Читать книгу Zieht euch warm an, es wird heiß! - Sven Plöger - Страница 24

Wo stehen wir?

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Als der Club of Rome 1972 die »Grenzen des Wachstums« veröffentlichte, wurde verschriftlicht, was sich viele von uns schon als Kinder hin und wieder überlegten und dann auch ihre Eltern fragten: Kann ein Planet von gleichbleibender Größe immer mehr Menschen ernähren und mit Energie versorgen, sodass es allen auf Dauer immer besser gehen wird? Wäre das eine Quizfrage, würden wir wohl alle erst mal den Kopf schütteln. Und dann flott ergänzen, dass man natürlich nicht genau weiß, wann und wo die Grenze erreicht ist – was unser Handeln ein Stück weit rechtfertigt. Die kognitive Dissonanz lässt grüßen.

Als in den frühen 1980ern das Ozonloch entdeckt wurde, wurden wir Menschen nervös, weil wir bemerkten, dass wir offensichtlich einen sehr großen Einfluss auf unsere Umwelt auswirken können – und zwar ganz »aus Versehen«. Der Grund für dieses Versehen ist in der Theorie der freien Güter zu suchen – einem der eminenten Denkfehler der Wirtschaftstheoretiker, da er den grundlegenden Aussagen der Physik abgeschlossener Systeme – ein solches ist unser Planet in erster Näherung – widerspricht. Nach der Definition sind freie Güter solche, »die begrenzt aber nicht knapp sind. Sie sind in einem bestimmten Gebiet zu einem bestimmten Zeitpunkt im Überfluss vorhanden und kosten deshalb grundsätzlich kein Geld.« Aus dieser Sichtweise heraus wurde und wird eben auch das freie Gut Luft, also unsere Atmosphäre, als Gratisdeponie für unsere Rückstände in Anspruch genommen. Ein Gegenentwurf dazu besteht im Emissionshandel, auf den wir später noch zu sprechen kommen.

Als erste Ergebnisse der bis dahin eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit arbeitenden Klimaforschung den Weg in die Medien fanden, wurden schrille Begriffe wie etwa »Klima­ka­ta­stro­phe« geprägt. Die Wissenschaft musste plötzlich lernen, dass sich ihre Denk- und Arbeitsweise von der der Medien stark unterscheidet. Eine vorsichtige, abwägende und differenzierende wissenschaftliche Ausdrucksweise ist nicht gerade die Grundlage für eine knappe, reißerische Überschrift. Der Lernprozess der Wissenschaft war natürlich auch in der Lage, die eigenen Geschäftsgrundlangen zu gefährden, und so versuchte man sich schnell vor den Auswirkungen neuer Erkenntnisse zu schützen: Unsicherheiten, die es in diesem (und jedem anderen) Forschungszweig in Detailfragen zweifellos bis heute gibt und immer geben wird – darum ist Wissenschaft ja stets auch etwas, was Wissen schafft –, wurden zur Verunsicherung schnell mit Unfähigkeit und Unwissen gleichgesetzt. Und wie bringt man das besonders destruktiv in die Öffentlichkeit? Mit Geld! Wer früher Artikel gegen die Klimaforschung schrieb, bekam von so manchem Konzern große Summen bar auf die sprichwörtliche Kralle. »Berühmt« sind Koch Industries oder Scaife Affiliated Foundations, die jeweils Millionen in Skeptiker-Einrichtungen wie das Heartland Institute stecken. Da wird schon so mancher zum willfährigen Unterstützer monetärer Ziele der Wirtschaft. Im weiteren Verlauf des Buches wird genauer eingeordnet, auf welche Weisen Erkenntnisse der Klimaforschung von diversen Gruppen abgelehnt wurden.

Trotz aller Versuche aus verschiedenen Richtungen, Klima- und Umweltthemen klein- oder nichtigzureden, wuchs die weltweite Erkenntnis, dass irgendetwas aus dem Ruder läuft. So wurde im Juni 1992 der Erdgipfel von Rio – oder korrekt die »Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung« – ausgerufen. Es herrschte eine große Aufbruchsstimmung, denn die Menschheit schien eine Bereitschaft zu entwickeln, Erkenntnissen Handlungen folgen zu lassen. Ähnlich war es nochmals 1997, als das Kyotoprotokoll beschlossen wurde. Es trat 2005, also lange 8 Jahre später, in Kraft mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 5,2 Prozent (richtig gelesen) zu reduzieren. 2015, als das Pariser Abkommen beschlossen wurde, keimte wiederum Hoffnung auf. In den vielen Jahren dazwischen und besonders in Madrid 2019 bestimmte, abgesehen von kleinen, meist nur verbalen Erfolgen, das Geschacher ums Geld die Szenerie. Im Wesentlichen zeigte jeder auf den anderen und forderte, zunächst möge man die Dinge bei sich verbessern und dann könne man gerne wieder reden – das bekannte »blame game«. Und so blieb alles wie immer, nur zeitigten die Steigerung des Lebensstandards und der damit einhergehende stark wachsende Energiebedarf sowie das Bevölkerungswachstum stetig mehr Emissionen. Derweil nahmen Unwetter und Hitzerekorde auf diesem Planten wie vorhergesagt zu.

Mittlerweile ist der Ausstoß von CO2, dem wichtigsten anthropogenen Treibhausgas, gegenüber dem Zeitpunkt des Erdgipfels von Rio um 67 Prozent (!) gestiegen. Das war sicher nicht das, was wir mit unserer Aufbruchsstimmung und dem durchaus intensiven politischen Dialog bezwecken wollten. Die Menschheit verbraucht derzeit jedes Jahr die nachwachsenden Ressourcen von nicht einer, sondern 1,75 Erden, wir Deutschen sogar die von 3, doch wissen wir qua schulischer Bildung recht genau, dass wir nur eine Erde haben. Drum finden wir den sogenannten »Earth Overshoot Day«, den Tag, an dem wir eben diese nachwachsenden Ressourcen für das Jahr verbraucht haben, mittlerweile bereits Ende Juli. Danach leben wir auf Kredit der Natur, derzeit ohne den ernsthaften Willen, diesen zurückzuzahlen. Da 1,75 größer ist als 1, ist auch die Frage der Nachhaltigkeit geklärt: Die Gattung Mensch ist nicht nachhaltig. Punkt. Natürlich gibt es viele kleine Maßnahmen, die etwa Kommunen oder auch Einzelne ergreifen, denen Umwelt, Natur und Klima sehr am Herzen liegen. Das ist erfreulich und gut, wird aber in keiner Weise ausreichen, das Problem auch nur annähernd zu lösen. Dazu braucht es nun einmal die großen Player und die überwiegende Masse der Erdbevölkerung.

Kurzgefasst: Betrachten wir die vergangenen fast 50 Jahre, so ist der Klimawandel zunehmend zum relevanten Thema geworden. Es wird viel darüber geredet, aber kaum etwas getan. Weder eine ständige Erhöhung der Dosis medialer Dramatik noch die mittlerweile 25 weltweiten jährlichen Klimakonferenzen brachten hier einen Durchbruch. Beides scheint also nicht besonders effektiv oder zumindest nicht ausreichend zu sein.

Zieht euch warm an, es wird heiß!

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