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Was ist ein Lehrer?
ОглавлениеViele von uns sind entzückt von der Vorstellung, unsere Söhne und Töchter seien von den Göttern ernannte Lehrer, die uns bei der Transformation unserer Herzen und Seelen helfen. Doch während der Vorstellung, unsere Kinder gehörten zu unseren Lehrern, eine poetische, erleuchtete Note anhaftet, bleibt doch ein Unterschied zwischen der Akzeptanz einer Vorstellung und dem tatsächlichen Annehmen der Realität.
Gewiss erwecken unsere Kinder eine Liebe in uns, die wir zuvor nicht für möglich gehalten haben. Doch ebenso können sie sehr mächtige Aspekte unserer Schattenseiten ans Licht bringen; die dunklen Seiten unseres Wesens, wie Ungeduld und Intoleranz, für die wir uns schämen und derer wir uns nicht erwehren können.
Das Gleichgewicht zu halten, ist der Schlüssel für ein Leben im gegenwärtigen Moment. Doch nichts stellt unsere Fähigkeit, in unserer Mitte zu bleiben, so sehr auf den Prüfstand, wie die Elternschaft. Kinder großzuziehen kann manchmal alles andere als friedvoll sein, denken wir nur an Geschwisterstreitigkeiten, Wutausbrüche beim Hausaufgabenmachen oder Diskussionen über Videospiele, die wohl Bestandteil eines jeden Familienlebens sind. Seelenvolle Prinzipien und die Wirklichkeit des Alltags mit unseren Kindern prallen schnell aufeinander. Da ertappen sich selbst in Meditation und Yoga erfahrenste Eltern beim Schreien, Drohen, Bestechen oder Bestrafen, obwohl sie sich doch fest vorgenommen hatten, stets liebevoll und ruhig zu bleiben, komme, was da wolle.
Es gibt ein Sprichwort: Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Lehrer. Ich habe schon vor langer Zeit festgestellt, dass sich immer dann, wenn ich bereit bin, meinen Horizont intellektuell, psychologisch oder spirituell zu erweitern, eine Gelegenheit bietet, die mir scheinbar der Himmel geschickt hat, damit ich mich strecken, wachsen und lernen kann. Nur dass ich mich gar nicht immer strecken, wachsen und lernen will! Das fühlt sich dann an, als müsste ich an einem Kurs teilnehmen, den ich gar nicht belegt habe!
Was nun die Elternschaft angeht, so müssen wir feststellen, dass wir, auch wenn wir uns gar nicht wissentlich für den „Kurs“, den unsere Kinder uns anbieten, eingeschrieben haben, dennoch dazu gezwungen sind (dazu „eingeladen?“, „uns die Gelegenheit gegeben wird“?), ganz grundlegend zu wachsen und erwachsen zu werden. Insofern glaube ich, dass unsere Kinder tatsächlich unsere größten Lehrer sein können. Wir mögen uns vielleicht nicht freiwillig dazu entschlossen haben, ein Baby zu bekommen, damit die Wunden aus unserer Kindheit heilen oder wir uns zu einer besseren Version unserer selbst entwickeln können, doch die Gelegenheiten dazu – und noch tausende weitere – werden zusammen mit unseren Kindern geboren.
Vielleicht werden wir mit unserer Ungeduld konfrontiert und gelehrt, langsamer zu gehen, wenn unser Kind bei jeder Blume auf dem Gehweg anhalten und daran schnuppern möchte. Oder wir gewinnen an seelischer Kraft, während wir die Alpträume unserer Kinder überleben und dabei entdecken, dass wir auch nach einer ganzen Reihe schlafloser Nächte noch halbwegs freundlich und liebevoll sein können.
Ebenso wichtig ist die Art unserer Kinder, uns bei der Verarbeitung unerledigter Angelegenheiten zu helfen. Vielleicht erkennen wir in dem Versuch unserer Kinder, sich um die Hausaufgaben zu drücken, ein paar weniger wünschenswerte Aspekte unserer selbst und bemerken – so wir denn dazu bereit sind –, dass auch wir ein paar unangenehme Pflichten vor uns herschieben. Oder wir haben das Gefühl, man hielte uns einen Spiegel vor, wenn unser leicht zu erregendes Kind immer dann einen Wutausbruch bekommt, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft. Da sehen wir uns nun live und in Farbe und durchleben Momente aus unserer Vergangenheit (möglicherweise noch vom selben Morgen!), in denen wir selbst bockig wurden, weil es nicht so lief, wie wir es gern wollten.
Manchmal erteilen uns unsere Kinder auch ganz sanfte und anrührende Lektionen; unsere Kleinen vertiefen unsere Fähigkeit, mehr Liebe und Glück zu empfangen und zu schenken, als wir je für möglich gehalten hätten. Doch oft fordern gewisse Aspekte des Charakters unserer Kinder uns bis zum Letzten. Wir projizieren unsere eigenen Bedürfnisse auf unsere Kinder mit dem Gefühl, von früh bis spät im Kriegsmodus zu agieren, wenn es uns nicht gelingt, ihnen ein Verhalten abzuringen, das es uns erlaubt, unsere eigenen Ängste zu unterdrücken. Am Ende des Tages fallen wir erschöpft ins Bett und fürchten uns schon vor dem nächsten Morgen, wenn wir wieder aufstehen und das Ganze von vorn durchmachen müssen.
Eine Art, die mir dabei hilft, Menschen, die mich herausfordern, als wichtigen Katalysator für meine Weiterentwicklung zu betrachten, ist es, mir uns beide in einem nicht inkarnierten Zustand vorzustellen – als körperlose Seelen, die nichts als reine, grenzenlose Liebe füreinander empfinden. (Das ist nur ein Bild; Sie müssen nicht an die Reinkarnation glauben, um davon zu profitieren. Machen Sie einfach kurz mit und schauen Sie, ob Ihnen dieses Bild hilft.)
Ich stelle mir vor, wie wir beide ein Gespräch führen (wie auch immer zwei körperlose Wesen miteinander kommunizieren mögen), in dem es darum geht, was wir in unserem nächsten Leben gern lernen würden. „Ich möchte mehr Geduld lernen“, sagt einer von uns. „Und ich möchte meine Fähigkeit, Liebe und Fürsorge anzunehmen, vertiefen“, sagt unser Seelenfreund. „Was hältst du davon: Ich komme als dein behindertes Kind zurück. So kann ich lernen, vollkommener zu lieben, und du hast Gelegenheit, dich in Geduld zu üben.“ „Abgemacht!“ Und so nimmt etwas seinen Lauf, was Caroline Myss, Dozentin und Hellsichtige, als heiliges Abkommen bezeichnet, eine Übereinkunft, die wir mit bedeutenden Menschen in unserem Leben geschlossen haben und die für genau die richtigen Umstände sorgt, die es uns ermöglichen, mehr und mehr zu dem zu werden, was uns zu sein bestimmt ist.
Jedes unserer Kinder bietet uns zahlreiche Gelegenheiten, uns den dunklen, verstaubten Ecken unseres Geistes und unseres Herzens zu stellen, und erschafft so genau die richtigen Bedingungen, damit wir lernen, uns von alten Paradigmen zu lösen, und ein viel weiteres und erfüllteres Leben führen zu können.
Jedes unserer Kinder bietet uns zahlreiche Gelegenheiten, uns den dunklen, verstaubten Ecken unseres Geistes und unseres Herzens zu stellen, und erschafft so genau die richtigen Bedingungen, damit wir lernen, uns von alten Paradigmen zu lösen, und ein viel weiteres und erfüllteres Leben führen zu können. Es folgt die Geschichte einer solchen Dynamik zwischen einer Mutter und ihrer Tochter.