Читать книгу Zieht euch warm an, es wird heiß! - Sven Plöger - Страница 23
Die gesellschaftspolitische Aufgabe
ОглавлениеSo weit der akademische Teil, den inhaltlich zu erklären eines der Hauptziele dieses Buches ist. Um zunächst aber eine Übersicht über das große Ganze zu bekommen, gehen wir nun zum gesellschaftspolitischen Teil über. Hier ist nämlich die Frage zu beantworten, welche Schlüsse wir aus den erworbenen Erkenntnissen ziehen und wie wir diese zu Handlungsanweisungen verwerten. Dabei wird freilich vorausgesetzt, dass man die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch akzeptiert. Die Option, sich wegzuducken, das Thema unter fadenscheinigen Argumenten zu ignorieren und dummdreist, aber fröhlich weiterzumachen, bis wirklich alle fossilen Energieträger verbraucht sind, ist raus, weil sie nicht unserem Intellekt entspricht, auf den wir Menschen zu Recht gerne stolz sind. Für ein sinnvolles Handeln sind wieder zwei Pfade zu betrachten. Zum einen, wie wir weitere Treibhausgasemissionen vermeiden, und zum anderen, wie wir uns an den schon existierenden Klimawandel anpassen können – etwa durch bessere Warnsysteme gegen Unwetter, besseren Hochwasserschutz, aber auch bessere Wasserspeichersysteme, um großen Dürren zu begegnen, oder mehr Grün- und Wasserflächen in den Städten, um dort im Hochsommer für erträglichere Temperaturen zu sorgen.
Die Gewichtung zwischen Vermeidung und Anpassung liegt irgendwo zwischen der Einsicht, dass wir eine weitere Erwärmung nicht vollständig verhindern können, und der Ahnung, dass wir ausschließlich auf Anpassung zu setzen nicht bezahlen können. Folgt man einer Vielzahl von Studien zu den Kosten von Klimaschutz und Klimaanpassung, führt jeder heute nicht sinnvoll in den Klimaschutz gesteckte Euro später zu Ausgaben zwischen 2 und 11 Euro. Selbst beim konservativen Wert von 2 Euro geht es also um eine Verdopplung des Kapitaleinsatzes. Ganz ehrlich: Ich kenne wenige Anlagemöglichkeiten mit solch einer quasi gesicherten Rendite.
Momentan sind wir beim Umgang mit unserer Umwelt schlicht Opfer unserer eigenen Taten. Übersetzt sind wir also gerade fleißig dabei, an dem Ast zu sägen, auf dem wir sitzen. Das ist unklug – deswegen das zugehörige Sprichwort. Aber was tun, wenn man erst einmal klar erkannt hat, dass es dumm wäre, nichts zu tun, und das von einer eindeutigen Mehrheit der Menschen auf diesem Erdball auch nicht als sinnvolle Reaktion auf das Problem gesehen wird? Leider gibt es hierfür keine Bedienungsanleitung mit der Überschrift »Der Umgang mit dem Klimawandel und die Arbeitsschritte für die daraus folgende weltweite Transformation einer Gesellschaft von 7,7 Milliarden Menschen, in der ein kleiner Teil hoch technisiert ist und ein größerer unter ärmlichen Verhältnissen lebt«. Unsere Situation gleicht eher einem Sprung in ein Bällebad, wobei jeder kleine Ball eine Handlungsoption mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen darstellt – von der weltpolitischen Bühne, wo es sinnvoll ist, eine globale Energiewende voranzutreiben, bis hinunter zum kleinsten Alltäglichen, wo es sinnvoll ist, das Licht in Räumen auszuschalten, in denen wir uns gerade nicht befinden.
Die Erkenntnis und die zugehörige Plattitüde: Alles hängt mit allem zusammen. Die Folgen dieser banalen Einsicht sind aber dramatisch. Dreht man an einer Stellschraube, verändert man leider viele andere unabsichtlich mit und weiß am Ende oft gar nicht mehr so genau, was gut und was vielleicht trotz guter Absicht kontraproduktiv ist. Und »gut« oder »schlecht« hängt zu allem Überfluss noch von der jeweiligen Sichtweise ab, die sich aus der eigenen Interessenlage generiert. Jeder Einzelne verfolgt seine Interessen – schauen Sie in eine typische vierköpfige Familie, idealerweise mit zwei pubertierenden Kindern, und versuchen Sie, zu einer gemeinsamen Meinung etwa hinsichtlich eines Ausfluges zu gelangen. Äußerst schwierig! Ähnlich wie die Familie verfolgt auch jede Firma, ob mittelständisches Unternehmen oder multinationaler Großkonzern, ihre Interessen. Selten ist dabei die eigene Verkleinerung das Ziel …
Und am Ende kommen noch die nationalen Interessen hinzu. Nationen mit großen Unterschieden hinsichtlich Wirtschaftskraft, Entwicklungsstand und kultureller Prägung treffen dabei aufeinander. Sie merken schnell, wie schwer es wird, das alles unter einen Hut zu bringen und aus dieser Gemengelage eine konstruktive, uns allen gemeinsam nützliche Handlungsoption zu basteln. Und zwar ohne Schiedsrichter, der bei nicht enden wollenden, egoistischen Diskussionen irgendwann einfach laut in seine Trillerpfeife pustet und sagt, wo es nun langgeht. Diese Macht hat niemand und den »guten Weltdiktator«, der für alle nur das Beste will und alle Probleme in einer Weise, die jeden glücklich macht, löst, gibt es nicht.