Читать книгу Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe - Stefan Lissner - Страница 15

Kapitel 2:Subjektive Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG I.Allgemeines

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19Die subjektiven Voraussetzungen zur Gewährung von Beratungshilfe betreffen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsuchenden.

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG wird Beratungshilfe dann gewährt, wenn der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann.

§ 1 Abs. 2 BerHG verweist hierbei auf die Bestimmungen des Prozesskostenhilferechts. Nur wenn die Voraussetzungen zur Gewährung von ratenfreier Prozesskostenhilfe vorliegen, wird Beratungshilfe gewährt.

Für die Beratungshilfe gibt es keine eigenständigen Regelungen zur Berechnung und Ermittlung des einzusetzenden Einkommens sowie des verwertbaren Vermögens. Die Berechnungen erfolgen vielmehr entsprechend nach den für die Prozesskostenhilfe geltenden Bestimmungen.

Die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens, des zumutbar einzusetzenden Vermögens sowie die Frage, ob Raten zu zahlen wären, orientiert sich damit an § 115 ZPO. Dieser legt fest, inwieweit der hilfsbedürftige Rechtsuchende sein Einkommen und sein Vermögen für die Beratungshilfekosten einzusetzen hat, die ihm voraussichtlich entstehen werden.

§ 115 ZPO – Einsatz von Einkommen und Vermögen

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

a) die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;

b) bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;

a) für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;

b) bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;

3. die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;

4. Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;

5. weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(Hinweis: Zur Höhe der nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 sowie Satz 5 maßgebenden Beträge ab dem 1.1.2021 vgl. Bek. v. 28.12.2020 I 3344 (PKHB 2021)).

20Eine nur überschlägige Prüfung ist dabei nicht ausreichend, auch wenn dies aus Gründen der Praktikabilität, der schieren Menge der Verfahren und der im Vergleich zu den deutlich höher entstehenden Kosten im Rahmen der Prozesskosten-/Verfahrenskostenhilfe in der Praxis zu beobachten ist.87

Jedoch sollten schon allein aufgrund der Bezugnahme auf Vorschriften des SGB XII, der dazu gehörigen Verordnungen sowie entsprechenden Fachausdrücken und Berechnungsmethoden dabei sehr aufwändige und teilweise komplizierte Ermittlungen sowie sehr kleinliche Berechnungen ausgewogen am jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden, eine gewisse Großzügigkeit kann hier helfen. Überspannte Anforderungen sind unzulässig.88

Beratungshilfe wird nur gewährt, wenn das ermittelte einzusetzende Einkommen weniger als 20,00 EURO beträgt, die Berechnung des hälftigen verbleibenden Resteinkommens nach den Bestimmungen der §§ 114 ff. ZPO daher unter 10,00 EURO verbleibt (und somit keine Ratenzahlung zu erfolgen hätte) und kein verwertbares Vermögen vorhanden ist.

Die Berechnung der Ratenhöhe erfolgt dadurch, dass das ermittelte Resteinkommen halbiert wird und die sich so ergebende Monatsrate auf volle EURO abgerundet wird, § 115 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO. Beträgt das ermittelte Resteinkommen mehr als 600,00 EURO, ergibt sich eine Monatsrate in Höhe von 300,00 EURO zzgl. des Teils des Einkommens, der 600,00 EURO übersteigt, § 115 Abs. 2 S. 3 ZPO.

21Es ist auf die Einkommens- und Vermögenslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Beratungshilfe abzustellen.89

Beispiel:

a) Das ermittelte Resteinkommen beträgt 322,00 EURO. Gem. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO beträgt hier die Monatsrate 161,00 EURO. Die Gewährung von Beratungshilfe wäre hier daher zu verneinen, da Raten zu zahlen wären.

b) Das ermittelte Resteinkommen beträgt 800,00 EURO. Gem. § 115 Abs. 2 S. 3 ZPO beträgt die Monatsrate hier 300,00 EURO zzgl. des Betrages, der 600,00 EURO übersteigt = 200,00 EURO, d.h. die Rate beträgt hier 500,00 EURO monatlich.

Anders verhält es sich im Falle des § 6 Abs. 2 BerHG, wonach hier der Zeitpunkt maßgebend ist, zu dem die Beratungsperson selbst die Voraussetzungen überprüft.90

Rücklagen für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung muss der Rechtsuchende nicht bilden.91 Es sind allein die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Beratungshilfeantrag maßgeblich. Wer jedoch zum Zeitpunkt der Trennung über ein nicht unerhebliches verwertbares Vermögen verfügt, für denjenigen besteht die grundsätzliche Verpflichtung, hiervon Rücklagen für die Kosten des nachfolgenden Scheidungsverfahrens zu bilden.92

Die Reihenfolge der Prüfungen der Voraussetzungen ist nicht vorgeschrieben. Das Einkommen und das Vermögen stehen zueinander in keinem Rangverhältnis.93 Man kann daher mit der Prüfung, ob verwertbares Vermögen vorhanden ist oder auch mit der Prüfung des Einkommens beginnen.94

Praxistipp:

Ist am Anfang der Prüfung bereits offensichtlich, dass entweder ausreichend Vermögen vorhanden ist oder ein sehr hohes Einkommen vorliegt, dann sollte mit diesem Prüfungspunkt begonnen werden. Sofern genügend einsetzbares Vermögen vorhanden ist, braucht die komplexe Einkommensberechnung nicht mehr vorgenommen zu werden.

22Im Falle der selbstverschuldeten Mittellosigkeit steht ein Verschulden bei der Entstehung des wirtschaftlichen Unvermögens des Rechtsuchenden der Bewilligung von Beratungshilfe grundsätzlich nicht entgegen.95

Der Gesetzgeber hat als Ausschlussgrund von Beratungshilfe nur die Mutwilligkeit, nicht jedoch das unwirtschaftliche Verhalten genannt. Auch spielt es keine Rolle, ob der Rechtsuchende seine beschränkten finanziellen Mittel unwirtschaftlich einsetzt.96 Hat der Rechtsuchende jedoch zu dem Zeitpunkt, als sich die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Beratungshilfe abzeichnete,97 seine Hilfsbedürftigkeit durch offensichtliche Vermögensverschiebungen vorsätzlich herbeigeführt, bzw. in Kenntnis des bevorstehenden Rechtsstreits sich seines Vermögens entäußert,98 oder Ausgaben getätigt, für die keine dringende Notwendigkeit bestand, so scheidet eine Bewilligung von Beratungshilfe aus. Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn der Rechtsuchende unmittelbar vor Beantragung auffällig vermehrt höhere Beträge von seinem Bankkonto abgehoben hat oder wenn der Rechtsuchende bei dieser Kenntnis trotz eines erheblichen Bankguthabens es unterlassen hat, hieraus im Rahmen einer sorgsamen Wirtschaftsführung eine Rücklage für die drohende Belastung mit den Verfahrenskosten zu bilden.99 Sind für den Rechtsuchenden Kosten für eine Rechtsverfolgung absehbar, darf er vorhandenes Vermögen (hier: Unterhaltsnachzahlungen) nicht mehr leichtfertig für nicht unbedingt notwendige Zwecke (vorliegend Renovierung und Neueinrichtung einer Wohnung i. H. v. mindestens 7.000,00 EURO) ausgeben. Gibt der Rechtsuchende trotz seiner Kenntnis dieses dennoch aus, so muss er sich die Summe, die er ausgegeben hat, als fiktiv vorhandenes Vermögen anrechnen lassen.100 Führt der Rechtsuchende seine Vermögenslosigkeit nach wegen des Vorhandenseins einsetzbaren Vermögens abgelehnter Beratungshilfe durch Zuwarten (z. B. bei vorhersehbaren Wertverlustes) oder durch Ausgabe des Vermögens herbei, dann hat er seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt.101

Parallel hierzu ist anzumerken, dass auch im Rahmen der Prüfung gem. § 120a ZPO der Antragsteller verpflichtet ist, neu erworbenes Vermögen (oder ein erhöhtes Einkommen) vorrangig zur Begleichung der Verfahrenskosten zu verwenden.102

Bei einer grob fahrlässigen Pflichtwidrigkeit, welche zu einer Einkommens- oder Vermögensminderung führt, kommt ggfs. die Herabsetzung des Freibetrages des Schonvermögens in Betracht (§§ 2 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, 103 SGB XII)103 oder die Kreditraten können nicht mehr einkommensmindernd geltend gemacht werden.104

In der Praxis dürften diese Tatbestände nur sehr schwer nachweisbar sein und die Ermittlung dieser Anhaltspunkte erheblichen Aufwand mit sich bringen. Überspannte Anforderungen sind dabei unzulässig.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

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