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1939 – Morgenrot

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»Ich bin Holm Leinstermann.«

»Leinstermann? Der Name ist wohl eher selten?«

»Ja, allerdings. Ich wüsste nicht, dass es außerhalb der Familie noch Namensträger gibt.«

»Das kenne ich«, sagt der andere Mann über die Schulter hinweg und macht sich mit seinem Gepäck zum Umsteigen bereit. »Jedenfalls: Ohne das Gespräch mit Ihnen als Fachkollegen hätte ich diesen Teil der Reise wohl größtenteils verschlafen. Vielen Dank also!«

»Ganz meinerseits. Wann werden Sie am Fährhafen ankommen?«

»Ich hoffe, noch rechtzeitig für ein kleines Abendessen! Sie wissen ja: Nichts ist so unpünktlich wie die Eisenbahn. Das ist wohl überall gleich. Und Sie?«

Holm hebt die Koffer aus der Gepäckablage. »Keine Stunde mehr. Dann wünsche ich Ihnen eine gute Weiterfahrt, Herr ...«

»Osallus. Moritz Osallus.«

»Auch kein besonders geläufiger Familienname.«

»Das vereint uns wohl, neben dem Beruf. Aber ich kann Ihnen versichern, der Name ist durch und durch deutsch, wie unsere ganze Familie. Mein Bruder muss es wissen: Lennard ist bei der GeStaPo1. Ein Hunderzehnprozentiger – wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Holm nickt.

»Eine Frage noch, Herr Leinstermann: Wissen Sie zufällig, wer Ihr Vorgänger in Doorn war?«

»Nein, warum?«

»Ich dachte, es ist vielleicht jemand, von dem man schon einmal gehört hat. Manchmal ist es ratsam, sich mit den Wegen vertraut zu machen, die der Vorgänger beschritten hat – ohne notwendigerweise in seine Fußstapfen zu treten. Oder in die gleichen Fettnäpfchen!«

Holm zuckt mit den Schultern. Der Gedanken hatte ihn bereits beschäftigt – mehr, als er sich eingestehen mag.

»Vielleicht lerne ich ihn noch kennen«, entgegnet er, während er seinen Schal fester zieht und den Mantel zuknöpft.

»Wir müssen jetzt raus«, sagt Osallus und schaut aus dem Fenster auf den Bahnsteig. Der Zug hält. »Nur Mut, Herr Leinstermann: Die Pflanzen im Garten des Kaisers werden schon weiterwachsen! Sie wissen ja: Das meiste macht die Natur ohne unser Zutun – wie von Zauberhand sozusagen.«

Die beiden Männer sind eben aus der Tür in den Gang, da zeigt Osallus zurück ins Abteil und bemerkt:

»Sie haben Ihre Kladde liegengelassen. Es ist wohl besser, Sie nehmen sie wieder an sich, bevor es ein anderer tut – und darin liest.«

»Danke«, entgegnet Holm und greift nach dem Buch.

Fast hätte er das nahezu jungfräuliche Tagebuch verloren, ohne einen einzigen Eintrag über den neuen Lebensabschnitt in Holland hineingeschrieben zu haben. Dieser Verlust wäre zu verschmerzen. Doch der Brief, der zwischen den leeren Seiten ruht, ist für Holm ungleich wertvoller. Er ist ein mühsamer, erster Schritt - zurück in die Vergangenheit wie voraus in eine Zukunft, die sich bestenfalls schemenhaft erahnen lässt.

An diesem Tag wird sie beginnen.

Leinstermann in Doorn

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