Читать книгу Ich weiß was du getan hast - Stefan Zeh - Страница 23
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Оглавление„Nicht erwartet, uns so schnell wieder zu sehen?“, begrüßte Kern Michael Lehm trocken, als er den Raum betrat. Es war keine Frage. Er war zwar bei der Verhaftung nicht anwesend, konnte sich Lehms impulsive Reaktion aber allzu gut vorstellen. Nach seinem wenig höflichen Benehmen bei ihrem ersten Besuch genoss es Kern beinahe, ihn mit Handschellen im Verhörraum sitzend zu sehen. Er war zuversichtlich, dass der Fall in wenigen Stunden aufgeklärt sein könnte. Wenn es ihnen gelang, ein Geständnis von Lehm zu bekommen, ging es sogar noch schneller. Parallel zu dem Verhör fand die Hausdurchsuchung statt. Kern hatte Cem und Ziegler angewiesen, sich sofort zu melden, wenn sie die vermuteten Handschuhe des Täters oder das verschwundene Handy von Larissa Kreuzner fanden.
Michael Lehm ging auf Kerns Ton nicht ein. Er saß einfach nur da und starrte auf den metallenen Tisch. Kathrin betrat den Raum, reichte Kern die Unterlagen mit den Aussagen und Beweisen und nahm neben Kern Platz.
„Ich denke, die sollten nicht nötig sein“, wies Kern den uniformierten Polizisten in der Ecke mit Blick auf die Handschellen an, woraufhin dieser zu Lehm ging und sie ihm ab nahm. „Danke. Sie können gehen.“
Der Beamte nickte und verließ den Verhörraum.
„So“, fuhr Kern fort und schlug die Mappe auf, die Kathrin ihm gegeben hatte. „Kommen wir nochmal zu dem Streit.“ Er sah Lehm kühl an. „Worum genau ging es?“
„Das habe ich Ihnen doch schon beantwortet“, presste Lehm zähneknirschend hervor.
„Wir würden es gerne nochmal hören.“ Er blickte Lehm erwartungsvoll an.
Lehm seufzte. „Es ging darum, dass mich Larissa ständig versetzte, dass sie absagte, nicht erschien, sich nicht einmal meldete. Was soll das alles hier?“, wechselte er das Thema. „Sie schicken Ihre Kollegen, die halten mir irgendeinen Haftbefehl mitsamt Durchsuchungsbeschluss unter die Nase und nun sitze ich hier fest, während meine Wohnung auf den Kopf gestellt wird. Ich habe meine Freundin nicht ermordet! Das könnte ich nie!“ Lehm war gegen Ende deutlich energischer geworden. Ihm war anzumerken, dass er das Verhalten der Polizei für ungerechtfertigt hielt und nicht verstand, warum er verdächtigt wurde. Trotzdem wirkte er wesentlich beherrschter als bei ihrem letzten Besuch.
„Der Sachverhalt stellt sich für uns im Moment etwas anders dar“, entgegnete Kern sachlich. „Deswegen schlage ich vor, Sie beantworten der Reihe nach unsere Fragen und dann sehen wir, was sich ergibt.“ Er legte eine kurze Pause ein. Lehm reagierte nicht.
„Also, nochmal zurück zu dem Streit. Ich bin sicher, Ihnen war klar, dass es Gründe für Frau Kreuzners ständige Absagen geben musste.“ Kern und Kathrin beobachteten ihn genau.
„Ja, natürlich. Aber worauf wollen Sie hinaus?“
„Was vermuteten Sie denn hinsichtlich der Gründe?“, umging Kathrin seine letzte Frage.
„Was weiß ich“, antwortete Lehm genervt. „Viel Stress auf der Arbeit, viele Termine. Ich weiß es nicht genau.“ Das Offensichtliche sprach Lehm nicht an. Entweder er wusste es tatsächlich nicht, oder er stellte sich absichtlich dumm.
„Ihre Freundin hatte eine Affäre“, brachte es Kathrin auf den Punkt.
„Was?“ Lehm sah verblüfft auf.
„Larissa Kreuzner hatte eine Affäre und wollte sich von Ihnen trennen.“ Lehm wirkte immer noch völlig perplex.
„Das kann gar nicht sein“, leugnete er. „Wenn sie mir es an dem Abend hätte sagen wollen, dann bestimmt nicht im Kino. Sie ist ja erst gar nicht erschienen und hat sich nicht mal gemeldet. Ein Gespräch kam überhaupt nur zustande, weil ich zu ihr gefahren bin.“
„Warum genau Larissa Kreuzner an dem Abend nicht erschien, wissen wir nicht“, meinte Kern. „Es kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht wollte sie einfach an dem Abend nicht ins Kino oder brauchte noch Bedenkzeit. Aber auf jeden Fall wollte sie die Beziehung beenden.“
„Unsinn!“, reagierte Lehm trotzig. „Wir hatten in letzter Zeit unsere Differenzen, aber wir waren glücklich. Wer soll denn ihre besagte Affäre sein?“
Kern ignorierte die Frage, beugte sich zu Lehm vor und sah ihn durchdringend an. „Sie geben hier den Ahnungslosen, der eine glückliche Beziehung führte und an dem Abend nur einen ganz normalen Streit hatte?“ Kern hob die Worte besonders hervor. „Dabei schien es Sie bei unserem Besuch nicht mal zu irritieren oder gar zu schockieren, dass Ihre, angeblich so glückliche, Beziehung tot im Leichenschauhaus liegt.“ Kern und Kathrin beobachteten Lehms Reaktion.
„Das stimmt nicht“, widersprach Lehm, offenbar verunsichert über die Interpretation seiner Reaktion auf Larissas Tod.
„Ach nein?“ Kern sah ihn skeptisch an. „Sie waren der Letzte, der Larissa Kreuzner lebend gesehen hat. Sie waren der Letzte in ihrer Wohnung und Sie hatten einen Streit, der so eskalierte, dass es die halbe Nachbarschaft mitbekam. Ich sage Ihnen, was passiert ist.“ Kern lehnte sich ein Stück zurück, aber ohne Lehm aus den Augen zu lassen. „Larissa Kreuzner hatte die Nase voll von Ihnen. Sie hatte keine Lust mehr auf Ihre Wutanfälle, Ihre ständigen Vorhaltungen und die ständigen Diskussionen. Deswegen hat sie Ihnen klipp und klar gesagt - Kern haute mit der Faust auf den Tisch - dass sie nicht länger mit Ihnen zusammen sein will und die Beziehung beendet!“
„Wieso...?“
Kern ließ sich nicht beirren. „Das gefiel Ihnen natürlich ganz und gar nicht. Sie sind ausgerastet. Haben ihr vor lauter Wut eine reingehauen. Aber Larissa Kreuzner benahm sich nicht wie ein verängstigtes kleines Mädchen, sondern ließ gleich die nächste Bombe platzen. Sie erzählte Ihnen von der Affäre. Nicht wahr?“ Kern spekulierte. In Wirklichkeit hatte er keine Ahnung, wie sich die Szene abgespielt und wann Larissa Kreuzner was gesagt hatte. Aber er musste Lehm in die Enge treiben, nur dann hatte er die Chance, vielleicht die Wahrheit herauszubekommen.
„Wie hat Sie es Ihnen gesagt?“ Er provozierte Lehm bewusst. „War sie erleichtert, endlich jemand besseres gefunden zu haben und sich nicht mehr mit Ihnen abgeben zu müssen? War sie froh, jemand gefunden zu haben, mit dem sie normal reden konnte, und dem nicht die Hand ausrutschte?“ Kern wartete keine Antwort ab. „Und da ging es vollends mit Ihnen durch. Sie schlugen sie k.o. und warfen sie vom Balkon. War es nicht so?“
Lehm sah ihn entsetzt an. Er schien einige Momente zu benötigen, um die Anschuldigungen zu verkraften. „Sie irren sich“, antwortete er schließlich, sichtlich bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. „Ich habe meine Freundin nicht ermordet. Ich habe sie nicht geschlagen und ich wusste auch nichts von der Affäre. Wann immer sie mir von der Trennung erzählen wollte, sie tat es nicht an jenem Abend. Und ja, möglicherweise habe ich etwas geahnt, unterschwellig. Aber eigentlich dachte ich, wir sind ehrlich zueinander und sie würde mir erzählen, wenn die Sache für sie vorbei war.“
Kern und Kathrin sahen sich erstaunt an. Lehms Darstellung klang, entgegen aller Erwartungen, aufrichtig, und vor allem im letzten Part war seine Trauer deutlich spürbar.
„Aber sie war nicht ehrlich“, sagte Kathrin. „Weder, was ihre weitere Beziehung anging, noch dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gab.“
„Nein“, antwortete Lehm leise.
„Und das machte Sie nicht wütend?“
„Ich wusste doch nichts davon! Klar macht es mich jetzt wütend. Aber ich bin kein Mörder. Ich möchte selbst wissen, wer Larissa das angetan hat, aber ich versichere Ihnen“ - er sah Kern beinahe flehentlich an - „Sie haben den Falschen!“
„Sie bleiben also dabei, dass sie Larissa Kreuzner nicht getötet haben?“ Er durchbohrte Lehm fast mit seinen Blicken.
„Ja“, antwortete Lehm niedergedrückt, aber mit fester Stimme.
„Und Sie haben sie auch nicht geschlagen?“
Lehm bejahte abermals.
„Nun gut“, Kern holte tief Luft und sah zu Kathrin. „Wir führen Sie morgen dem Untersuchungsrichter vor, der über eine Verlängerung oder eine Aufhebung Ihrer Haft entscheidet. Bis dahin haben wir auch die Ergebnisse der Hausdurchsuchung. Sollte sich irgendein neuer Sachverhalt ergeben, informieren wir Sie.“
„Ok.“ Lehm war anzusehen, dass er gehofft hatte, die Kommissare von seiner Unschuld überzeugen zu können, sich nun aber dennoch mit der Untersuchungshaft abfinden musste.
„Herr Metz?“, rief Kern den uniformierten Beamten wieder herein. „Wir sind hier fertig. Bitte bringen Sie Herrn Lehm in die JVA*.