Читать книгу Ich weiß was du getan hast - Stefan Zeh - Страница 20
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ОглавлениеKern glaubte im ersten Moment, sich verhört zu haben. Er hatte irgendwann, während Frau Becks Redeschwall, schon auf Durchzug geschaltet und nicht erwartet, noch irgendeine wichtige Information zu erhalten. Und dann kam das. Frau Kreuzner hatte also tatsächlich eine Affäre. Obwohl er es vermutete, war er überrascht. Der Seitenblick zu Kathrin verriet ihm, dass sie diese neue Entwicklung ebenfalls nicht vorhergesehen hatte.
Außer der Information selbst, konnte ihnen Frau Beck aber kaum etwas über die genannte Affäre erzählen. Weder wusste sie einen Namen, noch sonst irgendetwas, was Aufschluss über seine Identität gab. Die einzige Beschreibung begrenzte sich auf einen jungen Mann, vermutlich etwas jünger als Larissa Kreuzner, vielleicht Mitte/Ende zwanzig. Sie konnte ihnen nur vage Angaben zu den Treffen machen, da sie besagten Liebhaber nur ein oder zweimal gesehen hatte und die Treffen schon länger zurück lagen. Trotzdem rückte die Information die Geschichte in ein völlig anderes Licht.
„Was denken Sie?“, unterbrach Kathrin Kerns Gedankengänge, nachdem sie Frau Beck verabschiedet hatten.
„Wenn wir davon ausgehen, dass die Geschichte mit der Affäre wahr ist, dann frage ich mich, ob Lehm, Larissa Kreuzners Freund, davon wusste.“ Kern legte die Stirn in Falten.
„Das würde zumindest den Streit erklären und warum dieser so eskaliert ist“, meinte Kathrin. „Vielleicht hat Lehm etwas beobachtet oder er hat es im Laufe des Streits erfahren.“
„Ein Freund, der durchdreht, weil er herausfindet, dass seine Freundin einen Liebhaber hat, wäre keine Seltenheit.“ Kern ließ sich ächzend auf seinen Sessel im Büro nieder.
„Ich verstehe nur nicht, warum er erst die Wohnung verlässt und anschließend wieder kommt und sie vom Balkon schmeißt.“ Kathrin wirkte ratlos.
„Ein wenig abwegig kommt mir das auch vor“, stimmte Kern ihr zu. „Aber nicht so seltsam, wie eine zweite, völlig unbekannte Person, die nur wenige Minuten nach Lehm das Haus betritt und Frau Kreuzner umbringt.“ Kern legte eine kurze Pause ein. „Ich glaube, es ist an der Zeit, Lehm ins Präsidium zu holen. Ich bin gespannt, wie er reagiert. Kathrin, geben Sie den Beamten Bescheid, sie sollen ihn herholen.“ Noch ehe Kathrin antworten konnte, klopfte Cem an die Tür. Kern gab ihm ein Zeichen, reinzukommen.
„Es gibt Neuigkeiten“, begrüßte er die beiden Ermittler mit wechselseitigem Blick. „Oliver und ich haben soeben mit Svenja Schwarz, der Freundin von Larissa Kreuzner, gesprochen. Sie hat ausgesagt, dass sich Larissa Kreuzner wegen der ständigen Scherereien von ihrem Freund trennen wollte.“ Er hielt inne und sah Kern an. „Larissa Kreuzner wollte es ihrem Freund beim nächsten Treffen sagen und das Gespräch mit der Freundin war am Samstag, also zwei Tage vor ihrem Tod.“
„Das bedeutet also, sie wollte es ihm an dem Abend sagen, an dem sie ermordet wurde“, schlussfolgerte Kern.
„Ganz genau“, bestätigte Cem.
„Gute Arbeit“, lobte Kern. „Erwähnte sie noch einen anderen Grund, neben den Scherereien?“ Kathrin wusste, worauf er hinauswollte.
„Nein.“ Cem schüttelte den Kopf. „Wieso?“
„Weil wir soeben erfahren haben, dass Larissa Kreuzner eine Affäre hatte“, ließ Kern die Bombe platzen.
„Eine Affäre?“, wiederholte Cem neugierig. „Mit wem?“
„Wissen wir nicht. Hat Larissa Kreuzner ihrer Freundin gegenüber irgendwelche Andeutungen gemacht?“
„Nein. Gesagt hat sie zumindest nichts.“ Cem schüttelte den Kopf.
„Macht nichts, wir finden es heraus“, sagte Kern überzeugt. „Bevor wir jetzt etwas unternehmen, informiere ich Frau Fellbinger über den aktuellen Stand der Ermittlungen, sie wird dann über das weitere Vorgehen entscheiden.“ Damit verschwand Kern aus dem Besprechungsraum. Henriette Fellbinger war die zuständige Staatsanwältin, die den Mordfall bearbeitete. Kathrin ahnte bereits, worauf es hinauslief. Ein klares Motiv und ein eifersüchtiger Freund, der zur Tatzeit am Tatort war. Außerdem Spuren sowie eine Zeugenaussage, die das eindeutig belegten. Für Lehm sah es ganz schlecht aus. Knapp zehn Minuten später bestätigte sich ihre Vermutung.
„Ok.“ Kern betrat wieder das Zimmer. „Frau Fellbinger hat Haftbefehl gegen Michael Lehm erlassen. Kathrin, wir fahren zu Herrn Lehm und nehmen ihn fest. Herr Aktürk, Herr Ziegler“, er wandte sich an die beiden Ermittler. „Trommeln Sie ein paar Beamten für die Hausdurchsuchung zusammen. Wir suchen das Handy und die Handschuhe, die er für die Tat verwendet hat. Finden wir daran DNA des Opfers, haben wir ihn. Also, los geht’s!“