Читать книгу Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe - Stefan Lissner - Страница 34
6.Abfindungen
Оглавление101Bei Abfindungen ist zunächst zwischen Abfindungen aus Vermögensauseinandersetzungen, Unterhaltsabfindungen und Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu unterscheiden.
Diese Unterscheidung ist zur Beurteilung, ob es sich hier um einen Vermögenswert oder um Einkommen handelt, wichtig.
Abfindungen aus Vermögensauseinandersetzungen, Schenkungen, für den Zugewinnausgleich und Erbschaften sind Vermögen.722 Ebenfalls sind Abfindungen für Witwenrenten Vermögen.723
Bei Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes ist die Einordnung als Einkommen oder Vermögen umstritten.724
Zunächst ist nur der tatsächlich zugeflossene Betrag zu berücksichtigen.725
Zum Teil wird vertreten, es handele sich um Einkommen, weil die Abfindung anstelle von Lohn oder Gehalt gezahlt werde. Nach dieser Auffassung ist die Abfindung dabei auf den Zeitraum, für den sie gezahlt wird, als Einkommen umzulegen,726 da sie der Aufrechterhaltung der bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse diene. Benutzt der Rechtsuchende diese jedoch für andere Zwecke, so gelten die Grundsätze zum allgemeinen Vermögenseinsatz. Nimmt der Rechtsuchende ein neues Arbeitsverhältnis auf, bevor rechnerisch die auf die Monate umzulegende Abfindung verbraucht ist, wird der noch offene Rest als Vermögen betrachtet.
Nach anderer Auffassung handelt es sich bei einer solchen Abfindung stets um Vermögen.
Ob und in welcher Höhe hier ein weiterer Betrag berücksichtigt werden kann, wird in der Rspr. unterschiedlich bewertet. Nach dem Bundesarbeitsgericht ist hierbei in aller Regel von der Abfindung der doppelte Schonbetrag zuzüglich evtl. weiterer Schonbeträge für unterhaltsberechtigte Personen abzuziehen.727 Das LAG Schleswig-Holstein728 berücksichtigt über dem Schonvermögen einen weiteren Wert in Höhe von 2.600,00 EURO, da sich mit der Erhöhung des Schonvermögens nicht auch die Kosten für die Arbeitsplatzsuche erhöht haben. Entsprechend der Kaufkraftentwicklung kann auch ein zusätzlich weiterer Freibetrag in Höhe von 3.000,00 EURO berücksichtigt werden.729 Aufgrund der Erhöhung des Freibetrages auf 5.000,00 EURO sieht das LAG Köln730 keinen Raum mehr für die Gewährung eines zusätzlichen Freibetrages. Diese Gewährung dient als Pauschale für die durch den Arbeitsplatzverlust typischerweise entstehenden zusätzlichen Kosten, auch wenn das Arbeitsverhältnis erst unmittelbar vor der neuen Tätigkeit endet.731 Letztlich ist auch hier im Einzelfall die Fragestellung zu prüfen, in welcher Strukturregion sich der Rechtsuchende befindet und ob und inwieweit er schnell und unkompliziert eine neue Arbeitsstelle finden kann.
Dies gilt jedoch nicht, wenn er erklärt, dass er seine bereits bestehende selbständige Tätigkeit weiter ausdehnen will.732 In diesem Fall können jedoch dann seine berufliche Aufwendungen (z. B. Anschaffungskosten für berufliches Equipment) abgesetzt werden.
Der verbleibende Rest ist voll einsetzbar.
Es wird aber auch vertreten, dass lediglich 10 % des Abfindungsbetrages bei Überschreitung des Freibetrages gem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (Grenze: 5.000,00 EURO) berücksichtigt werden darf.733 Überschreitet die Abfindung nur geringfügig das Schonvermögen und wird sie zur Begleichung von Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Kündigung verwendet, ist sie nicht einsetzbar.734 Es dürfen auch nur fällige Verbindlichkeiten mit einer ausgezahlten Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis verrechnet werden, langfristige dagegen grundsätzlich nicht.735 Dieses Verbot kann jedoch zurücktreten, wenn es vorliegend um Verbindlichkeiten geht, die zur Anschaffung eines angemessenen Hausgrundstücks im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII eingegangen worden sind.
Auch bzgl. Unterhaltsabfindungen wird die Zuordnung, ob es sich hierbei um Einkommen oder Vermögen handelt, in der Rspr. uneinheitlich beurteilt. Zunächst ist hier die Zweckgebundenheit der Abfindung zu prüfen:
– Inwieweit ist ein Einsatz für den notwendigen Unterhalt nach Maßgabe des § 115 ZPO erforderlich?
– Deckt der Abfindungsbetrag nur den notwendigen Unterhalt ab? Bejahendenfalls bleibt sie als Härtefall gem. § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII unberücksichtigt.
Es ist hier unter Abwägung aller Umstände im Einzelfall zu entscheiden.
Unterhaltsabfindungen, die zur Erfüllung rückständigen Unterhalts dienen, sind Bestandteil des Einkommens und auf den Zeitraum, für den sie gezahlt worden sind, umzulegen.736 Diese sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der Rechtsuchende unter Hinzurechnung des monatlichen Unterhaltsbetrags (also wenn dieser in der Vergangenheit rechtzeitig entsprechend geleistet worden wäre) als Einkommen zur Bestreitung der Verfahrenskosten verpflichtet gewesen wäre.737 Eine Abschlagszahlung zu einer notariell vereinbarten Unterhaltsabfindung ist dem Vermögen der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei zuzurechnen.738
Eine Unterhaltsabfindung für künftigen Unterhalt ist einzusetzendes Vermögen.739 Hierbei ist wiederum eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.740 Der Einsatz von Kapitalvermögen, das das Schonvermögen übersteigt, ist dann nicht mehr zumutbar, wenn hierdurch die für den notwendigen Unterhalt erforderlichen Mittel beeinträchtigt werden,741 wenn eine Zweckgebundenheit (z. B. Unterhalt ist für die Durchführung eines Zweitstudiums bestimmt) vorliegt.742
Decken die Abfindungen nur den notwendigen Unterhalt, bleiben sie gem. §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII unberücksichtigt.743 Hier ist die Frage nach der künftigen Bedürftigkeit des Rechtsuchenden zu stellen. Ist er auf das Geld zur Bestreitung seines künftigen Lebensunterhalts angewiesen, dann ist der Einsatz unzumutbar.
Fazit:
Kommt ein Abfindungsbetrag als verwertbares Vermögen oder Einkommen in Betracht, ist hinsichtlich der Vielzahl der verschiedenen Abfindungsarten und Fallkonstellationen auf den jeweiligen konkreten Einzelfall abzustellen.
Im Bereich der Beratungshilfe ist hierbei jedoch zu berücksichtigen, dass Sinn und Zweck der Abfindung wegen der im Vergleich zur Prozesskostenhilfe geringeren Kosten durch eine Verwertung in der Regel nicht gefährdet werden.