir machen es morgen. Aber sowie ich sehe, dass die Sache schiefgeht, verdufte ich und kenne dich nicht mehr, klar?” Er leckte sich die trockenen Lippen, hatte wieder Durst. „Wie sieht es mit einer kleinen Belohnung für meine Bereitwilligkeit, dir zu helfen, aus?”, fragte er listig. „Du solltest mich irgendwie motivieren.” Er grinste.
„An welche Belohnung hast du gedacht?”, fragte Daniela.
„Ich würde sagen, ich hab’ mir eine Flasche Wodka verdient.”
„Verdient? Womit denn verdient? Du hast noch nicht mal einen Finger gerührt.”
„Das tu’ ich morgen. Vorausgesetzt, du vergrämst mich nicht. Nun geh schon. Und komm nicht ohne Wodka wieder.” Daniela verließ die Wohnung. Sie war ganz froh, diesen Mann, der sich wie eine Laus in ihren Pelz gesetzt hatte, eine Weile nicht zu sehen. Nie wäre sie so tief abgerutscht, wenn Volker sie nicht pausenlos betrogen hätte. Die Ehe wäre heute noch intakt gewesen. Ach, Volker, dachte Daniela bitter. Was hast du mir nur angetan? Warum konntest du mir nicht treu sein? Du hattest es doch geschworen.
Geistesabwesend trat sie aus dem Haus. Irgendwie würde sich die Entführung schon bewerkstelligen lassen, und wenn sie ihr Kind erst mal hatte, würde sie es nie wieder hergeben.
Wenn jemand versuchen sollte, ihr Barbara wegzunehmen, würde sie schreien, schreien, schreien. Die ganze Welt würde sie zu Hilfe rufen, und man würde ihr erlauben, das Mädchen zu behalten, weil ein Naturgesetz besagte, dass ein Kind bei seiner Mutter aufwachsen musste. Nie beim Vater. Oder nur dann, wenn die Mutter nicht mehr lebte.
In Gedanken versunken überquerte Daniela die Straße. Ein Auto kam. Sie sah und hörte es nicht. Der Fahrer hupte, bremste, riss das Lenkrad herum.
Das schrille Quietschen der rutschenden Reifen veranlasste Daniela, erschrocken stehenzubleiben. Ihr blieb keine Zeit mehr, zu begreifen, was passierte. Alles ging viel zu schnell. Sie spürte einen harten Schlag, hatte auf einmal keinen Boden mehr unter den Füßen, flog einige Meter durch die Luft und verlor mit dem Aufprall das Bewusstsein.
Undurchdringliche Schwärze. Ein tiefer, bodenloser Schacht. Daniela fiel, fiel und fiel ...
Von allen Seiten eilten Menschen herbei. Der Autofahrer stieg bleich aus. Er schwankte, war fassungslos und entsetzt und beteuerte immerzu seine Unschuld. Jemand rief nach der Polizei. Ein anderer wollte wissen, ob die Frau tot sei. Ein dritter sagte, man müsse einen Krankenwagen rufen.
Der Krankenwagen brachte Daniela Trauttendorf kurz darauf in die nahe Seeberg-Klinik. Milzriss, ergab die rasche Untersuchung. Die Patientin wurde sofort in den Operationssaal gebracht, und als Daniela die Augen wieder aufschlug, lag sie auf der Intensivstation, war bereits operiert und hatte keine Milz mehr.
Man könne auch ohne Milz sehr gut leben, tröstete Schwester Marianne sie ...