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3.Schonvermögen

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79An sich verwertbares Vermögen des Rechtsuchenden kann durch die Verweisung auf § 90 SGB XII geschützt sein.

Das sog. Schonvermögen, welches in den Tatbeständen des § 90 Abs. 2 SGB XII erwähnt ist, ist dem Rechtsuchenden zu belassen. Er braucht dieses nicht zur Bestreitung der Rechtsanwalts- oder Gerichtskosten als verwertbares Vermögen einzusetzen.

Die in § 90 Abs. 2 SGB XII aufgezählten Ausnahmen gelten nebeneinander.

Nach § 90 Abs. 3 SGB XII können neben den in Abs. 2 aufgezählten Schonvermögenstatbeständen auch weitere Vermögensteile gehören, die hiernach vor einer Verwertung geschützt sind. Bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen, zu denen auch die Beratungshilfe gehört, liegt eine Härte dann vor, wenn eine angemessene Lebensführung wesentlich erschwert würde.

Sämtliches Vermögen, welches das Schonvermögen übersteigt, ist jedoch dem Grunde nach zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen.

Im Nachfolgenden werden die einzelnen Tatbestände näher dargestellt, die wichtigsten vorab:

80a) Kleinere Barbeträge (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Bargeld, Guthaben oder sonstige Geldwerte sind grundsätzlich einzusetzendes Vermögen. Dem Rechtsuchenden muss jedoch eine bestimmte Menge an Barmitteln, der sog. Notgroschen (kleinerer Barbetrag) belassen werden, eine besondere Notlage der nachfragenden Person ist zu berücksichtigen.

Die zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII erlassene Durchführungsverordnung477 ist in § 115 Abs. 3 ZPO nicht ausdrücklich erwähnt, damit auch nicht unmittelbar anwendbar. Die entsprechende Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 96 Abs. 2 SGB XII.

Die entsprechende Verweisung und Anwendung des § 90 Abs. 2 SGB XII ist aber so zu verstehen, dass sie auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe- bzw. Beratungshilfeentscheidungen als maßgeblich anzusehen ist.478 Die PKH/VKH und damit auch die Beratungshilfe stellen ebenfalls eine Sozialleistung dar.

In der genannten Durchführungs-VO erfolgt eine genauere Konkretisierung des Begriffs „kleinere Barbeträge“: § 1 S. 1 Nr. 1 der genannten Durchführungs-VO legt die Untergrenze bei der Hilfe zum Lebensunterhalt kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte für jede in § 19 Abs. 3, § 27 Abs. 1 und 2, § 41 und § 43 Abs. 1 S. 2 SGB XII genannten volljährigen Personen sowie für jede alleinstehende minderjährige Person (wenn sie unverheiratet und ihr Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII nicht vom Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils abhängig ist), also für die Partei, auf 5.000,00 EURO fest.479

Nach Nr. 2 wird der entsprechende Betrag für jede Person, die von einer Person nach Nr. 1 überwiegend unterhalten wird, auf 500,00 EURO festgelegt (z. B. für ein minderjähriges Kind).

Für eine durchschnittliche Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen (Elternteile) und zwei minderjährigen Kindern, kann hiernach ein Schonbetrag in Höhe von 6.500,00 EURO angesetzt werden.480

Ist der Rechtsuchende selbst minderjährig und lebt bei seinen Eltern, so ist nur der Schonbetrag in Höhe von 500,00 EURO anzusetzen.481 Das minderjährige Kind hat hier noch keine eigene finanzielle Lebensstellung.482

Die in § 141 Abs. 1 und 2 SGB XII enthaltene Übergangsregelung aus Anlass der COVID-19-Pandemie ändert nichts an den oben dargestellten Beträgen betreffend das Schönvermögen, eine Erhöhung findet nicht statt. § 115 Abs. 3 ZPO verweist nur auf den § 90, nicht hingegen auf den § 141 SGB XII.483

Das im Rahmen der Beratungshilfe zu berücksichtigende Schonvermögen unterscheidet sich von dem nach SGB II zu gewährenden Schonvermögen (sh. § 12 SGB II: derzeit einen Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 EURO je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partner, mindestens aber jeweils 3.100,00 EURO). Der SGB II – Nachweis kann hier nur allenfalls einzelne Angaben im Rahmen der Antragstellung ersetzen.484 Daher sind in den Fällen, bei denen der Rechtsuchende Leistungen nach dem SGB II bezieht, bei Anhaltspunkten nicht nur der Bescheid über die Gewährung von SGB II – Leistungen, sondern darüber hinaus auch weitere Unterlagen vorzulegen.

81Ein SGB II – Bescheid gibt nicht in vergleichbarer Weise wie ein Bscheid über Leistungen nach SGB XII Aufschluss über die Voraussetzungen der Beratungshilfe.485 Zwischen den beiden Normen § 12 SGB II und § 90 SGB XII gibt es Anwendungsunterschiede, z. B. kennt das SGB XII keine spezifischen Absetzungsbeträge wie in § 12 Abs. 2 SGB II oder auch unterscheidet sich der Vermögensschutz beim Grundvermögen.

Liegt eine besondere Notlage vor, so können die genannten Freibeträge gemäß § 2 der genannten VO auch angemessen erhöht werden. Ob eine solche Notlage vorliegt, ist vor allem anhand der Art und Dauer des Bedarfs zu prüfen sowie daran, ob besondere Belastungen (z. B. ausgelöst durch eine starke Behinderung, Alter oder Erkrankung) vorliegen. Unter den Voraussetzungen der §§ 103, 94 SGB XII kann jedoch auch eine entsprechende Herabsetzung erfolgen (Herbeiführen der Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten bzw. Übergang von Ansprüchen).

Hat der Rechtsuchende neben dem kleineren Barbetrag noch weiteres Vermögen, z. B. ein angemessenes Hausgrundstück, so ist ihm dennoch der Notgroschen zu belassen.486 Das Schonvermögen ist auch neben einem Altersvorsorgevermögens gem. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII zu belassen.487

Ist Vermögen zu verwerten, so fällt der erzielte Erlös nicht unter § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, auch dann nicht, wenn dieser unterhalb des genannten Freibetrages liegt.488

Ein den Schonbetrag gem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII übersteigendes Bausparguthaben ist grundsätzlich zur Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen.489 Gleiches gilt, wenn das Vermögen in angemessener Zeit durch Beleihung in liquide Mittel umsetzbar ist, auch wenn der Vertrag durch die Eltern des Rechtsuchenden „bedient“ wird, aber der Rechtsuchende Anspruchsinhaber ist. In diesem Fall wird es seinem Vermögen zugeordnet.490 Ebenfalls ist dieser einzusetzen, wenn hierin für die Leistung nach dem Todesfall Kinder als Berechtigte bestimmt worden sind. Der Leistungsanspruch entsteht erst mit dem Eintritt des Todes, § 331 Abs. 1 BGB, ein Anwartschaftsrecht entsteht vorliegend nicht.491

Ein Einsatz kommt allerdings nicht in Betracht, wenn dem Rechtsuchenden die vorzeitige Kündigung des Vertrages nicht zuzumuten ist, weil er hierdurch unverhältnismäßig hohe Nachteile erleiden würde, wie z. B. der Verlust des Darlehensanspruchs mit geringem Zins, Verlust der Bearbeitungsgebühr, der Wohnungsbauprämie und der Arbeitnehmersparzulage,492 ggfs. ist aber zu prüfen, ob der Vertrag beliehen werden kann. Auch spielt es keine Rolle, ob sich aus einem höheren Betrag Zinserträge erzielen lassen, gerade auch bei einem sehr niedrigen Zinsniveau.

Des Weiteren ist das Bausparguthaben nicht einzusetzen, wenn der Recht­suchende bereits ein Grundstück oder Haus gekauft hat, bevor er mit dem Anfall von Kosten rechnen konnte und er den Kaufpreis mit dem Bausparguthaben bezahlen muss, dieser also verbindlich in der Finanzierung des Bau- oder Erwerbsvorhabens berücksichtigt ist.493 Hat der Rechtsuchende jedoch Kenntnis von einem bevorstehenden kostspieligen Prozess, dann darf er sich nicht vorhandenem Vermögen, insbesondere Bausparguthaben, entledigen.494

Die Verwertung eines Bausparvertrages, der aus vermögenswirksamen Leistungen finanziert wird, ist ebenfalls unzumutbar.495

Eine aus Bausparguthaben gebildete Rücklage für die Durchführung von Reparaturarbeiten am Dach sowie zu Maßnahmen der Trockenlegung und Wärmedämmung am selbstbewohnten Familienheim ist grds. nicht einzusetzendes Vermögen.496

Dies gilt auch dann, wenn die Partei nicht mehr frei über den Vertrag verfügen kann (z. B. kombinierter Tilgungs- und Bausparvertrag).

Der Bausparvertrag stellt ferner kein einzusetzendes Vermögen dar, wenn er zur Ablösung eines Zwischenfinanzierungsdarlehens besteht und eine alsbaldige Ablösung bevorsteht.497 Ebenso soll es kein einzusetzendes Vermögen sein, wenn dieses zur Finanzierung eines zur Erwerbstätigkeit notwendigen Pkw eingesetzt wird.498

Praxistipp:

Ob der Einsatz von Bausparguthaben zur Finanzierung der anfallenden Gebühren und Auslagen erfolgen muss, ist jeweils am konkreten Einzelfall zu prüfen und entsprechend abzuwägen.499

Eine Härte ist vor allem dann zu bejahen, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Sollten Vermögenswerte in Ansehung eines bevorstehenden Rechtstreits vermindert werden, die sich nicht auf dem Erwerb von lebensnotwendigen Anschaffungen beziehen, so sind diese fiktiv dem vorhandenen Vermögen hinzuzurechnen.500

82b) Hausgrundstücke (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Dem Rechtsuchenden soll die eigene Wohnung oder das eigengenutzte Haus erhalten bleiben. Dies gilt auch für Wohnungseigentum und Miteigentumsanteile. Garten, Terrasse, eingelassener Pool sowie die Ausgestaltung dieser fallen hierunter.

Der Zweck liegt hier in dem Schutz des Familienheims, wobei sich der Schutz nur auf selbstgenutzte Objekte erstreckt. Der bedürftigen Partei soll der Mittelpunkt ihres bisherigen sozialen Lebens erhalten bleiben und sie davor bewahren, ein schon vorhandenes privilegiertes Eigenheim zur Finanzierung der Kosten veräußern zu müssen.501 Sofern der Rechtsuchende das Hausgrundstück in absehbarer Zeit ohnehin veräußern will, zählt dieses grundsätzlich zu seinem einzusetzenden Vermögen.502

Neben bebauten Grundstücken zählen als Hausgrundstück auch Häuser aufgrund Erbbaurechten, Eigentumswohnungen503 und andere Dauerwohnrechte sowie der Wohnwagen eines Schaustellers.504

83Sonstiges Immobilienvermögen fällt nicht unter den Schutzzweck des Schonvermögens und ist zu verwerten.505 Vermietetes, nicht selbstgenutztes Grundeigentum gehört daher nicht zum Schonvermögen i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII und ist für die Prozesskosten einzusetzen.506 Eine vermietete Eigentumswohnung ist ebenfalls einzusetzen.507

Unbebaute Grundstücke, landwirtschaftliche Flächen, Bauplätze, Waldgrundstücke sind kein Schonvermögen. Landwirtschaftliche Grundstücke, die für einen landwirtschaftlichen Betrieb benötigt werden, können dagegen unter das Schonvermögen fallen.508

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII: Soll das Immobilienvermögen (z. B. der Bauplatz) zu späteren Wohnzwecken Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen, Blinder oder Pflegebedürftiger dienen, und würde dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet werden, ist es ebenfalls geschützt. Der bloße Einwand des Rechtsuchenden, er benötige ein Flurstück zur Schaffung von angemessenem Wohnraum, steht einer Verwertung nicht entgegen.509

Auch sind Mehrfamilien- oder Geschäftshäuser (z. B. ein Drei-Familien-Haus) nicht unter den Schutzzweck einzuordnen.510 Ggfs. ist hier vor einer Verwertung auch die Möglichkeit zu prüfen, ob Wohnungseigentum gebildet werden kann und die nicht von dem in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII genannten Personenkreis bewohnten und angemessenen Wohnungen können dann verwertet werden.511 Gleiches gilt für Eigentum, welches nur als bloße Kapitalanlage dient und nicht selbst bewohnt wird.512

Ein Zwei-Familien-Haus, in dem eine Wohnung mit einem Wohnrecht z. B. der Eltern belastet ist, fällt jedoch in das Schonvermögen.513 Das Immobilienvermögen ist daher in diesen Fällen weder zu verwerten noch zu beleihen.

Gibt der Rechtsuchende die Eigennutzungsabsicht über das noch selbst bewohnte Hausanwesen auf, so entfallen die Schutzwirkungen.514

Ein Hausanwesen/Ferienhaus/Wochenendhaus im Ausland ist kein Schonvermögen.515 Kann es nicht veräußert werden, ist eine Vermietung in Betracht zu ziehen.

Grundsätzlich ist auch der Miteigentumsanteil an einem nicht selbst bewohnten Hausgrundstück einzusetzen.516 Hierbei ist jedoch der Aspekt einer zeitnahen und möglichen Verwertungsmöglichkeit zu beachten, sh. Rn. 86a.

84Bewertungsfaktoren:

Ob das Immobilienvermögen angemessen ist und zum Schonvermögen gehört, richtet sich nach personenbezogenen und sach- und wertbezogenen Kriterien.517 Die Zumutbarkeit ist dabei immer eingehend zu prüfen,518 allgemeine Obergrenzen gibt es nicht.

Bewertungsfaktoren für eine Angemessenheit können dabei z. B. die Anzahl der Bewohner, besondere Bedürfnisse der Bewohner, Grundstücksgröße, Innenausstattung, Zuschnitt der Wohnung, Lage etc. sein.519

Auch die Größe der Wohnfläche kann Anhaltspunkt für die Angemessenheit sein. Die Größe der Wohnfläche kann dabei das wichtigste objektivierbares Kriterium sein.520 Aufgrund des gestiegenen Wohnkomforts sollte der Begriff „angemessen“ beim der Wohnfläche zwar nicht zu eng ausgelegt werden.521 Ein bescheidenes, selbst genutztes Familienheim dürfte aber in aller Regel als angemessen anzusehen sein.522

Genaue Anhaltspunkte für die Angemessenheit der Wohnungsgröße fehlen jedoch in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Daher wird überwiegend523 die angemessene Wohngröße noch von den Regelungen der Bezugsgrößen des früheren Zweiten Wohnungsbaugesetzes524 hergeleitet (§ 39 Abs. 1 WoBauG II aF.). § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII verweist zwar nicht mehr auf diese Regelung, jedoch dienen die hierin enthaltenen Werte aus Gründen der Gleichbehandlung nach wie vor als Orientierung.

Die Gegenauffassung525 nimmt die gem. § 10 WoFG in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen526 getroffenen, jedoch nicht einheitlichen, Werte als Bemessungsgrundlage. Die maximale angemessene Größe für 1 Person liegt hierbei zwischen 45 und 50 m², für 2 Personen bei 60 m² bzw. wird pro weitere Person weitere 15 m² an Wohnungsfläche zugrunde gelegt. Es wird hierbei auch eine Überschreitung von bis zu 5 m² als zulässig erachtet. Das OLG Hamm527 hat die in § 18 Abs. 2 WFNG NRW528 genannten Werte zugrunde gelegt (50 m² Wohnfläche für alleinstehende Person; Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen = 65 m² Wohnfläche; für jede weitere haushaltsangehörige Person weitere 15 m²; weitere 15 m² bei Vorliegen besonderer persönlicher oder beruflicher Bedürfnisse).

85Als angemessen können daher nach der h. M. folgende Wohnflächen – auch unter Berücksichtigung der Anzahl der hierin wohnenden Personen – herangezogen werden:

– bei einer Eigentumswohnung: bis ca. 120 m² Wohnfläche;529

– bei einem Familienheim (bis zu 4 Personen) mit einer Wohnung: bis zu 130 m²;530

– bei Wohnen in zwei Wohnungen innerhalb eines Familienheims: bis zu 200 m² (wobei keine der einzelnen Wohnungen größer als 130 m² sein darf).

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Einzelentscheidungen. Bewohnt der Rechtsuchende ein Haus allein, so ist eine angemessene Wohnfläche mit höchstens 70 m² zu berücksichtigen.531 Bewohnt er eine zu Wohnzwecken umgebaute Scheune, so wurde die angemessene Wohnfläche mit 82,53 m² berücksichtigt.532 Dagegen ist ein Wohnhaus mit Wohnraum von mehr als 160 m² für einen 2-Personen-Haushalt als Vermögen einzusetzen.533 Ein Haus mit ca. 200 m² Wohnfläche für einen Zweipersonenhaushalt überschreitet die Angemessenheitsgrenze deutlich.534 Ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 140 m² und einem 590 m² großen Grundstück ist kein kleines Hausgrundstück mehr;535 ebenso ein allein bewohntes Einfamilienhaus mit 146 m² Wohnfläche.536 Überschreitet eine selbstgenutzte Eigentumswohnung, die der Rechtsuchende allein bewohnt, eine Wohnfläche von mehr als 80 m², so fällt diese nicht mehr unter das Schonvermögen.537

Die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes im eigenen Haus des Rechtsuchenden rechtfertigt eine Überschreitung der Wohnflächengrenzen.538 Die Geschäftstätigkeit darf dabei nicht überwiegen.

Bei weniger als 4 Personen kann pro Person ein Abzug bis zu 20 m² erfolgen,539 für jede weitere Person erhöht sich der Wohnbedarf um 20 m².540 Für zwei Personen sind 90 m² angemessen.541 Eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von insgesamt 121 m² ist bei einem dreiköpfigen Haushalt nicht mehr angemessen.542

Auch der Verkehrswert bzw. der Wert der Immobilie eines eigengenutzten Hausgrundstücks kann für die Frage, ob ein solches als angemessen i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII anzusehen ist, eine Bezugsgröße von erheblichem Wert darstellen.543

Man kann sich dabei an vorhandenen Wertgutachten, örtlichen Bodenrichtwerten oder durchschnittlichen Baukosten orientieren. Ein Haus im Wert von 128.000,00 EURO mit 100 m² Wohnfläche, bewohnt von einer Person, ist z. B. als Vermögen einzusetzen.544 Ebenso bewegt sich weder eine Grundstücksgröße von 543 m² noch ein Verkehrswert in Höhe von 178.000,00 EURO für eine Person in einem angemessenen Bereich.545

Bei einem Grundstück mit einer Größe von 763 m² und einer Wohnfläche von 170 m² handelt es sich nicht mehr um ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.546

Bezüglich der Berechnung der Anzahl der Personen kann man sich an sozialhilferechtlichen Bestimmungen orientieren. Hiernach werden neben dem Rechtsuchenden die nach § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII einsatzpflichtigen Personen (der nicht getrenntlebende Ehegatte/Lebenspartner und Eltern) sowie der Partner in ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften geschützt.

Darüber hinaus lassen sich hierunter auch die „Angehörigeni. S. d. § 16 Abs. 5 SGB X verstehen. Dies sind z. B. Geschwister, Onkel und Tanten, Neffen und Nichten, Schwägerinnen und Schwager, aber auch Pflegekinder und Pflegeeltern. Daher sind hier auch nicht unterhaltsberechtigte Personen wie volljährige Kinder mitzurechnen. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII spricht nur von Angehörigen, nicht von unterhaltsberechtigten Angehörigen. Bezüglich dieser Angehörigen ist dann im Rahmen der Einkommensermittlung des Rechtsuchenden ein erhöhter Anspruch auf eine angemessene Miete und Nebenkostenbeteiligung zu berücksichtigen.547

In Bezug auf die Grundstücksgröße erscheinen angemessen:

– ein Reihenhaus bis zu einer Grundstücksgröße von 250 m²;

– eine Doppelhaushälfte und Reihenendhaus bis zu 350 m²;

– ein frei stehendes Haus bis zu 500 m².

Die bebaute Grundfläche und die Größe des Grundstücks dürfen so beschaffen sein, dass die oben genannten Grenzen für eine angemessene Wohnfläche ausreichend sind.548 Dies gilt auch für den Garten und die Terrasse.549 Ein Schwimmbad oder Partyraum gehören nicht zum üblichen Standard, eine zusätzliche Garage ist dagegen unschädlich.550

86Fällt die Immobilie unter das Schonvermögen, so scheidet eine Verwertung und Beleihung aus.551 Fällt diese nicht unter das Schonvermögen, ist sie zur Finanzierung der Kosten grundsätzlich einsetzbar. Zu prüfen ist jedoch, ob eine Beleihung oder Verwertung der Immobilie auch zumutbar erscheint. Hierbei muss eine Gesamtbetrachtung der Einzelfallumstände erfolgen.552

86aVoraussetzung der zumutbaren Verwertung ist es, dass diese zunächst überhaupt möglich erscheint und diese auch zeitnah durchführbar ist. In diesem Zusammenhang ist daher immer die Überlegung anzustellen, dass eine Veräußerung einer Immobilie inklusive der Abwicklung – sei es ein Hausanwesen oder ein Miteigentumsanteil – in der Regel eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.553 Eine solche doch mitunter komplexe Gestaltung erscheint daher kaum zeitnah genug, um im Einklang mit der begehrten Beratungshilfe zu stehen. Es ist weiter zu prüfen, ob unter diesem Gesichtspunkt auch ein angemessenes Verhältnis zur beabsichtigten Rechtswahrnehmung vorliegt. Allein die Tatsache, dass eine Verwertung nicht kurzfristig erfolgen kann, führt ohne weitere Prüfung nicht zur Unzumutbarkeit.554 Ein 120 Jahre altes und belastetes Wohnanwesen ist z. B. nicht kurzfristig verwertbar.555

Gerade die Veräußerung von Miteigentumsanteilen nimmt aufgrund der notwendigen Zustimmung anderer Miteigentümer naturgemäß eine gewisse Zeitdauer in Anspruch. Es ist gerade im Rahmen der Beratungshilfe fraglich, ob hier überhaupt eine zeitnahe Verwertung möglich und zumutbar ist.556 Wenn eine rasche Veräußerung ausscheidet, ist eine Verwertung daher hier nicht zumutbar. Eine Teilungsversteigerung scheidet damit vorliegend aus, da diese einige Zeit in Anspruch nimmt.557

Eine Verwertung in Form eines Verkaufs ist jedoch dann generell unzumutbar, wenn – auch bei einem verbleibenden Erlös – erhebliche Kosten entstehen (z. B. Maklerprovision, Gerichts- und Notarkosten, Mehrkosten bei der Ablösung von Verbindlichkeiten etc.), die weit über den voraussichtlichen Prozesskosten liegen dürften558 und unverhältnismäßig hoch sind.559 Das gleiche gilt, wenn der Verkauf der Immobilie lediglich die noch offenen Verbindlichkeiten ablöst und danach kein weiterer frei verfügbarer Überschuss mehr vorhanden ist. Auch die Hinnahme eines Verkaufs unter Wert, wodurch die damit zu erwartenden finanziellen Einbußen unverhältnismäßig viel höher als die voraussichtlichen Kosten der Rechtswahrnehmung wären, kann dem Rechtsuchenden nicht zugemutet werden.560

Bestehen Unsicherheiten, ob bei einer Veräußerung ein Erlös erzielt wird, der die vorhandenen Belastungen und Kosten übersteigt, so ist die Immobilie nicht als verwertbar einzustufen.561

Als mögliche Option kann auch bei entsprechender größerer Fläche über eine mögliche Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks nachgedacht werden, wobei hier natürlich auch die Zumutbarkeit wieder eine Rolle spielt.562

86bAuch eine Beleihung von Grundstücken bzw. der Einsatz von Mieteinnahmen ist unter Umständen zumutbar,563 z. B. wenn diese Belastung in Anbetracht des Grundstückwertes und vorrangiger Sicherheiten noch möglich ist und die Gewährung eines Darlehens gegen Bestellung eines Grundpfandrechts zu zumutbaren Konditionen in einem angemessenen Verhältnis steht (z. B. die Restschuld liegt deutlich unter dem Verkehrswert,564 die voraussichtlichen Gerichts- bzw. Rechtsanwaltskosten sind verhältnismäßig gering;565 angemessenes Verhältnis zu den Einkommensverhältnissen566). Dies gilt auch bei Miteigentumsanteilen einer von dem Rechtsuchenden nicht selbst bewohnten Immobilie.567 Bei entsprechender Möglichkeit ist auch eine Teilvermietung in Betracht zu ziehen.568

Kann der Rechtsuchende dagegen weder die Zins- noch Tilgungsbelastung aufbringen, kann er nicht auf eine Beleihung verwiesen werden.569 Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die aktuellen Einkommensverhältnisse offensichtlich nicht geeignet sind, ein weiteres Darlehen überhaupt aufzunehmen und der Rechtsuchende auch die entsprechenden Darlehensraten nicht zahlen kann.570

Wenn der Rechtsuchende mit seiner Familie ein Zwei-Familien-Haus bewohnt, so wird auch dieses Objekt dem Schutz unterfallen.571 Jedoch ist hier insoweit eine Beleihungsmöglichkeit zu prüfen.

Grundsätzlich sind in allen Fällen in diesem Zusammenhang auch die Beleihungsgrenzen der Banken zu beachten. Oftmals orientieren sich die Bankinstitute bei der Frage nach der Beleihungsgrenze an den Vorgaben der §§ 14, 16 PfandBG,572 wonach 60 Prozent des aufgrund der Wertermittlung festgesetzten Wertes des Grundstücks als Höchstgrenze angenommen und nur bei besonderen Umständen überschritten wird.573

87Vermögen, welches erst zum Erwerb eines Hauses bestimmt ist, zählt nicht zum Schonvermögen.574 Etwas anderes gilt, wenn das Vermögen nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks bestimmt ist, soweit dies Wohnzwecken von Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen (§ 99 SGB IX) oder pflegebedürftiger Menschen (§ 61 SGB XII) dient oder dienen soll (sh. auch Rn. 90).575

Ist der Rechtsuchende aus seiner Wohnung ausgezogen, bewohnt diese jedoch noch der getrennt lebende Ehegatte, so ist diese nicht zu verwerten, solange es möglich erscheint, dass sich die Eheleute wieder versöhnen und der Rechtsuchende in die Ehewohnung zurückkehrt.576 Hier kommt es auch auf die bereits vorliegende Trennungszeit sowie die weiteren Umstände an. Vor Ablauf des Trennungsjahres hat das Grundstück seine Eigenschaft als Familienheim noch nicht verloren. Letztlich ist hier ja auch noch nicht absehbar, wie das Familiengericht entscheidet.

Muss der Eigentümer des Hausanwesens ins Pflegeheim, so muss der Ehepartner das Haus nicht aufgeben. Ist der Rechtsuchunde nur vorübergehend außerstande (z. B. Krankenhausaufenthalt), sein Hausanwesen zu bewohnen, so entfällt insoweit nicht der Schutzzweck. Bewohnt dagegen der Rechtsuchende auf unbestimmte Zeit nicht mehr sein Hausanwesen, so entfällt der Schutzzweck, z. B. bei einer dauernden Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung.

Der durch die Veräußerung des früheren Familienheims erlangter Verwertungserlös ist regelmäßig einzusetzendes Vermögen.577 Dieser ist auch für schon entstandene Prozesskosten einzusetzen, wenn die Partei damit ein neues angemessenes (privilegiertes) Hausgrundstück erworben hat.578

Zur Deckung der Kosten kann von dem Rechtsuchenden auch verlangt werden, ein noch selbst genutztes Anwesen einzusetzen, wenn sicher abzusehen ist, dass es in absehbarer Zeit zu dessen Veräußerung kommen wird.579

Beispiel:

Der Rechtsuchende besitzt als Immobilienvermögen:

a) eine selbst bewohnte Eigentumswohnung und

b) ein unbelastetes Einfamilienhaus im Wert von 286.000,00 EURO.

Das unbelastete Einfamilienhaus ist grundsätzlich kein Schonvermögen, aber im vorliegenden Fall besteht eine notarielle Verpflichtung gegenüber dem Ehepartner (dieser hat den Kaufpreis gezahlt), das Grundstück ohne dessen Zustimmung nicht zu belasten oder zu veräußern, da ansonsten die Übertragung des Miteigentumanteils verlangt werden kann. Vorliegend ist der Einsatz des Einfamilienhauses zumutbar, es waren hier Mittel in Höhe von ca. 2.000,00 EURO aufzubringen.580

Der aus einem Hausverkauf eingehende Erlös zum Ausgleich eines überzogenen Girokontos ist kein einzusetzendes Vermögen.581 Bestehen jedoch anderweitige Schulden, die in langfristigen Raten getilgt werden, so ist der nach Ablösung der Finanzierung noch zur Verfügung stehende überschießende Resterlös zunächst auf die Verfahrenskosten zu verwenden.582 Grundsätzlich ist der Rechtsuchende aber dazu verpflichtet, eingehendes Kapital für die Gerichts- bzw. Rechtsanwaltskosten zu verwenden. Deshalb kann ihm fiktives Vermögen zugerechnet werden, soweit er seine Leistungsunfähigkeit böswillig oder mutwillig herbeigeführt hat. Dies wird auch dann angenommen, wenn mit einer eingehenden Zahlung eine Verbindlichkeit weit vor deren Fälligkeit getilgt wird.583 Keine Partei ist nach § 115 ZPO dazu verpflichtet, einen Kontokorrentkredit für die Prozesskosten aufzunehmen.584

Wurde das Hausanwesen oder die Eigentumswohnung zwangsversteigert und ist dem Rechtsuchenden ein entsprechender Erlös noch zugeflossen, so ist dieser Erlös ebenso wenig wie der Erlös aus einem Verkauf geschützt und als Vermögen einzusetzen.585 Unbeachtlich ist auch der Wunsch des Rechtsuchenden, vorhandenen Grundbesitz völlig unbelastet als späteres Erbe erhalten zu wollen.

Hinweis:

Der Rechtsuchende muss substantiiert unter Glaubhaftmachung seiner Argumentation vortragen, aus welchen konkreten Tatbeständen sich eine Unmöglichkeit der Verwertung oder eine fehlende Beleihungsmöglichkeit ergibt. Dies hat er anhand der oben untersuchten einzelnen Aspekte zu erläutern;586 z. B. warum und aus welchen Gründen die getätigten Bemühungen zur Veräußerung vergeblich waren, aus welchen Tatsachen sich die Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unvernunft ergibt.587 Dies kann er z. B. anhand des Verkehrswertes, der Verwertungskosten, vorliegender Verwertungshindernisse oder auch dem Marktgeschehen vortragen. Insoweit kann er auch einen Nachweis seines möglichen beleihenden Kreditinstituts vorlegen, dass die Immobilie nicht als Sicherheit herangezogen werden kann.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

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