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4.Unterkunft und Heizung (Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO)

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59a) Mietwohnung. Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind in voller tatsächlicher Höhe einschließlich aller weiterer umlagefähiger Mietnebenkosten abzusetzen (= Bruttomiete).

Sie sind jedoch insoweit nicht in Abzug zu bringen, wenn sie in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei oder zum örtlichen Wohnungsmarkt stehen. Dies wird für den Fall bejaht, wenn sie an dem gesamten Lebenszuschnitt des Rechtsuchenden ohne nachvollziehbaren Grund außerordentlich erhöht sind.320 Damit entsteht ein großer Entscheidungsspielraum, da die Einzelfälle sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Für die Frage der Angemessenheit können auch das örtliche Mietpreisniveau oder Mietspiegel herangezogen werden.

Dem Rechtsuchenden kann nicht abverlangt werden, in eine günstigere Wohnung umzuziehen.

Ein solches Missverhältnis kann vorliegen, wenn bei durchschnittlichem Einkommen die Unterkunftskosten mehr als die Hälfte des Nettoeinkommens betragen.321 Bei höheren Mieten vor Ort können jedoch auch mehr als 50 % absetzbar sein.322 Eine andere Meinung sieht 1/3 des Nettoeinkommens als üblich und vertretbar an.323 Auch ist denkbar, die Beträge nach der sozialrechtlichen Vorschrift des §§ 22 SGB II zuzüglich eines nach dem Lebensstandard der Partei zu bemessenden prozentualen Aufschlags zu beurteilen.324

Verneint wird die Abzugsfähigkeit, wenn die aufgewendeten Kosten als offensichtlicher Luxus erscheinen. Jemand mit höherem Einkommen kann dabei aufwändiger wohnen als jemand mit geringerem Einkommen.

Ob ein Luxus vorliegt, ist nach den vorliegenden Gesamtumständen zu beurteilen.325

Beispiele für ein Missverhältnis:

Eine Person bewohnt alleine eine 100 m² große Wohnung.

Eine über 130 m² hinausgehende Wohnung übersteigt den notwendigen Wohnbedarf für eine Person mit Kind.326

60Die Kosten der Unterkunft umfassen den tatsächlich gezahlten Mietzins327 und die Mietnebenkosten einschließlich vereinbarter Umlagen für verbrauchsunabhängige Betriebskosten328 und öffentlicher Abgaben.

Dies sind z. B. Kosten für Straßenreinigung, Kanalgebühren, Müllabfuhr,329 Grundsteuer,330 Schornsteinreinigung,331 Abgasanlagenüberwachung, Aufzug (Betrieb und Wartung), Gebäudeversicherung, Gemeinschaftsantenne, Hausreinigung, Garten- und Hofpflege, Ungezieferbekämpfung, Hausmeister, Hausstrom für Treppenhaus/Lift etc. Die Kosten für eine Garage fällt nicht unter die Unterkunftskosten (sh. auch Rn. 62a).332

Wird lediglich ein Kostgeld entrichtet, das neben Unterkunft auch die Verpflegung umfasst, kann ein hälftiger Abzug erfolgen, soweit nichts anderes vereinbart ist.333

Sind Nachzahlungen zu leisten, so sind diese auf den Monat umzurechnen und können ebenfalls in dieser Höhe abgezogen werden, gleiches gilt bei erwirtschafteten Guthaben von Nebenkosten.334

Werden Unterkunftskosten bereits von der Agentur für Arbeit (Jobcenter) ganz oder teilweise an den Vermieter gezahlt, so sind diese in der Berechnung nicht mehr zu berücksichtigen und auch nicht mehr erneut zu überprüfen (der entsprechend verminderte ALG II-Betrag ist dann als Einkommen zu berücksichtigen).335

61Die Kosten für Strom und Gas zum Kochen gehören nach herrschender Meinung336 nicht hierzu, sie gehören zur allgemeinen Lebenshaltung und werden durch die Freibeträge ausgeglichen. Dies gilt insbesondere für die normalen Haushaltsstromkosten.

Wird mit Strom oder Gas geheizt, so muss geschätzt werden, welcher Teil der Kosten für die Heizung und welcher Teil zum Kochen und für die Beleuchtung aufgewendet wird.

Der Heizkostenanteil ist vom Gericht zu schätzen, wobei auch Wohnfläche und Wärmeisolierung zu berücksichtigen sind. Dieser ist dann abzugsfähig.

Die Kosten für Wasser und Abwasser sind nicht mehr von vom sozialenhilferechtlichen Regelbedarf miterfasst und daher nicht mehr in den Freibeträgen des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO enthalten und deshalb abzugsfähig.337 Nach der Rspr. des BGH zählen diese zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten und werden als nicht abzugsfähig eingestuft.338 Ab 1.1.2011 (und damit zeitlich nach der Entscheidung des BGH339 liegend) werden jedoch in §§ 5 und 6 RBEG (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) die Wasserkosten (und damit auch die Abwasserkosten) nicht mehr als Verbrauchsausgaben aufgeführt.

Hinweis:

Grundsätzlich sollte bezüglich der Mietneben- und Betriebskosten von den im Mietvertrag vereinbarten monatlich ausgewiesenen Vorauszahlungen340 ausgegangen werden.

Man kann sich diese auch durch eine aktuelle Nebenkostenabrechnung (Umrechnung auf 1/12) bzw. wie beim Wohngeld (§ 5 WoGV) durch Erfahrungswerte als Pauschbeträge341 oder die von den Mietervereinen erstellen regionalen Betriebskostenspiegel nachweisen lassen.

62Lebt der Rechtsuchende in einem Heim, so sind die Kosten der Wohnraumnutzung bei Einzelbelegung des Raumes auf 20 %, bei Mehrfachbelegung auf 15 % des Gesamtentgeltes zu schätzen (entspr. § 7 WoGV). Zur Berechnung kann aber auch der Vertrag über die Heimunterbringung vorgelegt werden, der genauen Aufschluss über die Kosten der Unterkunft gibt.

Ein Freigänger im Justizvollzug kann keine Kosten für die Wohnung geltend machen.342

62aNicht abzugsfähig sind folgende (Wohn-)Kosten (sie gehören zur privaten Lebensführung):

– Kosten für Telefon;343 Handykosten können u. U. abzugsfähig sein, wenn das Handy für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit notwendig ist;344

Stellplatzmiete,345 Kosten für eine Garage;346

Rundfunk- und Fernsehgebühren;347

Kabelfernsehen.348

63b) Eigenheim bzw. Eigentumswohnung. Wer in einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung wohnt, zahlt keine Miete. Fiktive Mietkosten können nicht angesetzt werden. Neben den genannten abzugsfähigen Kosten für Mieter (der Eigentümer darf insoweit nicht schlechter gestellt werden) gehören daher hier als Unterkunftskosten auch die Kosten der Belastung durch Fremdmittel für den Erwerb eines selbstgenutzten Familienheims oder einer selbstgenutzten Eigentumswohnung sowie die Kosten für deren Instandhaltung.349

Zins- und Tilgungsraten auf den Kredit, der für den Grundstückserwerb aufgenommen wurde, sind daher Unterkunftskosten.350 Der Regierungsentwurf des Prozesskostenhilfeänderungsgesetzes351 nimmt ausdrücklich Bezug auf §§ 13, 14 WoGV. Der Rechtsuchende soll nicht gezwungen werden, seine Wohnung oder sein Haus zu gefährden.352

§ 13 WoGV (Wohngeldverordnung)Belastung aus der Bewirtschaftung

(1) Als Belastung aus der Bewirtschaftung sind Instandhaltungskosten, Verwaltungskosten und Betriebskosten ohne die Heizkosten auszuweisen.

(2) Als Instandhaltungs- und Betriebskosten sind im Jahr 36 Euro je Quadratmeter Wohnfläche und je Quadratmeter Nutzfläche der Geschäftsräume sowie die für den Gegenstand der Wohngeld-Lastenberechnung entrichtete Grundsteuer anzusetzen. Als Verwaltungskosten sind die für den Gegenstand der Wohngeld-Lastenberechnung an einen Dritten für die Verwaltung geleisteten Beträge anzusetzen. Über die in den Sätzen 1 und 2 genannten Beträge hinaus dürfen Bewirtschaftungskosten nicht angesetzt werden.

Aufwendungen, die dagegen zur reinen Kapitalbildung vorgenommen worden sind (z. B. die Partei bewohnt das Haus gar nicht), dienen allein der Vermögensbildung und bleiben daher unberücksichtigt.353

Dasselbe gilt bei Ferienhäusern und ‑wohnungen.354

64c) Mehrere Bewohner mit eigenen Einkünften. Wenn mehrere Personen mit eigenem Einkommen in der Wohnung (im Familienverbund ‑insbesondere Kinder mit eigenem Einkommen- oder mit Dritten) leben, kann der Rechtsuchende nicht die volle Miete als Abzugsposten beanspruchen. Es stellt sich daher die Frage nach der Kostenaufteilung.

Hinweis:

Zunächst sollte nach den unter den Bewohnern miteinander getroffenen Absprachen355 gefragt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass keine rechtmissbräuchlichen Absprachen vorliegen. In diesem Zusammenhang ist die gesamte wirtschaftliche Situation aller in der Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen auf den Prüfstand zu stellen. Eine zwischen den

Mitbewohnern getroffene, zu einer unangemessenen Belastung der Staatskasse führende Vereinbarung über die Verteilung der Mietkosten kann nicht anerkannt werden.356

Gibt es unter den Bewohnern keine Absprachen, sind die Kosten schon aus Billigkeitsgründen nach Kopfteilen im Zusammenhang mit den jeweiligen Einkommen aufzuteilen, minderjährige Kinder werden nicht mitgerechnet.357 Minderjährige Kinder, denen nur Unterhaltszahlungen zufließen, scheiden bei der Berechnung des Mietkostenanteils aus.358 Die Einkommen sind dabei als „unbereinigte Nettoeinkommen“ zu berücksichtigen, d. h. ohne Abzüge wie z. B. Erwerbstätigenfreibetrag, Unterhaltsfreibeträge, Werbungskosten und sonstige besondere Belastungen.359 Die Gegenansicht360 bereinigt die Nettoeinkommen zunächst um die Abzüge gem. § 115 Abs. 1 ZPO mit Ausnahme der Wohnkosten.

Haben die Ehegatten ungefähr gleiches Einkommen, ist eine hälftige Aufteilung vertretbar.361 Differieren die Einkommen erheblich, kann eine Aufteilung im Verhältnis erfolgen.362 Ist das Einkommen des anderen Ehegatten so niedrig, dass die Gewährung der Unterkunft durch den anderen Ehegatten als Unterhalt anzusehen ist, dann ist es unberücksichtigt zu lassen;363 dies gilt auch, wenn dessen Einkommen nicht einmal den allgemeinen Freibetrag gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO erreicht.364

Ggfs. können die anderen Einkommenshöhen auch geschätzt werden.

Möglich ist aber auch eine Aufteilung nach dem Verhältnis der genutzten Flächen. Gerade bei studentischen Wohngemeinschaften ist eine Aufteilung der zu zahlenden Miete nach Wohnfläche (z. B. Student A bewohnt ein Zimmer von 25 m² Größe, Student B ein Zimmer von 35 m² Größe; entsprechend zahlt Student B auch einen höheren Mietanteil als Student A) oftmals üblich.

Bei familiären Gemeinschaften lassen sich dagegen die einzeln genutzten Flächen in der Regel nicht abgrenzen. Auch sind gemeinsam genutzte Räume schwierig zu bewerten.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

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