Читать книгу Zieht euch warm an, es wird heiß! - Sven Plöger - Страница 34

Wie ein Asteroideneinschlag in Superzeitlupe

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Das Klimasystem ist also ein sehr »träger Tanker«, der unglaublich verzögert auf unseren Energieeintrag reagiert. Obwohl wir schon seit Jahrzehnten höchst unvernünftig mit unserer Atmosphäre umgehen, spüren wir erst jetzt an der sich beschleunigenden Erwärmung und den Unwettern, dass sich dieses riesige System gerade in einen anderen Gleichgewichtszustand bewegt. Diesen Übergang nennen wir Klimawandel. Das Tragische ist, dass unser Zeitgefühl und die Zeitskala, auf welcher der Klimawandel stattfindet, völlig verschieden sind. Auch wenn uns all das wie ein schleichender Prozess erscheint, verlief doch noch nie ein globaler Klimawandel so schnell wie dieser. Für uns wirkt er trotzdem wie ein Asteroideneinschlag in extremer Zeitlupe. Ein riesiger Himmelskörper hängt quasi direkt vor unserer Nase, aber bewegt sich für unser Zeitempfinden so langsam, dass wir ihn nicht wahrnehmen. Stellen Sie sich vor, man wüsste, dass ein solcher Erdbrocken in wenigen Tagen mit tödlichen Folgen auf unserer Erde einschlagen würde. Was wäre die Konsequenz? Wir alle würden schlagartig alles stehen und liegen lassen, alle weltweiten Streitigkeiten beenden und mit aller Kraft an einem Strang ziehen, um das Problem irgendwie zu lösen. Viele spannende Filme befassen sich mit diesem Szenario und jedem Zuschauer ist sofort klar, dass es auch gar keinen anderen Weg gibt, als gemeinsam alle Kräfte für die Rettung zu mobilisieren.

Beim Klimawandel sind alle Voraussetzungen für ein solches kollektives Handeln gegeben, nur die Zeitskala passt nicht und deshalb blenden wir – wie eingangs erwähnt – das Problem aus.

Zusammengefasst lässt sich bis zu diesem Punkt also erkennen: Der Klimawandel ist ein physikalisch komplexer Prozess, der sich schon dadurch dem inhaltlichen Verständnis vieler Menschen zunächst entzieht. Zudem wird dieser Wandel durch unsichtbare Gase ausgelöst und erscheint uns daher als schleichend, weil er auf einer ganz anderen Zeitskala stattfindet als unser tägliches Leben. Allein diese Punkte machen es schwer, die Bedeutung des Themas überhaupt zu erkennen.

Hinzu kommt unsere – evolutionär begründbare – Eigenschaft, unser eigenes Wohlergehen, unseren Besitz und unseren Luxus über alles andere zu stellen. Jedenfalls im Mittel, was die erfreuliche Existenz einiger Idealisten natürlich einschließt. Im Kapitalismus lässt sich Wohlstand dadurch erzeugen, dass man wenig Geld ausgibt und viel einsammelt. Der daraus zwingend entstehende Preiskampf geht auf Kosten derer, die sich nicht oder schlecht wehren können. Das ist zum einen der ärmere Teil der Weltbevölkerung und zum anderen die Natur – die neben der ­Atmosphäre die Ozeane und die Biosphäre, also die Tiere und Pflanzen, einschließt. Wir beuten diese wissentlich aus, die Wertschätzung dafür geht immer mehr verloren – und wenn diese Erkenntnis mal »wehtut«, machen wir schnell die Augen zu!

Neben mehr Klimabildung, die verhindern würde, dass wir uns immer und immer wieder mit längst widerlegten Scheinargumenten von Klimawandelleugnern beschäftigen müssten, könnten wir zur Lösung des Problems versuchen, den Kapitalismus abzuschaffen. Das klingt sehr verwegen und das ist es auch, denn bisher haben wir einfach keine funktionierende Alternative: Alle Systeme, die ausprobiert wurden, erwiesen sich als erfolglos. Solange es also keine Idee gibt, die wir quasi automatisch zu übernehmen bereit sind, bleiben die heutige Art des Wirtschaftens und damit der Kapitalismus mit all seinen Nachteilen die Grundlage unseres Handelns. Mit dieser Einsicht müssen wir unsere weiteren Überlegungen führen. Dennoch sollte sich hier nicht sofort Pessimismus breitmachen, denn das System des Kapitalismus bietet auch einige Möglichkeiten, den Klimawandel mit einer gewissen Effizienz zu bekämpfen. Dazu später mehr.

Zieht euch warm an, es wird heiß!

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