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2.Abgrenzung zur allgemeinen Beratung

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14Sinn der Beratungshilfe ist es, den Bürgerinnen und Bürgern Rechtsberatung zu gewähren, wenn Rechtsfragen im Vordergrund stehen. Rechtswahrnehmung bedeutet dabei nur die Wahrnehmung von eigenen Rechten des Rechtsuchenden selbst. Hilfe für Dritte einzuholen, welche nicht in den Bereich der Beratungshilfe fallen und bei denen die Voraussetzungen des § 1 BerHG nicht gegeben sind, scheidet naturgemäß aus.60 Auch auf etwaige Erben geht die Beratungshilfebewilligung nicht über. Diese können – bei Vorliegen der Voraussetzungen – vielmehr einen eigenen Anspruch auf Beratungshilfe geltend machen, wenn ihre Rechte betroffen sind.

Rechtswahrnehmung bedeutet aber auch, dass nicht jeder allgemeine Rat von der Beratungshilfe abgedeckt sein soll, auch wenn das Rechtsgebiet grundsätzlich in den Bereich des Beratungshilfegesetzes fällt, sondern nur dann, wenn es notwendig ist und es sich hierbei um Probleme handelt, wo juristischer Rat unumgänglich ist.61 Allgemeine Lebenshilfe fällt daher nicht unter das Beratungshilfegesetz. Hier liegt der Schwerpunkt generell nicht in der rechtlichen Erörterung.62 Genau diese wird jedoch in der Beratungshilfe gefordert (vordergründige Rechtsberatung oder komplexe juristische Rechtsfragen).63

Es genügt auch nicht, dass die Beratung hinsichtlich rechtlicher Nebenaspekte durchgeführt wird, wie es bei vielen Lebenssachverhalten der Fall ist. Solche Konstellationen werden sich grundsätzlich nie vermeiden lassen.64 Zu denken ist hierbei an Verständigungs- oder Leseschwierigkeiten, gesundheitliche Hindernisse oder auch Sprach- und Lesebarrieren.65 Hier geht es dem Bürger weniger um die rechtlichen Aspekte, als um eine tatsächliche Hilfe.

15Sprach- und Lesebarrieren bilden tatsächliche Hemmschwellen und Defizite, für welche die Gesellschaft anderweitige Lösungen zur Verfügung stellen muss.

Beispiel:

Der Rechtsuchende mit einem Migrationshintergrund möchte sich in einer Angelegenheit betreffend die Wohnungszuweisung nur wegen fehlender Sprachkenntnisse durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Solche tatsächlichen Hilfen sind nicht der Beratungshilfe zuzuordnen, sondern denjenigen Institutionen, welche Lebenshilfe leisten.66 Sofern medizinische Hindernisse bestehen, steht hierfür gegebenenfalls das Instrument der Betreuung zur Verfügung.67 Ein Fall der Beratungshilfe ist dies hingegen nicht.68

Ebenso ist eine Beratung von Studenten der Rechtswissenschaften im Rahmen von Hausarbeiten nicht über die Beratungshilfe möglich.

Beratungshilfe kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die rechtlichen Aspekte weitgehend klar sind und eine Beratungsperson nur deshalb beauftragt werden soll, um deren tatsächliche Durchsetzung zu beschleunigen oder weil dessen Inanspruchnahme komfortabler erscheint.69

Beispiel:

Der Rechtsuchende hat sich bereits durch das Jugendamt beraten lassen. Dieses hat den Unterhaltsschuldner gemäß den rechtlichen Vorgaben angeschrieben und zur Unterhaltszahlung aufgefordert. Nachdem keinerlei Reaktion erfolgte, will der Rechtsuchende nun einen Rechtsanwalt aufsuchen, der den Unterhaltsschuldner nochmals zur Zahlung auffordern soll. Hintergrund dieses Wunsches ist die Vermutung, dass der Unterhaltsschuldner auf entsprechenden Druck hin (anwaltlicher Briefkopf) schneller reagieren werde.

Beratungshilfe dient weiter nicht zur Klärung allgemeiner oder präventiver Rechtsfragen70 oder zur Erlangung von Rechtsauskünften. Vielfach wird die Beratungshilfe jedoch gerade für eine solche kostenlose, generelle Hilfseinrichtung gehalten. So ist die prophylaktische Beratung einer sorgeberechtigten Mutter über die Konsequenzen eines Vorversterbens vor Volljährigkeit der Kinder nicht über die Beratungshilfe abrechenbar.71 Grundsätzliche Beratungen für Arbeitnehmer, Mieter (z. B. eine Beratung über den bloßen Abschluss eines Mietvertrages, bloße Erklärungen zur Nebenkostenabrechnung), Kraftfahrer etc. fallen daher nicht unter das Beratungshilfegesetz, sofern nicht das Schwergewicht auf juristischen Fragen liegt,72 auch nicht die bloße Überprüfung einer Telefonrechnung. Solche grundsätzlichen Fragen existieren nahezu auf jedem Rechtsgebiet und sind allgemeiner Natur. Einfache Rückfragemöglichkeiten oder gar Bemühungen um Ratenzahlungen fallen nach der aktuellen Gesetzesbegründung ebenfalls unter die Fälle abzulehnender Beratungshilfe bzw. mutwilliger Inanspruchnahme dieser.73

Beispiel:

Im Sozialbereich muss etwa bei der gewollten Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes für die Widerspruchseinlegung ein konkretes Rechtsproblem erkennbar sein. Ein Anspruch auf grundsätzliche Überprüfung von Bescheiden ohne genaue Anhaltspunkte auf einen Fehler besteht im Rahmen des BerHG nicht. Dies würde die Regelung des BerHG ad absurdum führen.

16Dies gilt auch für die anderen Bereiche, bei denen Beratungshilfe beansprucht werden soll. Sollen jedoch nur Tatsachen ermittelt werden, ist die Beratungshilfe nicht das richtige Instrument.74

Die Erledigung privater Korrespondenz, Übersetzungen oder Erklärungen alltäglicher Vorgänge fallen nicht unter die Beratungshilfe. Ebenso dient Beratungshilfe nicht zur Bewerkstelligung rein wirtschaftlicher oder privater Belange wie etwa die einer Umschuldung,75 solange sich nicht überwiegend Rechtsfragen ergeben.76

Denkbar sind solche Fälle, in denen eine Beratungsperson lediglich wegen seiner Spezialisierung auf einem Fachgebiet konsultiert werden soll, um die eigentlich selbst durchsetzbaren Ansprüche ggfs. besser realisieren zu können.

Die Beratungshilfe dient auch nicht dazu, Fallgestaltungen des Geschäftslebens zu lösen (z. B. Probleme eines selbstständigen Unternehmers über sozialrechtliche Bestimmungen).

17In einfach gelagerten Fällen ist es dem Rechtsuchenden zumutbar, auch ohne anwaltliche Hilfe selbstständig tätig zu werden.77

So stellt die bloße Aushandlung von Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen keine Rechtswahrnehmung dar.78 Der Erfolg von Stundungsgesuchen ist, von besonderen Konstellationen einmal abgesehen, von wirtschaftlichen oder auch sittlich-moralischen Argumenten abhängig, nicht jedoch von rechtlichen Gründen, da der Rechtsuchende insoweit keinen entsprechenden Rechtsanspruch gegenüber der Gegenseite hat (vgl. §§ 241 ff., 270 ff. BGB). Wirtschaftlich denkende Personen, die selbst für die Kosten rechtlicher Beratung aufkommen müssen, würden daher in einer solchen Situation auf anwaltliche Hilfe verzichten und selbst in Verhandlungen mit den Gläubigern eintreten.79

Hinweis:

Die Abgrenzung zu einer nicht vom Beratungshilfegesetz umfassten allgemeinen Beratung fällt in der Praxis oftmals schwer. Es wird daher letztlich auf die objektive Einschätzung abzustellen sein, ob eine allgemeine Erörterung von Rechtsfragen oder aber die Erörterung konkreter rechtlicher Kompetenzen und Möglichkeiten des Rechtsuchenden selbst stattfindet. Dabei versteht sich von selbst, dass „konstruierte“ Rechtsprobleme sowie zwar angesprochene, letztlich jedoch nicht entscheidungserhebliche Rechtsprobleme von der Beratungshilfe nicht erfasst werden können.

Von einem bedürftigen Rechtsuchenden kann daher vom Grundsatz her erwartet werden, dass er den streitigen Sachverhalt zunächst einmal selbstständig aufklärt, bis konkrete Anzeichen für eine Rechtsbeeinträchtigung vorliegen.

Beispiele zur Thematik „allgemeine Lebenshilfe – Abgrenzung Rechtsberatung“ sind unter Rn. 110 aufgelistet.

Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

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