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Vorwort

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Bevor wir Auto fahren dürfen, müssen wir sowohl eine theoretische als auch eine praktische Prüfung bestehen, damit sichergestellt ist, dass wir weder für uns selbst noch für andere eine Gefahr darstellen. Für alle erdenklichen Jobs, außer vielleicht für die allereinfachsten, müssen wir bestimmte Qualifikationen nachweisen, für komplexere Berufe sogar eine jahrelange Ausbildung oder ein Studium. Doch für eine der aufreibendsten und wichtigsten Aufgaben, die es gibt – die Kindererziehung –, brauchen wir keinerlei Qualifikationen.

„Die Elternschaft ist das letzte große Ressort der Amateure“, schrieb der Autor Alvin Toffler. Dieser Mangel an Wissen oder Bildung ist einer der Gründe (wenn auch nicht der Hauptgrund, wie wir noch feststellen werden) für die Schwierigkeiten vieler Eltern. Diese Eltern versäumen es nicht unbedingt, für das physische und materielle Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Tatsächlich lieben sie ihre Kinder wahrscheinlich sehr und wollen nur das Beste für sie. Und doch haben sie keine Ahnung, wie sie mit den Herausforderungen, die ihnen ihre Kinder fast täglich stellen, umgehen oder wie sie angemessen auf die emotionalen, psychologischen und spirituellen Bedürfnisse der Heranwachsenden reagieren sollen.

Während Kindererziehung in der Vergangenheit vor allem autoritär gehandhabt wurde, versäumen es viele Eltern in unserer modernen Gesellschaft, dem Kind die klare Führung zu geben, nach der es sich so verzweifelt sehnt und die es dringend braucht. Oft herrscht in der heimischen Umgebung völlige Strukturlosigkeit, wie bei einem führerlosen Schiff, das ohne Kapitän auf dem Meer treibt. Die Eltern erkennen nicht, dass sie für ihr Kind, wie Susan Stiffelman es so treffend formuliert, der „Kapitän des Schiffes“ sein müssen. Und das bedeutet mitnichten, dass wir zu den autoritären Erziehungsmethoden vergangener Zeiten zurückkehren sollten. Vielmehr geht es darum, die Balance zu finden, den Mittelweg zwischen exzessiver und gar keiner Struktur.

Doch letztendlich ist der tiefere Grund für die Probleme im Familienleben nicht im elterlichen Mangel an Wissen oder Bildung zu suchen, sondern im Mangel an Bewusstsein. Wo es keine bewussten Eltern gibt, kann auch keine bewusste Elternschaft stattfinden! Bewusste Eltern sind in der Lage, sich in ihrem Alltag immer ein gewisses Maß an Bewusstheit zu bewahren, auch wenn sich kleine Fehltritte meistens nicht vermeiden lassen. Bist du nicht bewusst (oder mit anderen Worten achtsam oder gegenwärtig), ist die Beziehung zu deinem Kind wie auch zu jedem anderen Menschen von deinen geistigen Konditionierungen geprägt. Deine mentalen/emotionalen Reaktionsmuster, deine Überzeugungen und unbewussten Annahmen, die du von deinen Eltern und der kulturellen Umgebung, in der du aufgewachsen bist, übernommen hast, haben dich dann fest im Griff.

Viele dieser Muster reichen über unzählige Generationen in die Vergangenheit zurück. Doch wenn du bewusst – oder, wie ich es lieber nenne, gegenwärtig – bist, wirst du deiner mentalen und emotionalen Verhaltensmuster gewahr. Dann beginnst du zu verstehen, dass du die Wahl hast, wie du auf deine Kinder eingehen willst, anstatt blind aus alten Mustern heraus zu reagieren. Und was noch viel wichtiger ist: Du wirst diese Muster dann nicht mehr an deine Kinder weitergeben.

Ohne Gegenwärtigkeit kannst du dich nur über deinen denkenden Verstand und deine Emotionen mit deinem Kind verbinden, nicht aber über die tiefere Ebene des Seins. Selbst wenn du das Richtige tust, fehlt dir doch immer noch die wichtigste Zutat für die Beziehung zu deinem Kind: die Dimension des Seins, das Reich der Spiritualität. Die tiefere Verbindung ist dann schlichtweg nicht da.

Das Kind spürt intuitiv, dass etwas elementar Wichtiges in seiner Beziehung zu dir fehlt, dass du nie wirklich präsent, nie wirklich da bist, sondern immer nur im Verstand. Das Kind wird dann unbewusst annehmen oder vielmehr spüren, dass du ihm etwas Wichtiges vorenthältst. Dadurch beginnt ein unbewusster Zorn oder Groll in ihm zu wachsen, der sich auf sehr unterschiedliche Weise ausdrücken kann oder aber bis zur Adoleszenz im Verborgenen bleibt.

Diese Entfremdung zwischen Eltern und Kind ist zwar noch immer die Norm, aber es findet gerade eine Veränderung statt. Immer mehr Eltern gelangen zu mehr Bewusstsein und lernen, die konditionierten Muster ihres Verstandes zu transzendieren und sich auf der tieferen Ebene des Seins mit ihrem Kind zu verbinden.

Es gibt also zweierlei Gründe für dysfunktionale oder unbewusste Elternschaft. Einerseits fehlt es an Wissen oder Bildung hinsichtlich einer Kindererziehung, die eine gesunde Balance zwischen dem alten, übermäßig autoritären Ansatz und unserer zeitgenössischen, gleichermaßen unausgewogenen Erziehung darstellt. Andererseits und auf einer viel wesentlicheren Ebene mangelt es auf Seiten der Eltern an Präsenz oder bewusster Gegenwärtigkeit.

Es gibt zwar eine Menge Bücher, die Eltern, die noch Bücher lesen, hilfreiche Tipps geben, doch darunter sind kaum welche, die sich der mangelnden elterlichen Gegenwärtigkeit widmen oder erklären, wie man die alltäglichen Herausforderungen der Kindererziehung nutzen kann, um das eigene Bewusstsein wachsen zu lassen. Susan Stiffelmans Buch hilft dem Leser auf beiden Ebenen, nennen wir sie das Tun und das Sein. Sie teilt ihr aufschlussreiches Wissen und gibt praktische Tipps zum Tun, ohne dabei die elementarere Ebene des Seins außer Acht zu lassen.

Kindererziehung im Jetzt zeigt Eltern, wie sie aus der Kindererziehung eine spirituelle Praxis machen können. Es hilft dabei, die vielen Herausforderungen, die uns unsere Kinder stellen, in einen Spiegel zu verwandeln, der es uns erlaubt, uns bislang unbewusster Muster bewusst zu werden. Und indem wir uns ihrer bewusst werden, können wir beginnen, sie zu transzendieren.

Der Schriftsteller Peter de Vries schrieb: „Wie viele von uns sind reif genug für den Nachwuchs, noch bevor er in unser Leben tritt? Der Wert der Ehe besteht nicht darin, dass Erwachsene Kinder hervorbringen, sondern dass Kinder Erwachsene hervorbringen.“ Ob wir als Elternpaar oder als alleinerziehende Eltern agieren, unsere Kinder werden uns ohne Zweifel dabei helfen, zu reiferen Menschen heranzuwachsen. Ja, Kinder bringen Erwachsene hervor, aber was noch viel wichtiger ist, Susan Stiffelmans einzigartiges Buch zeigt uns, wie Kinder bewusste Erwachsene hervorbringen können.

Eckhart Tolle,

Autor von

Jetzt! Die Kraft der Gegenwart

und Eine neue Erde

Kindererziehung im Jetzt

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