Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 62

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Jochen Gorbach war mit dem Ergebnis des Gesprächs, das er mit dem Holzlieferanten geführt hatte, sehr zufrieden. Vater wird stolz auf mich sein, wenn er davon erfährt, dachte er.

Gerd Gorbach befand sich inzwischen in einem Rehabilitationszentrum im Schwarzwald. Es ging ihm dort großartig, hatte er schon nach drei Tagen geschrieben.

Inzwischen befand sich auch Dr. Werner Ullanus nicht mehr in der Seeberg-Klinik. Jochen hatte heute fast eine Stunde mit dem Firmenanwalt konferiert und dabei die erfreuliche Feststellung gemacht, dass der große, kräftige Mann einen topfiten Eindruck machte.

Nachdem der Holzlieferant abgefahren war, trat Jochen auf die Terrasse, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Er dachte an Jasmin Fischer, die ihm eine große Hilfe war. Ohne sie hätte er das immense Arbeitspensum nicht geschafft. Sie war für ihn unentbehrlich, klagte nie, wenn der Arbeitstag kein Ende nahm, erinnerte ihn an wichtige Termine, hielt ihm Leute vom Hals, die ihm die Zeit stehlen wollten, versorgte ihn mit ihrem unvergleichlichen Kaffee und war selbst nach einem schweren Arbeitstag immer noch hübsch anzusehen.

Jasmin war eine Perle — kostbar und einmalig. Und Tamara war ihr ein Dom im Auge. Das sagte sie zwar nicht, aber er merkte es bei vielen Gelegenheiten.

Ich muss mich mal mit Tamara unterhalten, überlegte Jochen. Sie muss mir endlich mehr über sich erzählen, muss mir erklären, wie sie ihre Zukunft sieht. Irgendeine Vorstellung muss sie davon doch haben. Und sie kann auch nicht ewig die geheimnisvolle Fremde bleiben. Das wird sie einsehen müssen. Tamara ... Wo ist sie eigentlich?

Er suchte sie, rief sie, ohne zu ahnen, dass er Hans Lapunsky damit das Leben rettete, denn als Tamara ihren Namen hörte, kam sie zu sich, starrte den blutigen Stein in ihrer Hand entsetzt an, ließ ihn fallen und floh Hals über Kopf.

Die Suche führte Jochen auch zu den Silbertannen. Er sah Männerbeine unter den Zweigen hervorragen. Alarmiert warf er sich in das Nadelgewirr und wühlte sich zu Lapunsky durch. Er kannte den Namen des Mannes nicht, wusste nur, dass er den Rasen gemäht hatte Jetzt lag er blutüberströmt auf dem Boden. Ein blutiger Stein lag neben ihm.

„Um Gottes willen, wer hat das getan?”, stieß Jochen bestürzt hervor.

Hans Lapunsky röchelte. Jochen lud ihn sich auf die Schultern, trug ihn in die Villa und rief unverzüglich Dr. Kayser an.

Sven kam sofort. Lapunsky hatte Glück, dass sein Schädel so hart war. Sven stellte lediglich einige Platzwunden fest, die so klein waren, dass sie nicht genäht zu werden brauchten. Der Schädelknochen war nicht verletzt.

Während Sven Kayser dem Mann einen Kopfverband anlegte, fragte Jochen Gorbach aufgeregt: ,,Wollen Sie nun endlich sagen, wer das getan hat, Herr Lapunsky?”

Bisher hatte Hans Lapunsky ihm nur seinen Namen verraten. Nun bequemte er sich endlich, zu reden. „Tamara Ettrich war es”, knirschte er.

„Sie meinen Eggert. Tamara Eggert”, sagte Jochen.

„Ettrich heißt sie. Das können Sie mir glauben. Ich weiß das nämlich ganz genau.”

„Woher?”

Hans Lapunsky schwieg.

„Haben Sie das Mädchen belästigt? Haben Sie Tamara hinter die Silbertannen gezerrt, um sie sexuell ...”

„Ich habe sie hinter die Silbertannen bestellt”, fiel Lapunsky Jochen ins Wort. „Sie ist freiwillig hingekommen.”

„Weswegen?”

„Kann ich eine Zigarette haben?”

Jochen sah Sven Kayser an, als dieser nickte, gab er dem Mann eine Zigarette. Lapunsky rauchte gierig.

„Was wollten Sie von Tamara?”, fragte Jochen Gorbach aggressiv.

„Mit ihr reden — nicht, was Sie denken.”

„Worüber wollten Sie mit ihr reden?”

Lapunsky schwieg und rauchte.

„Woher wissen Sie, dass Tamara nicht Eggert, sondern Ettrich heißt?”, bohrte Jochen weiter. „Was haben Sie gesagt oder getan, dass sie durchdrehte und Sie niederschlug?”

„He, ich bin hier das Opfer, nicht der Täter, klar?”, entgegnete Lapunsky gereizt. ,,Also mäßigen Sie gefälligst Ihren Ton, ja? Sie glauben wohl, Tamara könne keiner Fliege was zuleide tun, aber da sind Sie ganz schön schief gewickelt, mein Bester. Wenn Sie wüssten, was Tamara Ettrich alles kann, würden Ihnen die Augen übergehen.”

„Sagen Sie es mir. Na los, Herr Lapunsky, sagen Sie’s mir!”, verlangte Jochen Gorbach laut.

„Unsere kleine Tamara, die aussieht, als könnte sie nicht bis drei zählen, ist eine gefährliche Irre”, behauptete Hans Lapunsky. „Ja, Herr Gorbach, Tamara Ettrich ist verrückt. Sie glauben mir nicht? Fragen Sie die Polizei. Die wird es Ihnen bestätigen.”

„Wird Tamara von der Polizei gesucht?”, fragte Jochen heiser.

„Und wie”, antwortete Lapunsky.

„Weswegen?”

„Das Mädchen spielt so wahnsinnig gern mit dem Feuer. Sie hat in Kiel, Hamburg, Hannover und Frankfurt Brände gelegt. Sie ist eine Pyromanin. Die Schäden, die sie verursacht hat, gehen in die Millionen. Und sie hat sogar zwei Menschen auf dem Gewissen. Man hat sie in Schleswig-Holstein in eine Nervenklinik gesteckt. Ich habe da als Pfleger gearbeitet. Tamara war schon immer sehr folgsam. Sie hat mir nie Schwierigkeiten gemacht. Eines Tages ist sie ausgerückt — und hat sich nach München durchgeschlagen. Ich habe sie hinter die Silbertannen bestellt, weil ich sie überreden wollte, mit mir zur Polizei zu gehen. Sie willigte ein, doch als ich ihr den Rücken zukehrte, schlug sie mich nieder.”

Jochen sah den Grünwalder Arzt nervös an. „Tamara ... Wir müssen sie suchen, Dr. Kayser. Sie ist jetzt in einer gefährlichen Gemütsverfassung.”

Als Sven Kayser und Jochen Gorbach aus der Villa traten, stieg dichter, grauer Rauch aus den Fenstern der Möbelfabrik.

„Um Himmels willen, die Fabrik!”, brüllte Jochen.

Sie rannten zu dem Gebäude hinüber, das Tamara an mehreren Stellen angezündet hatte. Feuer. Hitze. Berstendes, klirrendes Glas.

„Tamara!”, schrie Jochen aus vollen Lungen. Die Adern traten ihm weit aus dem Hals. „O mein Gott...!”

Das prasselnde Feuer fraß sich mit erschreckender Gier durch die Fabrik. Stoffe, Holz, Lacke, Öl, Nitroverdünnung ...Das waren wahre Leckerbissen für die Flammen.

Jochen Gorbach riss ein großes Tor auf. Sengende Hitze schlug ihm entgegen und nahm ihm den Atem. Er glaubte, Tamara hinter einer Feuerwand zu sehen. Ihr schien die Hitze nichts auszumachen. Sie schien sich im Zentrum dieses Flammeninfernos wohl zu fühlen, glücklich zu sein. Hob sie nicht soeben die Arme und drehte sich in anmutigem Tanz?

„Tamara!”, brüllte Jochen. „Dort ist sie! Sehen Sie sie, Dr. Kayser?”

Sven sah das geisteskranke Mädchen. Die Feuerwand wurde immer undurchdringlicher.

„Ich muss sie da rausholen!”, schrie Jochen.

„Das können Sie nicht.”

„Ich muss es versuchen.”

Sven Kayser griff nach Jochens Arm. „Seien Sie vernünftig, Herr Gorbach!” Jochen riss sich los. „Soll ich zusehen, wie sie verbrennt?”

„Tamara ist nicht mehr zu retten!” Jochen rannte, bar jeder Vernunft, ins Feuer. Er kam nicht weit. Die Decke stürzte auf ihn herab. Er verschwand unter Schutt, Staub, Asche und Rauch, und Sven versuchte, den jungen Mann unter Einsatz seines Lebens zu bergen.

Die Hitze war mörderisch, und es krachten immer weiter Deckenteile herab. Schwitzend und hustend kämpfte sich Sven an Jochen Gorbach heran. Seine Augen brannten und tränten. Er sah nichts, tastete nach Gorbach und zerrte ihn nach draußen. Über dem Gebäude, das nicht mehr zu retten war, stand eine mächtige, weithin sichtbare Rauchsäule. Tobend setzte das Feuer sein Vernichtungswerk fort. Es kam immer wieder zu Explosionen. Und Tamara befand sich mitten in dieser alles zerstörenden Flammenhölle ...

Jochen Gorbach hatte Verbrennungen unbestimmten Grades und eine schwere Rauchgasvergiftung erlitten. Letzteres erkannte der Arzt an der rosa bis bläulich gefärbten Haut des jungen Mannes. Sven Kayser wusste über solche Vergiftungen natürlich Bescheid. Das Gas geht eine innige Verbindung mit dem Hämoglobin ein, und schon geringe Mengen können zu größten Schäden führen, da das Blut keinen Sauerstoff mehr transportieren kann. Sven spritzte ein atemanregendes Mittel und raste mit Gorbach anschließend zur Seeberg-Klinik, wo man ihn sofort maschinell beatmete „Das war knapp”, sagte der Klinikchef, als feststand, dass man Jochen Gorbach durchbringen würde „Er hatte einen guten Schutzengel.”

„Tamara leider nicht”, erwiderte Sven ernst. Sein Gesicht war rußverschmiert. Er war noch nicht dazu gekommen, es zu reinigen. Er ging mit Dr. Seeberg in dessen Büro.

„Kaffee?”, fragte Ulrich Seeberg.

„O ja”, nickte Sven Kayser. „Aber einen starken.”

„Einen, der Tote aufweckt.”

„Genau so einen.”

Dr. Seeberg gab den Wunsch seines Freundes an seine Sekretärin Ute Morell weiter.

„Arme Tamara”, seufzte Sven. „Man kann sie für das, was sie getan hat, nicht verantwortlich machen. Sie war krank, hat unter Zwang gehandelt. Vielleicht hätte man sie in der Nervenklinik heilen können.”

Ulrich Seeberg nickte nachdenklich. „Das menschliche Gehirn ist schon ein sehr komplizierter Apparat.’’

„Und weil es so kompliziert ist, kommt es hin und wieder zu solchen bedauerlichen Fehlleistungen”, meinte Sven.

Ute Morell, gut gekleidet wie immer, brachte den Kaffee, und während die Männer ihn tranken, erfuhr Dr. Kayser vom Unfall seiner Patientin Daniela Trauttendorf.

Sven schüttelte den Kopf. „Manche Menschen scheinen das Unglück gepachtet zu haben.”

„Sie hat die Operation gut überstanden.”

„Weiß ihr geschiedener Mann, dass sie hier ist?”

„Wir haben ihn informiert”, sagte Ulrich Seeberg.

„Wäre schön, wenn die beiden wieder zueinanderfinden würden. Dann würde es auch ihrer kleinen Tochter wieder bessergehen.”

„Was fehlt ihr?”, fragte Dr. Seeberg.

Sven erzählte dem Freund und Kollegen von dem seelisch bedingten Leiden des Kindes.

„Schon wieder die Psyche”, sagte der Klinikchef. „Man darf sie wirklich nicht unterschätzen. Sie hat große Macht über unsere Gesundheit, und mit Medikamenten allein ist ihr so gut wie nie beizukommen.”

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