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Wenn eine neue Eiszeit drohte …

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Bilder von der Erdatmosphäre, etwa einen Sonnenaufgang aus der Internationalen Raumstation ISS, zeigen, wie hauchdünn und zart die Lufthülle ist, die unsere Erde umspannt. Gleichzeitig ist sie aber auch äußerst gewichtig: Es lasten nicht weniger als 5 Billiarden Tonnen Luft auf unserer Erdoberfläche, die wir als Luftdruck messen. Diese riesige Masse kaschiert unsere »kleinen Sünden« sehr lange: Statt die Atmosphäre respektvoll sauber zu halten, stopfen wir sie mit unseren Abgasen voll – zunächst merkt man ja nichts davon, und alle anderen tun das doch auch. Es dauert eben eine ganze Weile, bis 5 Billiarden Tonnen aufgeheizt sind, und die Reaktion der Atmosphäre auf unser Verhalten ist extrem träge. Sie kennen das von Ihrer Heizung: Drehen Sie den Thermostat drei Stufen höher, ist das Zimmer ja nicht schlagartig wärmer, sondern es wird dauerhaft mehr Energie zugeführt. Die Temperatur steigt, bis ein neues Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Wärmeverlust herrscht. Drehen Sie den Thermostat irgendwann zurück, so führen Sie weniger Energie zu und die Temperaturen sinken wieder.

Genauso, nur viel langsamer, laufen die Prozesse in der Atmosphäre ab. Daher können wir mit Aussagen wie »in den letzten 100 Jahren ist es global um rund ein Grad wärmer geworden« auch kaum etwas anfangen oder zumindest nichts Besorgniserregendes daran erkennen – anders als bei Unwettern, die den Klimawandel heute »spürbar« machen. Wir brauchen also einen griffigen Vergleich, um Änderungen der Mitteltemperaturen erfassen und einordnen zu können: Seit dem Ende der letzten Kaltzeit vor rund 11 000 Jahren ist die globale Mitteltemperatur um gerade einmal 4 Grad angestiegen. Aber eine 4 Grad kältere Welt ist eine völlig andere als die heutige. Damals waren sämtliche Alpentäler mit Eis aufgefüllt, der Norden Europas lag unter einer Eisdecke von 2 bis 3 Kilometer Dicke. Der Nordosten Deutschlands ruhte unter einem bis zu 500 Meter dicken Eispanzer. Knapp ein Drittel des heute flüssigen Wassers war zu Eis erstarrt und der Meeresspiegel lag 120 Meter tiefer. Also noch einmal: Eine 4 Grad kältere Welt hat mit der heutigen schlicht nichts zu tun. Vor diesem Hintergrund versteht man, dass eine 4 Grad wärmere Welt ebenso eine ganz andere sein würde, mit der heutigen nicht zu vergleichen. Nur, dass wir Menschen die Prozesse erheblich beschleunigen. Folgt man Szenarien der Klimaforschung, bei denen wir wenig bis nichts zum Klimaschutz leisten, steigen die globalen Temperaturen bereits bis zum Ende dieses Jahrhunderts um weitere 4 Grad. Heißt: Die Natur braucht 11 000 und wir 100 Jahre. Linear überschlagen passiert alles 110-mal schneller, als es durch natürliche Ursachen erfolgen würde.

Das ist der entscheidende Unterschied! Das macht diesen Klimawandel für uns Menschen, aber auch für Fauna und Flora weitaus belastender als alle vorangegangenen. Das Leben muss sich den Veränderungen anpassen, kann mit dieser Geschwindigkeit aber oft nicht Schritt halten. Das führt zum Aussterben vieler Arten. Für unseren Planeten ist das freilich alles völlig unkompliziert – ihm ist es egal, ob er Leben beheimatet oder nicht.

Nun stellen Sie sich doch mal vor, durch den menschlichen Klimaeinfluss drohte anstatt einer Hitzeperiode eine neue Eiszeit. Es würde von Jahr zu Jahr kälter mit immer längeren Wintern, Gletschervorstößen und nur noch sehr durchwachsenen, kurzen Som­merperioden. Ich wage zu vermuten, dass wir aus Angst vor einer solchen Entwicklung hin zu einem Klimapessimum viel aktiver gegen den Klimawandel vorgehen würden. Eine Erwärmung verbinden wir klimahistorisch und intuitiv hingegen mit einem Optimum und sind weniger besorgt. Mancher freut sich auch auf eine wärmere Umwelt, schließlich kommt uns unser gewünschtes warmes Urlaubsklima dadurch sogar näher. Wie schön. Leider werden bei diesem Gedankengang Dürren, Noternten, Hitzewellen, Starkregen, Hagel, Überschwemmungen und ihre Häufung meist ausgeblendet.

Zieht euch warm an, es wird heiß!

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