Читать книгу Zieht euch warm an, es wird heiß! - Sven Plöger - Страница 25

Warum wir viel wissen, aber nicht danach handeln

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Wir müssen also offen darüber nachdenken, ob ein »Weiter so« noch akzeptabel ist. Nicht nur deshalb, weil es immer fragwürdig ist, Dinge fortzusetzen, die erkennbar wenig bringen, sondern vor allem deshalb, weil die Menschheit es in ihrer Existenz hier erstmals mit einem globalen Problem zu tun hat, für dessen Lösung sie sich nicht beliebig viel Zeit nehmen kann. Da steht jemand mit einer Stoppuhr hinter uns, den wir nicht ignorieren können! Um das in Paris vereinbarte Ziel zu halten, die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, passen noch rund 720 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre (eine Gigatonne ist eine Milliarde Tonnen). Da wir derzeit weltweit – leider immer noch mit steigender Tendenz – pro Jahr etwa 38 Gigatonnen emittieren, bleiben uns noch knapp 19 Jahre. Ebenso einig wie über die 2 Grad als äußersten Wert war man sich in Paris, dass wir eigentlich nur »1,5 Grad plus« erreichen sollten. Eine echte Herausforderung, für die wir noch rund 10 Jahre Zeit hätten. Was bedeutet das für jeden Einzelnen? Mittelt man weltweit den Ausstoß von CO2 pro Kopf und Jahr, so setzt jeder Mensch derzeit knapp 5 Tonnen frei. Will man das 2-Grad-Ziel einhalten, dürfen es aber nicht mehr als 2 Tonnen sein. Wir Deutschen liegen heute bei 9!

Lassen Sie uns gedanklich an dieser Stelle also einfach die Tafel leer wischen und nehmen wir uns vor, bei der Neubeschriftung nicht sofort in Nebensächlichkeiten zu versinken. Als Erstes schrei­ben wir nun auf die leere Tafel, dass wir einen Klimawandel haben und dass wir maßgeblich dafür verantwortlich sind. Da­runter, dass deshalb auch wir das Problem lösen müssen. Wir lieben unsere Kinder und Enkel. »Nach mir die Sintflut« ist zutiefst unanständig und damit unakzeptabel. Schreiben wir also die wichtigsten Gedanken zur Lösung des Problems auf, und skizzieren eine Weltanschauung, die konstruktiv zur Verbesserung der Zustände beiträgt:

1.Wir brauchen einen begründeten Optimismus, die große He­rausforderung überhaupt bestehen zu können. Jeder Leistungssportler weiß: Wenn man nicht an sich glaubt, ist der Wettkampf vorbei, bevor er begonnen hat.

2.Wir müssen die Bevölkerungszunahme in den Griff bekommen. Das Thema darf nicht tabuisiert und außen vor gelassen werden, da es Maßnahmen konterkarieren kann. Entwicklungspolitik ist darum ein zentraler Bestandteil guter Klimapolitik.

3.Weltklimakonferenzen muss es weiterhin geben. Aber dort dürfen nicht die Bremser bestimmen, die sagen, was nicht geht, sondern die Zugpferde müssen den Takt angeben und aufzeigen, was notwendig, aber auch was möglich ist. Deshalb muss die Regel aufgegeben werden, die für das Abschlusskommuniqué einer solchen Konferenz Einstimmigkeit fordert.

4.Forschung und Technik spielen eine entscheidende Rolle. Sie können die Bedingungen dafür schaffen, dass die Masse der Menschen, die »ganz normal« ihrem Alltag nachgeht, per se umweltfreundlicher wird. Das funktioniert aber nur, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht.

5.Wir müssen unser Verhalten an Schlüsselstellen ändern. Freiwillig, so haben wir bewiesen, schaffen wir es nicht. Wir brauchen Regeln für alle und der summierte Beitrag von 7,7 Milliarden kleinen Emissionsminderungen ist nicht zu unterschätzen. Allein durch kleine Verhaltensänderungen kann man das Klimaproblem aber nicht lösen. So realistisch müssen wir sein.

6.Wir brauchen attraktive Alternativen. Menschen etwas wegzunehmen und keine Alternative anzubieten, stiftet Unfrieden und Ablehnung, die dem Populismus der Klimaleugner in die Hände spielen.

7.Damit zusammenhängend: Diese Veränderungen werden Geld kosten. Anderslautende Aussagen sind absurd. Aber die Kosten müssen jene tragen, die viel haben und dementsprechend mit ihrem Lebensstil auch viel emittieren. Später werden uns die heutigen »Vorauszahlungen« Vorteile verschaffen.

8.Bildung ist notwendig und muss ernst genommen werden. Von Sir Francis Bacon stammt der Satz: »Wissen ist Macht«. Kehrt man ihn um, steht da ebenso richtig »Unwissen ist Ohnmacht«. Eine von Unkenntnis der Sache getriebene, emotionale und möglicherweise ideologisch motivierte Auseinandersetzung ist Zeitverschwendung.

9.Die Berichterstattung zum Thema Klimawandel muss auf den Prüfstand. Wissensvermittlung, die Physik von Phantasie trennt, sowie der Hinweis auf Erfolge beim Vorgehen gegen den Klimawandel tun not. Sie können die Bevölkerung zum Nach- und Mitmachen motivieren.

10.Die Zeit drängt. Wir müssen Prozesse beschleunigen, die raschen Klimaänderungen erhöhen den Handlungsdruck. Zu viele oft veraltete Regeln und Gesetze, die durch immer neue Vorschriften und Ausnahmen in ein Bürokratiedickicht verwandelt werden, bremsen uns aus.

Nehmen wir also diese Punkte auf – wobei wir auf den folgenden Seiten vor allem auf die ersten fünf intensiver eingehen werden – und geben noch eine ordentliche Prise »gesunden Menschen­verstand« dazu. Darin liegt nämlich das Erfolgsrezept des Homo sapiens: Es waren unsere Anpassungsfähigkeit und unser Er­findungsreichtum, die uns überhaupt erst ermöglichten, zu überleben und zu gedeihen.

Zieht euch warm an, es wird heiß!

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