Читать книгу Ich weiß was du getan hast - Stefan Zeh - Страница 15

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Jenny schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf, warf die Handtasche auf den Stuhl und ließ sich erschöpft aufs Sofa fallen.

„Na, wie lief's?“, fragte ihr Mitbewohner Sven Seidel, der gerade aus der Küche kam. Er trug ein ärmelloses Shirt, das seine korpulente, kräftige Figur kaum kaschierte, und zu enge Jeans.

„Ich denke, ganz gut.“ Jenny lehnte ihren Kopf gegen die Lehne. „Anfangs war ich mega nervös, aber am Ende schienen sie mit meinen Antworten sehr zufrieden zu sein und haben versprochen, sich bald zu melden.“

„Hab ich dir doch gesagt.“ Sven ließ sich neben ihr auf das Sofa plumpsen. „Du musst dir gar nicht immer so viele Gedanken vorweg machen, du kommst überzeugend rüber.“

„Danke“, sagte Jenny lächelnd. „Aber noch hab ich den Job nicht.“

„Ich bin zuversichtlich“, erwiderte ihr Mitbewohner schmeichelnd. „Sie wären dumm, würden sie sich für jemand anderes entscheiden.“ Sven konnte Jenny gut ermutigen und aufbauen, von Komplimenten mal ganz abgesehen. Obwohl sie erst seit einigen Monaten Mitbewohner waren, kamen sie prima miteinander zurecht, und Jenny hatte meistens das Gefühl, von Sven verstanden und ernst genommen zu werden. Anfangs befürchtete sie, Sven mache das nur, um bei ihr zu landen, aber wie sich nach und nach herausstellte, hegte er kein Interesse an einer Beziehung und war mit einem freundschaftlichen Verhältnis völlig zufrieden. Die Mietwohnung, die sie sich teilten, lief auf sie beide, und zufälligerweise waren sie vor ein paar Monaten ins Gespräch gekommen, als Jenny mit ihrer Freundin in einer Bar gewesen war. Es stellte sich heraus, dass Sven erst vor kurzem ein online-Inserat aufgegeben hatte, in dem er nach einem Mitbewohner suchte, um sich die abartig hohen Mietkosten in Stuttgart teilen zu können. Jenny horchte sofort auf. Wie erwartet, gab es bereits zahlreiche Interessenten, aber nachdem sie sich eine Zeit lang unterhielten, teilte sie ihm mit, dass sie ebenfalls nach einer Wohnung suche und ob sie infrage käme. Sven schien überrascht, aber keinesfalls abgeneigt. Bereits nach ihrem zweiten Treffen, bei dem Jenny die Wohnung besichtigte, nahm er sie als neue Mitbewohnerin auf und gab ihr den Mietvertrag. Jenny hatte wirklich Glück. Hätte sie ihn nur online angeschrieben, hätte sie vermutlich kaum eine Chance gehabt, und so war sie froh, schnell etwas gefunden zu haben. Außerdem mochte sie Sven, da er sehr viel Interesse an allem, was sie erzählte, zeigte. Manchmal beinahe zu viel, sodass es Jenny fast schon unangenehm war, aber er schien es zu merken, wenn sie zögerte, und hörte auf, zu fragen.

„Was riecht denn hier so gut?“ Jenny schnupperte, als ihr ein angenehmer Duft in die Nase stieg.

„Ich hab uns was gekocht“, erklärte Sven und erhob sich.

„Du hast für uns gekocht?“, fragte Jenny überrascht „Wie komme ich denn zu der Ehre?“ „Vorstellungsgespräche sind anstrengend und ich dachte, wenn du wieder kommst, könntest du bestimmt eine Stärkung gebrauchen!“

„Super!“ Jenny war begeistert. „Ich verhungere gleich. Was gibt’s denn?“

„Spaghetti Bolognese.“ Sven verschwand in der Küche. Herrlich, dachte Jenny. Es gab kaum etwas, mit dem er ihr heute Abend einen größeren Gefallen hätte tun können. Jenny wusste, dass er leidenschaftlicher Hobbykoch war, aber da sie sich nur selten zu Gesicht bekamen, wurde Jenny noch nie bekocht und erwartete es eigentlich auch nicht. Desto größer nun die Vorfreude.

Kurze Zeit später saßen sie beide zusammen am Esstisch, mit einer großen Portion Spaghetti vor sich. „Schmeckt super“, sagte Jenny bereits nach dem ersten Bissen. „Echt nett von dir.“

„Kein Problem“, antwortete Sven achselzuckend. „Für mich alleine wäre es eh zu viel gewesen.“

Jenny legte die Gabel hin und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein. „Für dich auch?“ Sie zeigte auf sein Glas.

„Ja, gern.“ Er stellte es ihr hin. „Was wollten sie denn bei dem Gespräch alles wissen?“ Sven schaute sie interessiert an.

„Erstaunlich wenig vom dem, was ich erwartet habe. Die ganzen Standardfragen, wie, warum bewerben Sie sich gerade bei uns, warum sollten wir gerade Sie nehmen, haben sie komplett übersprungen.“ Jennys Stimme klang überrascht.

„Wahrscheinlich ist das inzwischen schon so abgekaut, dass sie einfach auf andere Fragen umsteigen. Schließlich wollen sie ja ihre Bewerber kennen lernen und keine auswendig gelernten Floskeln hören.“

„Vermutlich“, stimmte Jenny ihm zu. „Naja, jedenfalls wollte der Personalchef wissen, was ich bereits über das Unternehmen weiß.

„Standardfrage“, warf Sven schmunzelnd ein.

„Stimmt“, Jenny musste ebenfalls schmunzeln, „aber bei der konnte ich am ehesten punkten. Der Chef zeigte sich regelrecht beeindruckt und die Abteilungsleiterin war ebenfalls mehr als erstaunt, was ich in Erfahrung gebracht hatte. Dann hat er ein bisschen über das Unternehmen erzählt, über die Mitarbeiter und worauf sie sich spezialisiert haben. Hat ein paar Dinge zu meinem Lebenslauf und den Praktika, die ich gemacht habe, gefragt. Anschließend zu meinen Schulnoten, wollte wissen, ob ich mich noch woanders beworben habe und welche der Bewerbungen mein Favorit ist.“

„Und du hast gesagt, Ihr Unternehmen steht an letzter Stelle.“

„Klar.“ Jenny musste lachen. „Ich glaube, mit der Antwort hätte ich mich selbst aus dem Rennen genommen. Das Gespräch ging vielleicht 30 Minuten oder so, dann hat mich eine andere Mitarbeiterin herum geführt und mir die anderen vorgestellt. Sie schienen alle ganz nett zu sein. Das entspannte Betriebsklima gefiel mir auch.“

„Hört sich ziemlich gut an“, stellte Sven fest. „Und die Bezahlung?“

„Bescheiden“, antwortete Jenny vage, „aber da hab ich bei einer Ausbildung nicht allzu viel erwartet.“

„Finde, gute Arbeit sollte auch gerecht entlohnt werden, und selbst wenn du nur Azubine bist, du leistet ja etwas.“

„Es ist ok, wird ja im Laufe der zwei oder drei Jahre mehr.“

„Na dann.“

„Ich wäre echt happy, wenn sie mich nehmen.“

„Tun sie. Ganz sicher.“ Sven grinste.

Jenny mochte seine Zuversicht. Sie hoffte, er hatte Recht. Von der Bezahlung abgesehen, war es bisher das Vielversprechendste, bei dem sie sich beworben hatte. Sie überlegte kurz, ob sie von ihren Gedankengängen vor dem Gespräch erzählen sollte, beschloss aber, ihn nicht damit zu langweilen.

„Und bei dir? Wie war's im Werk?“

„Alles wie üblich“, antwortete Sven gelassen. „Viel zu tun, aber wir arbeiten die Aufträge schnell ab.“ Sven arbeitete bei Daimler in Untertürkheim in einem der Werke. Was er genau tat, wusste Jenny nicht, da er sich diesbezüglich immer recht bedeckt hielt, fand es aber nicht schlimm. „Schön“, antwortete sie deshalb nur. „Das Essen war echt gut. Bin pappsatt.“ Sie schob den Teller weg.

„Hey, es gibt noch einen Nachtisch. Du kannst jetzt noch nicht schlapp machen“, spielte Sven empört.

„Wow“, entgegnete Jenny beeindruckt. „Kann der noch eine halbe Stunde warten?“

„Ausnahmsweise“, sagte Sven großzügig. „Lass uns schnell die Teller in die Spülmaschine schmeißen, den Rest können wir nachher machen.“

„Einverstanden.“ Jenny stand auf. Sie hatte wirklich Glück, so einen tollen Mitbewohner zu haben.


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