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Der römische Garten von Lawrence Alma-Tadema

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Auf den ersten Blick schon ist erkennbar, dass die Bepflanzung auf dem Bild viel zur Atmosphäre und heiteren Stimmung des Innenhofs beiträgt. Die Mohnblumen auf dem Beet in der Bildmitte und die Sonnenblumen an der Mauer verleihen dem Bild eine warme Atmosphäre. Die über die Säulen rankenden Weinstöcke lassen den hinteren Teil des Gartens in einem sonnengesprenkelten Halbschatten erscheinen. Am linken Bildrand wachsen stachelige Blätter und kleine Blüten in die Höhe. Ein paar gelbe Blumen haben sich an den Rand des Mohnblumenbeets verirrt, das von einer exakt geschnittenen Rasenkante abgeschlossen wird. Palmwedel vor dem Springbrunnen vervollständigen die Pflanzenauswahl. Der Maler vermittelt die entspannte Atmos phäre eines späten Nachmittags unter südlicher Sonne. So könnte er also ausgesehen haben, der Innenhof eines römischen Hauses.

Dass Gärten für die Römer und für die Bewohner Pompejis eine wichtige Rolle spielten, wusste Alma-Tadema aus der Lektüre der lateinischen Klassiker. Der ältere und der jüngere Plinius, Cato, Varro, Horaz, sie alle haben über die Schönheit und Pracht der antiken Gartenanlagen geschrieben. Und natürlich kannte Alma-Tadema auch Edward Bulwer-Lyttons (1803–1873) be rühm ten Roman „The Last Days of Pompeii“, in dem das Schicksal der Bewohner Pompejis vor und während des Vesuvausbruchs im Sommer des Jahres 79 n.Chr. geschildert wird. 1834 hatte sich der Autor von den Funden der verschütteten Städte am Golf von Neapel zu einer Geschichte inspirieren lassen, die bis heute in der Beschäftigung mit den antiken Stätten nachwirkt und die auch einigen Bildern Alma-Tademas zugrunde liegt. Autor wie Maler haben versucht, die antiken Ruinen mit Geschichten lebendig und für Leser und Betrachter erfahrbar zu machen.

Als begeisterter Amateurhistoriker vermehrte Alma-Tadema seine archäologischen Kenntnisse auf Reisen zu den antiken Stätten und bei Besuchen archäologischer Sammlungen. In seiner Referenzbibliothek hütete er dicke Mappen mit Vergleichsabbildungen, Skizzen und Fotografien. Beinahe jedes Detail auf seinen Gemälden rekonstruierte er nach Museumsstücken oder nach archäologischen Ausgrabungen. Dennoch irritieren bei genauerer Betrachtung einige Kleinigkeiten auf diesem detailgetreuen Bild: Sonnenblumen (Helianthus annuus) etwa, waren in der viktorianischen Ära nicht nur in England allgegenwärtig. Oscar Wilde trug sie im Knopfloch, die französischen Impressionisten malten sie auf ihre Bilder. Gärtner in ganz Europa tauschten Samen und Sorten und füllten ihre Gärten mit immer neuen Varianten und Arten. Jedoch: die Römer kannten die schöne Pflanze noch nicht.

Sonnenblumen stammen aus Südamerika. Erst die Spanier brachten sie im 16. Jahrhundert mit nach Europa.

Bei den kleinen Palmen am Brunnen müsste es sich – wenn man es gartenhistorisch ganz genau nimmt – um die Zwergpalme (Chamaerops humilis) handeln, die einzige europäische Palmenart, die bis heute in Italien auch wild wächst. In viktorianischer Zeit war diese Art mit einigen ähnlich aussehenden tropischen Verwandten in den Wintergärten und Wohnzimmern verbreitet. Auch die Kombination von Palmen und Zimmerspringbrunnen kennen wir aus Interieur-Darstellungen des 19. Jahrhunderts. Alma-Tademas dekorative Zusammenstellung von Palmwedeln mit plätscherndem Brunnen dürfte daher wohl vor allem die Wohnungseinrichtungen seiner Zeitgenossen spiegeln und die damit verbundene Sehnsucht nach südlichen Ländern. Als Gartenpflanzen der römischen Antike sind Zwergpalmen nicht gesichert. Da mals wurden – wie wir noch sehen werden – als einzige Palmenart in den Gärten Dattelpalmen (Phoenix dactylifera) gepflegt.

Auch der Mohn war im 19. Jahrhundert eine beliebte Gartenpflanze. Aus den bekannten Arten hatten Spezialisten zahlreiche Sorten gezüchtet, die in der Malerei häufig aufgegriffen wurden. Mohn blumen sind auf den Landschaftsbildern der Impressionisten ebenso zu finden wie auf den Werken der englischen Präraphaeliten und der symbolistischen Maler. Sie alle waren fasziniert von der Farbenpracht und Schönheit seiner Blüten und von den vielfältigen mythologischen Bedeutungen. Der Schlafmohn (Papaver somniferum) ist eine der ältesten Kulturpflanzen und wurde seit jeher als nährendes, heilendes, schmerzlinderndes und narkotisches Gewächs in Gärten angebaut und als Pflanze der Götter verehrt. Die Römer schätzten den Schlafmohn auch als Zierpflanze, wie wir von Wandmalereien wissen. Doch ein großes Beet mit nur kurz blühendem Schlafmohn im Zentrum eines römischen Gartenhofs? Diese Idee zur Gartengestaltung ist höchstwahrscheinlich der Phantasie des Künstlers entsprungen. Archäologische oder literarische Quellen für das Motiv gibt es nicht. Vielleicht spielen die Blüten und Kapseln des Schlafmohns auf den Tagtraum des Malers von der eigenen glücklichen Familie in römischem Kostüm an, vielleicht auch auf den Beruf des Bildbesitzers, der ja Arzt war. Oder sie sind eine scherzhafte Anspielung auf die Mohnblumenbilder der französischen Malerkollegen.


Schlafmohn (Papaver somniferum)

Von den kleinen gelben Blumen am Rande des Mohnbeets, die Margeriten, Chrysanthemen oder Kamillen gleichen, wissen wir hingegen, dass die Römer sie als Nutz- und Zierpflanzen schätzten. Dies gilt auch für die stachelige Pflanze am linken Bildrand, den Akanthus.

Akanthus und Zitronen

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