Читать книгу Ich weiß was du getan hast - Stefan Zeh - Страница 10

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Als Kern das Besprechungszimmer betrat, waren neben Kathrin Klein die Kriminalkommissare Oliver Ziegler und Cem Aktürk anwesend. Ziegler, eher schlank und drahtig, war bereits lange Zeit bei der K1, während Cem, ein junger Mann mit schmaler Figur und etwas kleiner als Ziegler, aus der Abteilung für Cyberkriminalität gewechselt war.

Kern nahm auf einem der freien Stühle gegenüber von Kathrin Platz.

„Hier, extra für Sie besorgt“, sagte Kathrin mit einem Zwinkern und schob Kern eine braune Tüte hin.

„Was ist das?“ Kern sah neugierig hinein. Begeistert fischte er einen Schokodonut heraus. „Ok, erst der heiße Kaffee und jetzt noch ein Schokodonut, was haben Sie ausgefressen?“, grinste er Kathrin herausfordernd an. Kern hatte eine Schwäche für Donuts, und Kathrin wusste das. Das letzte Mal, als Kathrin gleich mit einer ganzen Schachtel Donuts ankam, musste sie ihrem Chef beibringen, dass sie zur Befragung eines Zeugen die Bahn nehmen musste, weil sie zum wiederholten Male geblitzt worden und für einen Monat ihren Führerschein los war. Kern war alles andere als amüsiert. Kathrin war eine hervorragende Ermittlerin, nur mit Tempolimits nahm sie es nicht so genau. Ihr war offensichtlich nicht bekannt, dass es sich bei den weißen runden Schildern mit schwarzer Zahl und roter Umrandung nicht um Empfehlungen handelte. Kern wusste, dass Kathrins Vater sie als Kind gerne auf Auto- und Pferderennen mitgenommen hatte und sie daher eine Leidenschaft für alles hatte, was ordentlich Tempo vorwies. Leider ihren Fahrstil mit eingenommen. Auf Polizeieinsätzen, bei denen es um jede Sekunde ging, war Kathrins Tempo von Vorteil. Sie war immer die Erste vor Ort. Obwohl sie sehr schnell fuhr, blieb sie konzentriert und ihre Unfallstatistik war blank, soweit Kern wusste. Außerhalb von Einsätzen war es eher unangenehm bis peinlich, wenn eine Polizistin den Führerschein verlor, weil sie ständig zu schnell fuhr.

„Keine Sorge.“ Kathrin wusste bereits, worauf Kern anspielte.

„So wie ich Sie kenne, haben Sie heute morgen das Frühstück ausgelassen und da wollte ich Ihnen eine Kleinigkeit mitbringen.“

„Vielen Dank. Das ist ausgesprochen aufmerksam, um nicht zu sagen, lebensrettend“, antwortete Kern erleichtert und wandte sich an die gesamte Mannschaft. „Bevor wir uns dann unserem Fall widmen, möchte ich Ihnen unser neues Teammitglied, Cem Aktürk, vorstellen.“ Er nickte diesem zu. „Sie erinnern sich bestimmt, Herr Aktürk hat uns bei unserem letzten Fall unterstützt und vertritt Jürgen Matern, der ab heute in Elternzeit ist.“

Er sah in die Runde. „Gut. Dann die wichtigste Frage zuerst, haben wir schon den Bericht von Freck?“ Dr. Günther Freck war Rechtsmediziner und ein Meister seines Fachs. Er führte schon seit Jahren im Auftrag der Polizei Obduktionen durch und es gab nichts, was ihm entging. Er war extrem genau, sehr gründlich und beeindruckte immer wieder durch sein erstaunliches Fachwissen. Kern persönlich hielt ihn für ziemlich schräg, seit er einmal während einer Obduktion sein mitgebrachtes Gulasch genüsslich verspeiste, während vor ihm eine ausgeweidete Leiche lag.

Dennoch gab es keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten.

„Ich habe vorhin mit Freck telefoniert“, antwortete Kathrin. „Er schickt uns den Bericht, sobald er fertig ist. Dürfte bald soweit sein.“

„Ok.“ Kern nickte. „Bevor wir weitere Schritte unternehmen, müssen wir wissen, ob wir es mit einem Suizid oder einem Mord zu tun haben.“ Kern wartete einen Augenblick. „Wurden die Angehörigen des Opfers informiert?“

„Ja, wir haben Beamte zu den Eltern von Frau Kreuzner geschickt. Außerdem gab es offenbar einen festen Freund, den wir bisher noch nicht erreichen konnten“, kam von Cem.

„Was ergab die Befragung der Nachbarn?“, wandte sich Kern an Ziegler.

„Scheint niemand beobachtet zu haben, ob sie gestoßen wurde oder gesprungen ist“, sagte er kopfschüttelnd. „Allerdings berichteten uns einige Nachbarn, dass es zuvor einen lautstarken Streit zwischen Larissa Kreuzner und ihrem Freund gab.

„Hat dieser Freund einen Namen?“, hakte Kern ungeduldig nach.

„Ja.“ Ziegler blätterte in seinen Unterlagen. „Michael Lehm. Sie sind seit drei oder vier Jahren zusammen und in letzter Zeit gab es immer wieder laute Auseinandersetzungen.“

„Auch körperliche?“

„Das konnten uns die Nachbarn nicht sagen, aber es wurde öfters mal sehr turbulent.“

„Den Namen haben die Eltern auch erwähnt“, warf Cem ein. „Die Mutter von Larissa Kreuzner ist absolut überzeugt, dass dieser Lehm ihre Tochter ermordet hat und sie hält ihn für einen Grobian und Schläger, dem sie alles zutraut.“

„Interessant“, erwiderte Kern. „Aber solange wir noch nicht wissen, ob es überhaupt ein Mord war, sollten wir uns mit voreiligen Schlussfolgerungen zurückhalten. Was haben wir sonst noch über das Opfer?“

„Laut ihren Eltern ist sie 31 Jahre, unterrichtet Deutsch und Englisch am Albrecht-Magnus-Gymnasium in Stuttgart-Sommerrain, wohnt alleine und hatte scheinbar einen guten Draht, sowohl zu ihren Kollegen als auch zu den Schülern“, fasste Kathrin die wichtigsten Informationen zusammen. „Die Beamten haben sich erkundigt, ob Frau Kreuzner irgendwelche Feinde hatte“, ergänzte Cem. „Ihre Mutter nahm das erneut zum Anlass, ihren Freund zu beschuldigen, Larissa das angetan zu haben. Ansonsten konnte sie uns keine Hinweise liefern.“

Kern seufzte hörbar. Eine aufgewühlte Mutter, die schon wusste, wer der Täter war, obwohl es noch offen war, dass es überhaupt einen gab. Das Gespräch mit den Eltern, und vor allem mit der Mutter, dürfte wenig angenehm werden.

„In Ordnung“, sagte Kern. „Wir müssen sowohl mit den Eltern als auch mit ihrem Freund sprechen. Außerdem müssen wir uns an der Schule von Frau Kreuzner umhören und mit dem Rektor reden. Bevor wir uns jetzt aber mit wilden Verschwörungstheorien herum schlagen, warten wir ab, was Freck uns schickt. Was hat die Spurensicherung herausgefunden?“

„Es wurden DNA-Spuren sichergestellt, die von unterschiedlichen Personen stammen. Die Auswertung wird allerdings noch etwas Zeit in Anspruch nehmen“, antwortete Kathrin und widmete sich wieder der vor ihr aufgeschlagenen Mappe.

„Außerdem wurden auf dem Teppich in der Wohnung von Frau Kreuzner mögliche Schleifspuren entdeckt. Es könnte also durchaus sein, dass sie auf den Balkon geschleift wurde“, schlussfolgerte Kathrin. „Sonst wurde nichts Nennenswertes gefunden.“

„Interessante Details“, bemerkte Kern. „Wenn sie tatsächlich über den Teppich geschleift wurde, wäre ein Suizid sehr unwahrscheinlich.“ In diesem Moment öffnete sich die Tür und Frau Spahn, die zierliche Sekretärin, die schon seit Anbeginn der Zeit für die Kripo arbeitete, kam herein.

„Bitte entschuldigen Sie die Störung“, sagte sie höflich. „Das Fax ist gerade reingekommen.“ Sie überreichte Kern das Dokument.

„Vielen Dank.“ Kern nahm das Schreiben zur Hand, während Frau Spahn leise den Raum verließ. „Der Bericht von Freck“, erklärte Kern, während ihn der Rest des Teams gespannt beobachtete. „Alles klar.“ Mit finsterem Gesichtsausdruck reichte er Kathrin den Bericht.

„Wie es aussieht, haben wir einen Mord.“


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