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III.Rechtswahrnehmung 1.Was bedeutet die „Wahrnehmung von Rechten“?

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13§ 1 BerHG nennt die Wahrnehmung von Rechten als Voraussetzung für die Gewährung von Beratungshilfe, stellt dabei vordringlich auf die „Inanspruchnahme“ der Beratungshilfe ab. Es muss sich um eine Wahrnehmung vordringlicher Rechte im Sinne der Wahrnehmung von Rechten handeln.42 Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Formulierung, die lediglich zur Absicht hatte, „nicht nur wie bisher“ die Wahrnehmung von Rechten, sondern zusätzlich bereits die Inanspruchnahme der Beratungshilfe als mutwillig klassifizieren zu können.43

Die Änderung der früheren Formulierung hin zur nunmehr seit 7 Jahren gültigen dient damit lediglich der Ergänzung und Erweiterung der damaligen Rechtslage und soll – als Erleichterung – nicht nur die Rechtswahrnehmung an sich umfassen, sondern bereits die Inanspruchnahme der Beratungshilfe unter den Mutwilligkeitsbegriff subsumieren.44 Während es früher bisweilen schwierig war, die Beratungshilfe in solchen Fällen abzulehnen, in denen die Wahrnehmung der Rechte selbst zwar nicht mutwillig anzusehen war, es aber mutwillig erschien, sich zur Wahrnehmung dieser Rechte staatlicher Beratungshilfe zu bedienen, bspw. weil das Problem hätte selbst einfacher und ohne anwaltliche Hilfe gelöst werden können45 und man sich ungeschriebener Korrektive – wie etwa des Rechtschutzbedürfnisses – bedienen musste, ermöglicht die nun geltende Fassung Klarheit.46 Sie dient damit lediglich der schriftlichen Fixierung bislang bestehender Korrektive und soll in den genannten Fällen eine Ablehnung vereinfachen und eine Art Missbrauchskontrolle darstellen und so verhindern, dass Beratungshilfe auch dort beansprucht wird, wo sie vernünftigerweise nicht geboten ist. Weiterhin als ständiges Korrektiv erforderlich bleiben damit konkrete Sachverhalte, die eine Rechtsberatung erfordern, was sich auch aus der in der Bestimmung (§ 1 Abs. 1 S. 1 BerHG) beibehaltenen Formulierung ergibt.47

13aBei der Beratungshilfe muss es sich stets um vordringliche Rechtswahrnehmung handeln. Der Wahrnehmung von Rechten muss zwangsläufig eine rechtliche Bewertung komplexer Lebenssachverhalte vorausgehen.48 Rechtswahrnehmung bedeutet aber auch, dass nicht jeder allgemeine Rat von der Beratungshilfe abgedeckt wird, auch wenn das Rechtsgebiet grundsätzlich in den Bereich des Beratungshilfegesetzes fällt. Beratungshilfe kommt nur dann in Betracht, wenn eine entsprechende Notwendigkeit zu bejahen ist und es sich um im Kontext um Probleme handelt, wo juristischer Rat unumgänglich ist.49 Es kommt letztlich auf die Wahrnehmung von Rechten an.50 Diese Feststellung wurde durch die letzte Reformbegründung nochmals bekräftigt.51

Auch wenn die gesetzliche Formulierung eine „Geltendmachung“ nahelegt bzw. vermuten lässt, bedeutet Rechtswahrnehmung auch – und zwar in erster Linie – zunächst einmal die Beratung und Information über bestehende oder auch nicht bestehende Rechte und nur soweit erforderlich die Vertretung des Rechtsuchenden.

Der rechtsuchende Bürger hat oft nur eine unklare oder unzureichende Vorstellung von seiner Rechtsposition.52 Er will wissen, ob der Anspruch, den er zu haben glaubt, wirklich besteht, ob und wie er ihn durchsetzen kann.

Auch in den Fällen, in denen er sich gestellten Ansprüchen oder Forderungen gegenübersieht, will er wissen, ob er sich mit Erfolg hiergegen wehren kann. Der Bürger muss also in die Lage versetzt werden, die Erfolgsaussichten seines Anliegens selbst abzuschätzen.53 Die Beratungshilfe ist so zu verstehen, dass sie den Rechtsuchenden sowohl über die Rechtslage unterrichtet als auch in die Lage versetzt, die notwendigen Schritte einzuleiten.54

Oftmals wird sich in diesem Rahmen dabei aber auch das Ergebnis einstellen, dass es keine wahrzunehmenden Rechte (mehr) gibt. In einem solchen Falle dient die vorherige juristische Beratung auch der Vermeidung von unnötigen Forderungen oder (juristischen) Anstrengungen.

Hilfe zur Wahrnehmung von Rechten kann zwar prinzipiell in einer bloßen Auskunft oder einem Rat bestehen, aber auch in weitergehenden Vertretungshandlungen gegenüber Dritten, z. B. mittels Schriftverkehr oder mündlichen Verhandlungen bzw. Besprechungen.

Die Wahrnehmung von Rechten ist jedoch zu unterscheiden von der bloßen (und nicht immer notwendigen) Hilfe bei der Wahrnehmung von „Rechten“. Nach Sinn und Zweck der Beratungshilfe i. S. d. Beratungshilfegesetzes ist unter dem Begriff „Beratungshilfe“ immer eine notwendige, erforderliche Hilfe zu verstehen.55 Die Hilfe muss daher überhaupt erforderlich sein und damit ein allgemeines Rechtsschutzinteresse bestehen.56 Ein solches kann fehlen, wenn die Beratungshilfe objektiv als nicht notwendig erachtet wird57 oder nicht sinnvoll erscheint.58 Nach der jetzt geltenden Regelung des § 1 Abs. 1 BerHG ist in solchen Fällen der bloßen und nicht immer notwendigen Hilfe bei der Rechtswahrnehmung daher Beratungshilfe unstreitig abzulehnen.

Zwar regelt das Gesetz selbst keinen Erforderlichkeitstatbestand, was die Rechtswahrnehmung betrifft (für eine Vertretungshandlung siehe insoweit § 2 BerHG). Das Merkmal der Erforderlichkeit ergibt sich jedoch aus den historischen Zielen des Gesetzgebers. Zudem formuliert § 1 BerHG auch ein Mutwilligkeitskriterium. Unter dieses lassen sich daneben die Fälle subsumieren, in denen kein Rechtschutzbedürfnis für Beratungshilfe besteht. Letztlich – so das BVerfG59 – dürfen die Mittel der Beratungshilfe auch nur dann eingesetzt werden, wenn ihr Einsatz sinnvoll ist.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

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