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2.1.2 Defizite bei Perspektivübernahme und Empathie

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Menschen sind soziale Wesen. Um gut zu funktionieren, müssen sie einander verstehen, sich um andere kümmern und sich in andere hineinversetzen können. Diese Fertigkeiten sind hauptsächlich, aber nicht ausschließlich symbolischer Natur. Die Fähigkeit, die Perspektive eines anderen einzunehmen, hat in der verhaltenswissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Bezeichnungen. Die bekannteste dürfte der Begriff »Theory of Mind« sein.

Defizite in der Perspektivübernahme und in den Theory of Mind (ToM) Fertigkeiten bringen enorme Schwierigkeiten mit sich. Kindern mit schwach ausgeprägten Fertigkeiten in diesem Bereich fällt es schwer, die Motive und das Verhalten anderer zu verstehen. Sie haben Schwierigkeiten Menschen in ihrem zwischenmenschlichen Umfeld einzuschätzen, aus Geschichten und Parabeln zu lernen oder Freude an Beziehungen zu anderen Menschen zu empfinden.

Die Perspektive eines anderen Menschen einzunehmen, ist nach Ansicht der RFT ein relationales Verhalten. Es gründet auf der Fähigkeit zur Perspektivübernahme und wird durch kontextuelle Hinweisreize wie beispielsweise Ich – Du (interpersonell), hier – dort (räumlich) und jetzt – damals (temporal) gesteuert (ausführliche Informationen hierzu finden sich bei McHugh & Stewart, 2012). Diese Reaktionen werden deiktische Bezugnahme genannt, weil sie durch Zeigen vermittelt werden (abgeleitet von altgriechisch δείκνυμι = zeige). Ein Stift ist hier und ein Behälter dort. Gehe ich zum Behälter, dann ist der Behälter hier und der Stift dort. Wenn Kinder deiktisch-relationale Verhaltensweisen lernen, müssen sie verstehen, dass sie nur von einem bestimmten Standpunkt aus Sinn ergeben. Die RFT vertritt den Standpunkt, dass deiktische Bezugnahme im Rahmen der kindlichen Entwicklung zunimmt (McHugh et al., 2004), aber auch, dass sie gezielt trainiert werden kann. Es liegen erste Ergebnisse dazu vor, dass ein Training die Fähigkeit zur Perspektivübernahme und die erfolgreiche Anwendung von Theory of Mind Skills verändern kann (Weil et al., 2011).

Die Fähigkeit der Perspektivübernahme ist Voraussetzung dafür, Empathie zu empfinden (Vilardaga, Estévez, Levin & Hayes, 2012). Empathie ist die Veränderung des menschlichen Erlebens und Verhaltens, die entsteht, wenn ein Mensch sich in das Erleben einer anderen Person hineinversetzt, also zu einem gewissen Grad in der Lage ist, den Standpunkt einer anderen Person zu teilen. In Begriffen der RFT ausgedrückt, ist die Fähigkeit, sich in die Gefühle eines anderen hineinzuversetzen, eine Transformation von Funktionen. Sie beruht auf der Fähigkeit, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ohne Perspektivübernahme und Empathie sind Menschen von der interpersonellen Umwelt isoliert. Sie sind nicht in der Lage, mit anderen in Kontakt zu treten oder etwas für sie zu empfinden. Defizite in diesen Fertigkeiten führen zu ernsten Problemen, wie einer gestörten Selbstwahrnehmung bei Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (Rehfeldt, Dillen, Ziomek & Kowalchuk, 2007), mit fehlender Freude an interpersonellen Kontakten (wie bei schizoider Persönlichkeitsstörung) (Villatte, Monestès, McHugh, Freixa i Baqué & Loas, 2008), oder mit Schizophrenie (Villatte, Monestès, McHugh, Freixa i Baqué & Loas, 2010a, 2010b). Um Gemeinsamkeit mit anderen genießen zu können, sind einige Voraussetzungen notwendig. Menschen brauchen ausreichende Fertigkeiten zur deiktischen Bezugnahme, um die Welt mit den Augen eines anderen betrachten zu können. Sie müssen den Emotionen anderer mit Empathie begegnen und dazu bereit sein, diese Emotionen selbst zu fühlen. Die Kombination dieser drei Fertigkeiten ist die wesentliche kognitive Grundlage (Vilardaga et al., 2012) für zwischenmenschliche Fürsorge. Sie untergräbt die Tendenz, andere als Objekte zu behandeln und zu entmenschlichen (Levin et al. 2015).

Sprache als psychotherapeutische Intervention

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