Читать книгу Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe - Stefan Lissner - Страница 23

3.Freibeträge (Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a und b ZPO)

Оглавление

57Zum 1.1.2021 wurden die Unterhaltsfreibeträge neu festgesetzt und neu strukturiert. Während bisher für alle Rechtsuchenden bundesweit einheitliche Freibeträge galten, sind diese nunmehr je nach Wohnort (vor allem in Bayern) unterschiedlich hoch ausgestaltet.

Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2aZPO betragen die für den Lebensbedarf anzusetzenden Beträge für die Partei und ihren Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner in Höhe des um 10 % erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII festgesetzt ist; nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b ZPO betragen die bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für den Lebensbedarf anzusetzenden Beträge für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 % erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters (gestaffelt) vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 SGB XII festgesetzt ist.

Seit dem 1. Januar 2021293 sind folgende Beträge, die vom Einkommen des Rechtsuchenden monatlich abzusetzen sind, maßgeblich:

Freibetrag Bund Freibetragin den LandkreisenFürstenfeldbruckund Starnberg Freibetragim LandkreisMünchen Freibetragin derLandeshauptstadtMünchen
Partei, Ehegatte oder Lebenspartner(§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchstabe a der Zivilprozessordnung) 491 Euro 516 Euro 517 Euro 515 Euro
Freibetrag für unterhaltsberechtigte Erwachsene(§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchstabe b der ZivilprozessordnungRegelbedarfsstufe 3) 393 Euro 414 Euro 414 Euro 411 Euro
Freibetrag für unterhaltsberechtigte Jugendliche vom Beginn des 15. biszur Vollendung des 18. Lebensjahres(§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchstabe b der ZivilprozessordnungRegelbedarfsstufe 4) 410 Euro 430 Euro 432 Euro 429 Euro
Freibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 340 Euro 353 Euro 359 Euro 353 Euro
Freibetrag Bund Freibetragin den LandkreisenFürstenfeldbruckund Starnberg Freibetragim LandkreisMünchen Freibetragin derLandeshauptstadtMünchen
(§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchstabe b der ZivilprozessordnungRegelbedarfsstufe 5)
Freibetrag für unterhaltsberechtigte Kinder bis zur Vollendung dessechsten Lebensjahres(§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchstabe b der ZivilprozessordnungRegelbedarfsstufe 6) 311 Euro 325 Euro 328 Euro 323 Euro

Es ist daher in diesem Zusammenhang immer zu klären, ob und wie viele Personen der Rechtsuchende unterhalten muss und welcher Wohnort maßgebend ist.

Allein die rechtliche Verpflichtung genügt dabei nicht; es müssen auch tatsächlich Unterhaltsleistungen durch Natural- oder Barunterhalt erbracht werden.294 Die Nichtberücksichtigung gilt auch dann, wenn der Rechtsuchende keinen Unterhalt tatsächlich leistet, er aber damit rechnen muss, auf einen Unterhaltsrückstand Zahlungen leisten zu müssen.295 Dies gilt z. B. nicht in dem Fall, wenn der Ehemann der Rechtsuchenden im Ausland lebt und sie diesem keinen Unterhalt leistet.296

Für nichteheliche Lebensgemeinschaften werden keine Freibeträge in Abzug gebracht. Einer Lebensgefährtin geleisteter Naturalunterhalt kann angemessen monetarisiert werden.297

Als weitere unterhaltsberechtigte Personen kommen Kinder, Eltern oder Großeltern in Betracht.

Betreuen die Ehegatten gemeinsam ihre Kinder und leben diese im gemeinsamen Haushalt oder werden die Kinder im paritätitschen Wechselmodell betreut, dann sind die Unterhaltsfreibeträge bei jedem von ihnen ungeteilt zu berücksichtigen.298

Beim paritätischen Wechselmodell üben beide Elternteile die umfassende, gesetzliche Unterhaltspflicht aus, auch wenn diese nur zeitlich hälftig gesehen in verschiedenen Familienverbünden erfolgt. Ein Schwerpunkt der elterlichen Betreuung lässt sich hier nicht ermitteln.299 Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Stärkung der Rechte der Väter gewinnt dieses Modell zunehmend an Bedeutung.300 Es wird durch die doppelte Gewährung des Kinderfreibetrages eine differenzierte Unterhaltsfeststellung vermieden, zumal bei Ausübung der Unterhaltspflichten in getrennten Haushalten insgesamt höhere Kosten (vor allem Wohn- und Fahrtkosten) entstehen. 301 So wird auch eine Schlechterstellung im Vergleich zu denjenigen Eltern vermieden, die mit dem gemeinsamen Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben. Auch lässt der Gesetzeswortlaut in § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b ZPO „für jede unterhaltsberechtigte Person“ keinen Interpretationsspielraum zu. Der Gegenmeinung302 kann insoweit hier nicht gefolgt werden, die hier aufgrund verfassungsrechtlicher Grundlagen ein Fehlen des Verbandes des Familienunterhalts und folglich daher eine Teilung durch teleologische Reduktion sieht.

Lebt das Kind dagegen vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils und wird dieses durch die regelmäßigen Besuche des Kindes bei dem anderen Elternteil unterbrochen, so liegt hier ein Eingliederungs- oder Residenzmodell vor mit der Folge, dass die Obhut i. S. d. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen ist.303 Leben die Kinder des Rechtsuchenden weder in seinem Haushalt noch wird von ihm tatsächlich Unterhalt geleistet, findet keine Berücksichtigung des Freibetrages statt.304

Hinweis:

Bei der Fragestellung, ob und in welcher Höhe ein Freibetrag bei Kindern anzurechnen ist, hat der Rechtsuchende darzulegen (ggfs. nachfragen), wo das Kind überwiegend lebt und wer es natural unterhält.

Maßgeblich ist das Alter des Kindes zum Bewilligungszeitpunkt.

58Eigene Einkünfte des Ehegatten, Lebenspartners bzw. der Kinder sind von dem entsprechenden Freibetrag gem. § 115 Abs. 1 S. 7 ZPO in Abzug zu bringen (z. B. eigenes Erwerbseinkommen, Unterhaltsleistungen, Unterhaltsvorschuss,305 eigenes anrechenbares Kindergeld306).

Hierbei sind jedoch nicht die Bruttoeinkommen gemeint, da sie diesen Personen auch nicht vollständig zur Verfügung stehen. Daher sind die Einkommen im Sinne eines einheitlichen Einkommenbegriffs so zu berechnen wie das Einkommen des Rechtsuchenden, also auch unter Berücksichtigung der Abzüge von § 82 Abs. 2 SGB XII oder auch eines Erwerbstätigenbonus (analoge Anwendung von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO)307 sowie von Wohnkostenanteilen.308 Zu den Abzügen zählen auch die Beiträge betreffend getätigte Altersvorsorgeaufwendungen, ggfs. Deckelung auf den Höchstbetrag nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien (z. B. Ziff. 10.1. der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (SüdL) – Stand 1.1.2021 – bis zu 23 % des Bruttoeinkommens).309

Elterngeld bis 300,00 EURO, welches an den Ehegatten gezahlt wird, vermindert den Freibetrag des Ehegatten jedoch nicht.310

Berechnungsschema der Einkünfte des Ehegatten/Lebenspartners/Kindes

Eigenes Bruttoeinkommen

abzgl. Beträge gem. § 82 Abs. 2 SGB XII:

– Steuern

– Versicherungsbeiträge (auch evtl. Altersvorsorgebeiträge)311

– Werbungskosten

abzgl. Erwerbstätigenfreibetrag

abzgl. anteilige Unterkunftskosten

abzgl. evtl. Mehrbedarfe gem. §§ 21 SGB II, 30 SGB XII

__________________________________________________________________

= Betrag (Höhe der eigenen Einkünfte, die vom Freibetrag abgezogen werden können)

Wird der Unterhalt in Form einer Geldrente anstelle eines Naturalunterhalts (z. B. bei auswärtiger Unterbringung des Kindes) gezahlt, so ist diese gem. § 115 Abs. 1 S. 8 ZPO anstelle des Freibetrages einzusetzen, wenn sie der Höhe nach angemessen ist.312 Bei zu hoher Rente (oftmals scheitert es hier schon am Nachweis) wird nur der angemessene Teil berücksichtigt. Insoweit kann eine Orientierung an den üblichen Unterhaltstabellen erfolgen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Zahlung aufgrund einer rechtskräftigen Tenorierung (Titulierung) erfolgt – dann ist eine Angemessenheit in dieser Höhe immer zu bejahen.

Wird der Unterhalt zum Teil als Geldrente und zum Teil z. B. als Betreuung geleistet, ist der Geldwert der Betreuung zu schätzen und hinzuzuaddieren.313

Hinweis:

Liegen die eigenen Einkünfte des Ehegatten, Lebenspartners oder Kindes über den jeweiligen Freibeträgen, so entfällt der jeweilige Freibetrag.

Weitere Berücksichtigung in der Einkommensberechnung des Rechtsuchenden erfolgt bei einem Übersteigen der Freibeträge nicht.

Die Freibeträge gelten auch für eine Auslandspartei, wesentlich höhere Lebenshaltenskosten gegenüber dem Inland sind als besondere Belastungen zu berücksichtigten.314 Möglich ist hier auch eine Berechnung der Unterhaltsbeiträge in entsprechender Anwendung der Düsseldorfer Tabelle unter Kürzung der Ländergruppeneinteilung des Bundesministeriums der Finanzen.

Bei einem Strafgefangenen ist der allgemeine Freibetrag nicht abzuziehen, weil der Gefangene in der JVA kostenfrei versorgt wird.

Nach Abzug des Freibetrags für Erwerbstätige (wenn der Gefangene in der JVA arbeitet) ist der allgemeine Freibetrag des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO nur in Höhe des um 10 % erhöhten allgemeinen Taschengeldanspruchs für bedürftige Gefangene nach den jeweiligen Bestimmungen in den Strafvollzugsgesetzen der Länder abzusetzen.315 Dies steht auch dem Gedanken der Resozialisierung nicht entgegen.316

Zahlungen an Personen, denen ohne gesetzliche Verpflichtung (z. B. aufgrund freiwilliger vertraglicher Verpflichtung; Rolle des „sozialen Vaters“) Unterhalt gewährt wird, können nicht gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b ZPO, sondern allenfalls als besondere Belastungen nach Nr. 5 berücksichtigt werden,317 sofern diese dem Grund und der Höhe nach angemessen sind (sh. Rn. 69).

58aBerechnungsbeispiel:

Die Eheleute A und B sind beide erwerbstätig. A verdient 1.600,00 EURO mon. netto (Betrag ist bereits um Steuern, Versicherungen, Werbungskosten bereinigt). B verdient 1.100,00 EURO mon. netto (auch dieser Betrag ist bereits um Steuern, Versicherungen, Werbungskosten bereinigt). Die Miete für A und B (warm) beläuft sich auf insgesamt 850,00 EURO. Es liegt kein einzusetzendes Vermögen gem. § 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 SGB XII vor.

A beantragt die Bewilligung von Beratungshilfe.

Berechnung Schritt 1:

verbleibendes und zu berücksichtigendes Einkommen der nicht Beratungshilfe beantragenden Ehefrau B

Vorliegend werden im Rahmen der Berechnung die Gesamtwohnkosten nach Kopfteilen aufgeteilt.

Einkünfte der B 1.100,00 EURO

abzgl. Freibetrag Erwerbstätigkeit 223,00 EURO318

abzgl. anteilige Wohnkosten 425,00 EURO

verbleibendes Einkommen für B 452,00 EURO.

Berechnung Schritt 2:

Berechnung des einzusetzenden Einkommens für den Beratungshilfe beantragenden Ehemann A

Einkünfte des A 1.600,00 EURO

abzgl. Freibetrag Erwerbstätigkeit 223,00 EURO319

abzgl. Freibetrag Partei 491,00 EURO

abzgl. Freibetrag Ehefrau 39,00 EURO

Berechnung Freibetrag Ehefrau

Freibetrag 491,00 EURO

abzgl. verbleibendes Einkommen (Schritt 1) 452,00 EURO

verbleibender Freibetrag für B 39,00 EURO

abzgl. anteilige Wohnkosten 425,00 EURO

einzusetzendes Einkommen für A 422,00 EURO.

Übersteigt das verbleibende Einkommen nach Schritt 1 den Freibetrag für den entsprechenden Ehegatten, so ist bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens der Beratungshilfepartei der entsprechende Freibetrag mit 0,00 EURO anzusetzen.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

Подняться наверх