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2.Die einzelnen Einkommensarten

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26aa) Arbeitseinkommen. In der Regel handelt es sich hierbei um Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit, vor allem Lohn und Gehalt.

Weiter gehören hierzu auch Zuschläge für Nacht‑, Feiertags- und Sonntagsarbeit, Prämien, Spesen, Provisionen, Akkordarbeit, Überstundenvergütungen, Honorare und Tantiemen für einmalige Tätigkeiten (z. B. aus Projektverträgen),126 ggfs. Abfindungen,127 Auslösungen, Arbeitnehmersparzulage, betriebliche Altersvorsorge, Direktversicherungen (diese Versicherung ist eine Zusatzversicherung zur Rentenversicherung und es ist grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit zu prüfen), Elterngeld über 300,00 EURO, Weihnachtsgeld etc.

Ob Aufwandsentschädigungen als Einkommen angerechnet werden, wird unterschiedlich beurteilt. Sie werden dem Einkommen hinzugerechnet, mit ihnen zusammenhängende Aufwendungen, wie z. B. der Verpflegungsmehraufwand, sind als beruflich bedingter Aufwand abzuziehen.128 Die in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen variablen und steuerfreien Verpflegungszuschüsse, also die im Rahmen der steuerfreien Pauschalen gem. §§ 3 Nr. 16, 9 Abs. 4a EStG bleiben, zählen nicht zum anrechnungsfähigen Einkommen, da es sich hierbei um zusätzlich arbeitsbedingten Aufwand handelt, der nach den steuerrechtlichen Normen nicht als steuerpflichtiges Einkommen zählt.129 Etwas Anderes kann dann gelten, wenn individuelle vom EStG losgelöste Vereinbarungen getroffen worden sind. Bei der pauschal versteuerten Vergütung für Verpflegungsmehraufwand i. S. d. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG ist eine ersparte häusliche Aufwendung zu bejahen, und zwar in Höhe von 1/3 der gewährten Vergütung.130

Die Einkünfte müssen auf legale Weise erzielt werden, der Rechtsuchende ist nicht zur Fortführung einer gesetzwidrigen oder sittlich anstößigen Beschäftigung verpflichtet. Von dem Rechtsuchenden kann auch nicht die Fortführung einer in der Vergangenheit ausgeübten Schwarzarbeit verlangt werden.

27Maßgeblich bei der Ermittlung des Einkommens ist das Monatseinkommen, im Zweifel das durchschnittliche Monatseinkommen des letzten vollen Kalenderjahres.131

Bei stark schwankenden Einnahmen (z. B. bei Akkordarbeit oder Saisonarbeit) sollte aber ein Mittelwert aus den zurückliegenden Monaten gebildet werden.

Wocheneinkünfte sind mit 4 1/3 zu multiplizieren, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind mit 1/12 anzusetzen.132 Dies gilt auch bei anderen Jahressonderleistungen.

Bei vermögenswirksamen Leistungen, die der Arbeitgeber zahlt, geht die vorherrschende Meinung133 davon aus, dass es sich bei den entsprechenden Aufwendungen nicht um Einkommen handelt, so dass sie vom Nettoeinkommen abzuziehen sind. Vermögenswirksame Leistungen dienen der Förderung des Vermögensaufbaus und sind daher regelmäßig für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Ohne Verlust können angesparte Guthaben in aller Regel nicht aufgelöst werden, was unzumutbar ist.

Trinkgelder sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.134 Liegen keine Belege vor, sind Schätzungen vorzunehmen.135

Lohn- und Gehaltsforderungen, die sich nicht durchsetzen lassen, zählen nicht zum Einkommen. Gepfändete Einkünfte, die der Drittschuldner an einen Gläubiger des Rechtsuchenden abführt, zählen nicht als Einkommen, da sie zur Bestreitung der Kosten nicht zur Verfügung stehen.136 Dies gilt ebenso für abgetretene Forderungen.

28b) Fiktives Arbeitseinkommen. Hat der Rechtsuchende kein Einkommen, wäre grundsätzlich Beratungshilfe zu gewähren. Die Arbeitskraft des Rechtsuchenden allein zählt weder zum Einkommen noch zum Vermögen.137

Könnte sich der Rechtsuchende jedoch durch eine ihm zumutbare Arbeitsleistung oder zumutbare Vermögensnutzung Einkünfte oder Erträge verschaffen, so stellt sich dabei die Frage, ob ein hierdurch zu erzielendes Entgelt als fiktives Arbeitseinkommen bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen wäre.

Unterlassener Arbeitseinsatz ist zu berücksichtigen, wenn der Rechtsuchende nach Berufsausbildung, Familienverhältnissen, Alter und Gesundheit ohne weiteres auf eine nach dem Arbeitsmarkt mögliche Arbeitsaufnahme, auch im Hinblick auf die Konjunkturlage und einem ggfs. vorliegenden Fachkräftemangel, verwiesen werden kann.138

Auf dieser Grundlage ist dann aber auch zu berechnen.139 Die Anrechnung sollte sich auf klare Fälle des Missbrauchs beschränken,140 z. B. wenn kurz vor der Antragstellung eine Arbeitsstelle ohne ersichtlichen Grund aufgegeben wird.

Beispiele:

Der Rechtsuchende arbeitet bereits seit über 20 Jahren im gleichen Malerbetrieb und gibt dieses Arbeitsverhältnis aus ungekündigter Stellung heraus ohne ersichtlichen Grund auf.

Eine Friseurmeisterin im Reisegewerbe gibt an, 230,00 EURO zu verdienen, bezieht aber keine Sozialhilfe und beruft sich darauf, sie müsse zwei Kinder ihres neuen Lebenspartners betreuen.141

29Eine schuldhaft herbei geführte Bedürftigkeit (z. B. verantwortungslose Aufgabe des Arbeitsplatzes) verdient keinen Schutz und kann die Zurechnung fiktiven Einkommens rechtfertigen.142 Das vor der Kündigung erzielte Einkommen ist dann fortzuschreiben.

Die tatsächlichen Voraussetzungen sind in diesen Fällen dann festzustellen und reale Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme zu prüfen, ggfs. sind durch den Rechtsuchenden konkrete Bemühungen zur erfolglosen Arbeitsaufnahme schlüssig darzulegen.143 Gibt er an, dass er sich beim Jobcenter arbeitslos gemeldet hat, genügt dies allein nicht zum Nachweis einer konkreten Erwerbsbemühung.

Macht der Rechtsuchende keine Angaben dazu, welche Erwerbsbemühungen er unternommen hat bzw. gerade unternimmt, so können auch hier hypothetische Einkünfte anzurechnen sein.144

Die Erbringung eines Missbrauchsnachweises dürfte in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten, zumal der Rechtsuchende immer eine gewisse Unwissenheit vorbringen kann.

Übermäßige Anforderungen können nicht daran gestellt werden.145

Eine Anrechnung käme vor allem dann in Betracht, wenn es sich um einen jungen, gesunden, persönlich und örtlich ungebundenen Rechtsuchenden handelt, der ohne Weiteres eine ihm zumutbare Arbeit aufnehmen könnte und der keiner Erwerbstätigkeit ohne einleuchtenden Grund nachgeht.146 Er muss offensichtlich die ihm zur Verfügung stehenden Erwerbsmöglichkeiten leichtfertig nicht in Anspruch nehmen. Die Tatsache, dass er lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, reicht für sich alleine gesehen hierfür nicht aus.147

Der Rechtsuchende, der keine Einkünfte und keine Sozialhilfe bezieht, hat darzulegen und glaubhaft zu machen, wie er seinen Lebensunterhalt finanziert sowie warum sein Lebensbedarf nicht durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gedeckt werden kann.148

30Bei verschleierten Arbeitsverhältnissen ist die Vergütung anhand § 850h Abs. 2 ZPO zu beurteilen149 (jedoch auch hier: Frage der Nachweisbarkeit!), z. B. der Rechtsuchende arbeitet in einem größeren Umfang im Geschäft des Ehepartners mit und bekommt einen nur geringen Lohn und eventuell gewährte Sachleistungen. Er kann dann so gestellt werden, als würde er über ein an die Ausübung seiner Tätigkeit ausgerichtetes Einkommen verfügen.

31Wer Vermögenserträge aus einem unschwer verwertbaren Vermögen nicht zieht, wird sich so behandeln lassen müssen, als wenn er die daraus üblichen Erträge erzielt (z. B. wer bei vermietbaren Räumen diese leer stehen lässt). Es besteht keine Bedürftigkeit, wenn die Negativeinkünfte aus Vermietung in einem so krassen Missverhältnis zu den ansonsten guten Einkommensverhältnissen stehen.150

32c) Kindergeld. Ob und wie laufende Kindergeldzahlungen im Rahmen der Beratungshilfe als Einkommen zu berücksichtigen ist, wird unterschiedlich beurteilt.

Deutsche Staatsangehörige erhalten einkommensunabhängig Kindergeld, wenn sie in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Auch in Deutschland wohnende ausländische Staatsangehörige können unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld erhalten.

Das Kindergeld wird dabei für Kinder unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gezahlt, wenn sie in Deutschland oder einem EU-Mitgliedsstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (z. B. Schweiz) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird Kindergeld für alle Kinder gezahlt, darüber hinaus nur unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Kinder in Schul- oder Berufsausbildung).

Das Kindergeld erhält der Elternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Lebt das Kind nicht in einem Haushalt eines Elternteils, so erhält das Kindergeld derjenige Elternteil, der dem Kind laufend den (höheren) Barunterhalt zahlt. Wird dem Kind von beiden Elternteilen kein laufender Barunterhalt gezahlt, so können die Eltern untereinander bestimmen, wer von beiden das Kindergeld erhält.

Das monatliche Kindergeld beträgt ab Januar 2021151

– für das erste und zweite Kind jeweils 219,00 EURO,

– für das dritte Kind 225,00 EURO und

– für jedes weitere Kind 250,00 EURO.

Die PKH und damit auch die Beratungshilfe ist Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege. Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO knüpft an denjenigen des § 82 Abs. 1 SGB XII an. Die Definition des Einkommensbegriffs ist hier identisch. Auch durch den Verweis auf die vorzunehmenden Abzüge gem. § 82 Abs. 2 und 3 SGB XII wird die Anknüpfung an den sozialrechtlichen Aspekt deutlich.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

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