Читать книгу Akanthus und Zitronen - Stephanie Hauschild - Страница 22
Welche Antike?
ОглавлениеDoch auch die Römer haben in ihren Gärten zahlreiche Gewächse aus anderen Ländern aufgenommen: Platanen, Zitronen, Dattelpalmen, Pflaumen und Kirschen waren keine ursprünglich in Italien heimischen Gewächse, sondern kamen aus allen Gegenden des Weltreichs nach Rom. Die Römer hegten Gärten ungefähr vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. Gärten nach römischer Art wurden in Rom und im übrigen Italien angelegt, in den eroberten Territorien und Provinzen in Nordafrika, Kleinasien, auf der iberischen Halbinsel, jenseits der Alpen in Gallien, Germanien und in Britannien. Klima und der Zugang zu frischem Wasser formten das Aussehen der Gärten ebenso wie die zur Verfügung stehenden Pflanzen oder die Ansprüche der Besitzer. Der Gemüsegarten, den Cato zur Zeit der Römischen Republik beschreibt, erfüllte andere Funktionen als der prächtige Villengarten der Kaiserzeit, den Plinius d. J. in seinen Briefen schildert. Die üppigen Gartenbilder der römischen Wandmalerei präsentieren andere Vorstellungen vom römischen Garten als archäologische Befunde. In Häusern, die über viele Generationen hinweg bewohnt wurden, änderten sich im Verlauf der Zeit Funktion und Pflanz konzepte. Immer haben die Nutzer ihre Gärten den Lebensumständen angepasst. Die Gärten der Römer hatten viele Formen, Größen und Stile. Den ‚römischen Garten‘ gibt es nicht, genauso wenig wie es den „mittelalterlichen Garten“ oder den „Barockgarten“ gibt. Römische Gärten wurden von den Umständen geprägt, unter denen sie entstanden, und waren der Funktion der Gebäude angepasst, zu denen sie gehörten.
So mögen auch Pflanzen, die in Borg angebaut wurden und die im Saar-Moselraum verbreitet waren, in Italien vielleicht auf wenig Interesse gestoßen oder gar nicht gewachsen sein. Lorbeer und Granatäpfel wiederum dürften es in Borg im Winter schwer gehabt haben. Und ob Mittelmeergewächse überall in Britannien gediehen, darf ernsthaft bezweifelt werden. Pfirsiche, Pflaumen und Kirschen kamen erst im Verlauf des Kaiserreichs nach Rom und verbreiteten sich von dort aus in Europa. Die Sorten, die man damals pflegte, gibt es heute nicht mehr. Die Pflanzen tragen zwar noch die alten Namen, doch es bleibt fraglich, ob die Römer Pfirsiche und Äpfel gegessen haben, wie wir sie heute kennen, denn Pflanzenzüchtungen sind kurzlebig. Neue Sorten entstehen, alte kommen aus der Mode und werden vergessen. Die Kohl- und Feigensorten, die Columella nennt, sind heute verloren. Die meisten vermeintlich alten Züchtungen, seien es Gemüse, Obstsorten oder auch Rosen, die wir in den Fachkatalogen oder botanischen Gärten bestaunen, stellen sich bei genauerer Recherche als höchs tens 200 bis 300 Jahre alt heraus.
Für die Auswahl der Gewächse im heutigen Gemüse- und Obstgarten in Borg gibt es vor allem praktische Gründe: Verfüg bar keit, Geschmack, Anpassung an Boden und Klima und Pflegeaufwand dürften bei der Auswahl der Sorten eine Rolle gespielt haben. Welche Pflanzen dort wirklich vor 2000 Jahren gepflegt wurden und wie die Gärten einmal ausgesehen haben, wissen wir nicht, denn man hat auf dem Ausgrabungsgelände keinerlei Spuren der ursprünglichen Gärten gefunden. Die Gartenanlagen des Archäologieparks reflektieren, ebenso wie der Peristylgarten des Pompejanums oder Alma-Tademas Gemälde, Texte antiker Autoren und archäologische Erkenntnisse, die man auf die Situation der Villa übertragen hat. Die römischen Gärten in Borg geben einen Eindruck der damals genutzten Pflanzenvielfalt, vermitteln etwas von der besonderen Gartenatmosphäre und formen das ungefähre Aussehen der antiken Anlagen nach.