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Muss nicht auch jeder selbst etwas ändern?

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In den letzten Abschnitten könnte möglicherweise der Eindruck entstanden sein, dass unter der Voraussetzung vernünftiger politischer Vereinbarungen »irgendjemand mit Geld« und Hilfe der Technik nun alles löst und man sich einfach zurücklehnen kann. Der irrige Schluss könnte sein: »Hurra, das Thema ist für mich erledigt, ich kann weitermachen wie bisher!« Das hat aber nur damit zu tun, dass man in einem Buch nicht alles gleichzeitig schreiben kann: Natürlich gibt es noch eine zweite Säule, um am Ende wirklich substanziell gegen die Klimaänderung anzukommen, und die hat mit jedem Einzelnen von uns zu tun. Wir müssen tatsächlich so einiges verändern und die Summe vieler kleiner Verhaltensänderungen sorgt am Ende für einen wichtigen und notwendigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz. Aber wie stellen wir das an? Wer macht warum was und wer bestimmt, wer was machen soll oder nicht? Das wird gerade trefflich und kontrovers diskutiert, und die vor allem in den Medien und den sozialen Netzwerken ausgetauschten Beiträge lassen viele Gemütszustände zu: Freude, Trauer, Wut, Verwunderung und beliebige Mischformen davon.

Nicht selten wird zu Beginn argumentiert, dass Deutschland doch viel zu klein und unbedeutend sei: Wir gut 80 Millionen Bürger bilden doch gerade mal rund 1 Prozent der insgesamt 7 700 Millionen Menschen und sind für nur rund 2 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Was sollen wir da global erreichen, selbst wenn jeder von uns seinen Lebensstil von Grund auf ändert? Dieses »Argument« verfängt tatsächlich immer wieder und dahinter steckt ein – wenn es nicht so ernst wäre – fast amüsanter Denkfehler: Wir vergessen zu addieren!

Suggeriert wird, dass wir mit 2 Prozent des weltweiten CO2-Austoßes eigentlich keine Rolle spielen. China ist doch für 30 Prozent der Emissionen verantwortlich. Die USA für 14, Indien für 7, Russland für 5 und Japan für 3 Prozent. »Sollen doch die erst einmal etwas tun«, ist dann eine gerne vorgebrachte Äußerung. Aber Achtung! Mit unseren 2 Prozent sind wir nach den oben genannten 5 Ländern auf Platz 6 von 194 Ländern dieser Welt. Es liegen also 187 Länder hinter uns und die könnten das gleiche Argument, ihr Land spiele ja keine Rolle, mindestens ebenso gut verwenden wie wir. Addiert man aber deren Emissionen, so macht das 39 Prozent aus! Lässt man es bleiben, kann sich natürlich jeder hinter seiner eigenen Bedeutungslosigkeit verschanzen. Um es auf die Spitze zu treiben, wäre mein Rat an die verbleibenden großen Emittenten, sich einfach in viele kleine Länder zu zerlegen. Teilte man China in 15 Regionen auf, würde jede Region auch nur noch 2 Prozent emittieren. Genau wie wir! Nach einer solchen Landesteilung könnten dann alle Länder sagen, ihr Anteil sei zu klein und alle fühlten sich im Recht. Und die globalen Emissionen hätten sich kein bisschen verändert.

Landesgrößen und ihre jeweilige Bevölkerungsdichte sind natürlich völlig willkürlich, weshalb man Länder nie vergleichen kann. Stattdessen kommt es logischerweise darauf an, wie viel jeder Einzelne von uns emittiert. Beim CO2 liegen – wie schon skizziert – die Deutschen bei 9 Tonnen pro Kopf, die Chinesen hingegen bei 7 Tonnen, aber Deutschland ist insgesamt auf Platz 6 und China auf Platz 1. Es gibt eben viele Chinesen. Länderbezogene Argumente sind also eigentlich gar keine und so wäre es sinnvoller auszudrücken, dass Deutschland als wirtschaftlich starke Nation durchaus eine Vorbildrolle übernehmen kann und aufgrund unserer zahlreichen Emissionen seit Beginn der Industrialisierung auch muss.

Dieser Satz bekommt beim Blick nach Brasilien eine noch stärkere Bedeutung. Das Land mit seinem an der Umwelt sichtlich desinteressierten Präsidenten Bolsonaro hat einen CO2-Ausstoß von 2,4 Tonnen pro Kopf. Der Präsident erlaubt nun mehr Brand­rodung und Abholzung des Amazonas-Regenwaldes, um die Wirtschaft seines Landes anzukurbeln. In Sorge um die »grüne Lunge« dieser Welt wurde nach dieser Entscheidung vielfach die Frage aufgeworfen, ob es nicht Gebiete geben müsse, die von der Allgemeinheit verwaltet werden, um solche Exzesse zu verhindern. Das ist natürlich schwierig durchzusetzen, aber immerhin bekam Bolsonaro zu Recht zahlreiche Ermahnungen, unter anderem aus Deutschland. Nur ist es eben schwierig, andere zu maßregeln, wenn man selbst fast viermal so viel CO2 pro Kopf ausstößt und bis 2038 an der Braunkohle festhalten möchte. Das hat uns der brasilianische Präsident dann auch postwendend zurückgespielt. Und wir kaufen ja auch gern billige brasilianische Produkte von Agrarflächen, auf denen gestern noch Regenwald stand. Diesem Umstand widmen wir uns wieder im Kapitel »Die Bedeutung der Wälder«.

Zieht euch warm an, es wird heiß!

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