Читать книгу Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe - Stefan Lissner - Страница 18

Оглавление

Laufende Kindergeldzahlungen sind danach lediglich insoweit i. S. d. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zum Einkommen eines Elternteils zu rechnen, als es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes (also bis zur Höhe des Freibetrages gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b ZPO – evtl. ergänzt um Wohnkostenanteil) zu verwenden ist.152 Der Wortlaut von § 82 Abs. 1 S. 3 SGB XII wird hier betreffend minderjährige Kinder als zutreffende Zurechnungsnorm für die gem. § 115 Abs. 1 ZPO relevante sozialhilferechtliche Einkommensermittlung angewendet. Es wird auch dann als Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils berücksichtigt, wenn Kindesunterhalt gezahlt wird.153

Durch Einbeziehung des § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II wird das Kindergeld für unterhaltsberechtigte volljährige Kinder, die in vollständiger oder zumindest temporärer Bedarfsgemeinschaft leben, uneingeschränkt dem Einkommen des Elternteils zugerechnet.154 Dies gilt auch, wenn das Kind schwerbehindert ist.155

Durch die Einstellung des Kinderfreibetrags in die Berechnung und den Abzug der Wohn- und Heizkosten ist die Deckung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes grundsätzlich gewährleistet.

Mit Rücksicht auf die bestehenden – nach Altersstufen gestaffelten – Unterhaltsfreibeträge kann davon ausgegangen werden, dass damit das Existenzminimum eines Kindes (ohne die Kosten der Unterkunft und Heizung, die ohnehin vom Einkommen des Rechtsuchenden abzusetzen sind) zumindest bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gewährleistet ist.156

Der notwendige Bedarf eines Kindes kann sich in diesem Kontext auch an den Mindestunterhaltsbeiträgen gem. § 1612a Abs. 1 BGB i. V. m. der Mindestunterhaltsverordnung orientieren.

Beispiel: Berechnung des dem Einkommen hinzuzurechnenden Kindergeldes

Freibetrag für das Kind 311,00 EURO
(Kind ist 4 Jahre alt)
abzgl. gewährter Kindesunterhalt 238,00 EURO
übrig bleiben (= Lücke): 73,00 EURO
Kindergeld für das Kind 219,00 EURO
abzgl. obiger Lücke 73,00 EURO
ergibt: 146,00 EURO

Ergebnis:

Dem Einkommen des Rechtsuchenden werden 146,00 EURO hinzugerechnet.157

Eine Ansicht158 rechnet das Kindergeld dem Einkommen der Partei in voller Höhe zu, welcher das Kindergeld ausgezahlt wird. Nach dieser Meinung ist bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens § 82 Abs. 1 S. 3 SGB XII gerade weder unmittelbar noch analog anwendbar.

Eine weitere Ansicht159 ordnet das Kindergeld in voller Höhe als Einkommen des Kindes zu und ist von dem auf das Kind entfallenden Unterhaltsfreibetrag entsprechend abzuziehen. Die zugrundeliegende Begründung, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.1.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 die unterhaltsrechtliche Behandlung des Kindergeldes in § 1612b BGB neu konzipiert und durch die Neuregelung zum Ausdruck gebracht hat, dass das Kind einen Anspruch auf die Auszahlung des Kindergeldes oder die Erbringung entsprechender Naturalleistung gegen denjenigen Elternteil hat, der das Kindergeld von der Familienkasse ausgezahlt erhält, vermag nicht zu überzeugen, da grundsätzlich nur die Eltern anspruchsberechtigt sind und das Kindergeld den in der Familie entstehenden Mehraufwand ausgleichen soll.160

33d) Sozialleistungen. Ob gem. SGB II bezogene Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) Einkommen sind, ist insbesondere wegen des Zwecks, nämlich den Lebensunterhalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu sichern, streitig:

– Die Leistungen nach dem SGB II werden nach h. M.161 als Einkommen berücksichtigt. Auch Mehraufwandsentschädigungen für eine Arbeitsangelegenheit gem. § 16d SGB II ist als Einkommen zu berücksichtigen.162 Wenn der Rechtsuchende neben dem Arbeitslosengeld II weitere Einkünfte hat, die ihrerseits einzusetzendes Einkommen sind und die zusammen mit dem Arbeitslosengeld II die nach § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO vorzunehmenden Abzüge übersteigen, kann im Rahmen der PKH sogar die Anordnung von Ratenzahlungen erfolgen. Hierfür spricht, dass der Begriff des Einkommens in § 115 ZPO keine Einschränkungen erkennen lässt wie die Begriffsdefinition in § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II. Auf die Bezugsquelle des Einkommens kommt es daher nicht an.

– Die Gegenansicht163 führt aus, dass der Bezug von Sozialhilfe bereits früher zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung geführt hat. Nach der gesetzlichen Trennung der Sozialhilfe in Leistungen für Nichterwerbsfähige nach SGB XII und Leistungen für Erwerbsfähige nach SGB II beansprucht diese Rechtsprechung auch Geltung für Leistungen nach SGB II, soweit es sich bei diesen in der Sache um Sozialhilfe handelt.

Ob Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) zum Einkommen zählt, ist ebenfalls umstritten.164 Gem. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind alle Leistungen nach diesem Buch (SGB XII) vom Einkommensbegriff ausgenommen. Hierzu gehört auch die Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 8 Nr. 1 SGB XII) sowie eine bezogene Grundsicherung als Teil der Sozialhilfe (§ 8 Nr. 2 SGB XII), zumal nach § 2 Abs. 2 SGB XII der Bezug von Sozialhilfe die anderen Träger von Sozialleistungen nicht entlastet. Dies bedeutet, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) kein Einkommen i. S. d. Prozesskostenhilfe- oder Beratungshilferechts darstellt und im Rahmen der bestehenden Freibeträge keine Ratenverpflichtung gem. § 115 Abs. 2 ZPO erreicht wird.165

Zum Teil wird aber auch argumentiert, dass der Bezug von Sozialhilfe166 zwar grundsätzlich Einkommen darstellt, der Einsatz zur Bestreitung der Verfahrenskosten ist jedoch regelmäßig auch dann nicht zumutbar, wenn es über den Freibeträgen liegt. Die Konsequenz ist im Ergebnis hier die gleiche, nämlich dass bei Bezug von Sozialhilfe Prozesskostenhilfe ohne Raten und damit auch Beratungshilfe zu bewilligen ist.

Der den Pflegeeltern zufließende Erziehungsbeitrag gem. § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII ist Einkommen.167

Mehrbedarfsbeträge gem. §§ 21 SGB II, 30 SGB XII sind ebenfalls gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO als Einkommen zu berücksichtigen.

34Als Einkommen zählen weiter alle Einkünfte mit Lohnersatzfunktion wie z. B. Arbeitslosengeld I, Krankengeld, welches anstelle von Arbeitsentgelt gezahlt wird,168 oder Kurzarbeitergeld.

Ebenso gehören Übergangsgeld gem. § 24 SGB II169 und Ausbildungsförderung170 sowie Wohngeld (auch Leistungen für Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II) dazu.171

Stehen dem Rechtsuchenden eindeutig Sozialleistungen zu (z. B. Wohngeld) und nimmt er diese nicht in Anspruch, so muss er sich so behandeln lassen, als ob er sie erhalte.172 Erhält er dagegen kein Wohngeld, weil er mit einem leistungsfähigen Partner in nicht ehelicher Gemeinschaft zusammenlebt, so ist keine fiktive Anrechnung vorzunehmen.173

35e) Sonstige Einkünfte. Einkommen sind Renten aller Art,174 titulierte Unterhaltsansprüche,175 Trennungsunterhalt für die Dauer der Gewährung,176 Unterhaltsrenten, auch wenn sie unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt werden (z. B. freiwillige Leistungen der Eltern für Miete und Studium)177; auch Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung,178 Erziehungsrente, Opferrente nach § 17a StrRehaG179 sowie Kostgeld.180

Weiter zählen hierzu Unterhaltsleistungen Dritter (z. B. des Lebensgefährten)181 und freiwillige Leistungen von Dritten.182 Dies gilt gleichermaßen, wenn er für seinen Lebensunterhalt Zuwendungen von wechselnden Personen in unterschiedlicher Höhe erhält.183

36Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und Studienkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind ebenfalls Einkommen;184 dies gilt auch bei der darlehensweisen Gewährung, wenn für einen längeren Zeitraum keine Rückzahlungsverpflichtung besteht. Ein KfW-Studienkredit stellt sich auch als eine Art Vorfinanzierung des in der Zukunft eintretenden Mehrwertes dar.185 Eine bereits fällige Rückzahlungspflicht ist gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen (Härtefall).

37Auch tatsächlich gezahltes oder zu beanspruchendes Taschengeld gehört zum Einkommen;186 dies beträgt in der Regel 5 % des Nettoeinkommens des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners.187 Bei geringen Einkommen kann dieses aus Billigkeitsgründen außer Betracht bleiben.188

38Grundsätzlich ist ein freiwillig gewährter Naturalunterhalt (z. B. innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft) zwar nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der Rechtsuchende außer ihm keine sonstigen Einkünfte hat.189 Hat er jedoch daneben noch weitere Einkünfte, so ist der Naturalunterhalt zu bewerten und hinzuzuaddieren.190

Erbringt der bedürftige Rechtsuchende für seinen nichtehelichen Lebenspartner entgeltpflichtige Betreuungs- oder Versorgungsleistungen, so sind diese nicht als fiktives Einkommen zu rechnen, da er ansonsten ggfs. seinen Partner auf Leistung verklagen müsste.191 Erfolgt dagegen eine Pflegetätigkeit in hohem Umfang für einen Angehörigen, so kann die Vergütung hier im Einzelfall als Einkommen angesehen werden.

Der ganz alltägliche und normale „Familienunterhalt“ kann dagegen keine Berücksichtigung finden, da hier im Rahmen der Familiengemeinschaft nicht alles detailliert aufgelistet und in eine geldwerte Leistung umgerechnet werden kann.

38aDie Verpflegung in einem Sanatorium kann zum Einkommen zählen.192

39Geldwerte Vorteile, z. B. die dauerhafte Überlassung eines Firmenwagens, freie Unterkunft und freie Verpflegung sind ebenfalls zu verwerten, sofern hierin ein Einkommenszufluss zu sehen ist. Dabei können die Werte der Sozialversicherungsentgeltverordnung193 herangezogen werden. Gezahltes Kostgeld ist hiervon in Abzug zu bringen.194 Sachbezüge sind auch trotz eines aus der Gehaltsbescheinigung ersichtlichen Abzugs einkommenserhöhend zu berücksichtigen, wenn sie zusätzliches Einkommen sind und nicht bloß ein Äquivalent für verauslagte Aufwendungen darstellen.195

40Steuererstattungen sind im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs dann nicht zu berücksichtigen, wenn es sich um einen geringen Betrag handelt, der einmalig anfällt. Bei größeren Beträgen ist auf 12 Monate aufzuteilen.196

Wurde durch den Rechtsuchenden eine ungünstige Steuerklasse gewählt (z. B. V, wenn Ehegatte in III veranlagt ist), dann muss er sich den Ausgleichsanspruch gegen den Ehegatten anrechnen lassen; die Wahl der Steuerklasse darf letztlich nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen.197 Die Wahl der Steuerklasse V indiziert jedoch nicht per se einen Rechtsmissbrauch.198

41Freiberufler und Gewerbetreibende können ihr Einkommen mit einer Einnahmenüberschussrechnung für das Vorjahr belegen.199 Diese braucht auch nicht um eine solche für die ersten Monate des laufenden Jahres ergänzt zu werden. Grundsätzlich ist zwar der Gewinn maßgebend, zu berücksichtigen sind jedoch auch Abschreibungen und zeitliche Verschiebungen sowie schlüssig dargelegte Gewinnrückgänge oder Gewinnsteigerungen.200 Der Steuerbescheid (max. aus dem Vor-Vor-Jahr) ist ebenfalls vorzulegen. Ebenso können entsprechende Kontonachweise vorzulegen sein.

Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen ergeben lediglich Anhaltspunkte, die sich aber ggfs. durch den Lebenszuschnitt des Rechtsuchenden (z. B. Wohnung, Hauspersonal, Zweitwagen, kostenaufwendiger Lebensstil) korrigieren lassen. Das zu versteuernde Einkommen und die Gewinn- und Verlustrechnung müssen dabei in sich stimmig sein. Die Vorlage einer Steuerberaterbescheinigung, die negative Einkünfte ausweist, reicht allein nicht aus.201

42Auch das aus Erwerbstätigkeit herrührende Einkommen eines Strafgefangenen, wenn dieser in der JVA arbeitet, ist einzusetzendes Einkommen.

43Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung bzw. Verpachtung (vermindert um die notwendigen Ausgaben bis zur Höhe der Einnahmen)202 sind Einkünfte (soweit diese nicht fest zur Schuldenregulierung abgetreten oder verpfändet ist; für die Nichtberücksichtigung ist eine bloße Verplanung hingegen nicht ausreichend).203

Zinseinkünfte aus angelegtem Schmerzensgeld sind ebenfalls Einkommen.204

Ebenso sind die im Zusammenhang mit der Nutzung eines Nießbrauchsrechts erzielten Bruttoeinnahmen als Vermietungseinkünfte zu berücksichtigen.205

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

Подняться наверх