Читать книгу Madelyn - Ort des Schreckens - Tamara Thorne - Страница 13
9 JUSTIN MARTIN
ОглавлениеUm 23.40 Uhr war Justin zur Thunder Road zurückgekehrt und hatte in der Nähe der Einfahrt zum Spirit Canyon geparkt. Er war stinksauer, weil Chrissie ihm nicht mal einen Gutenachtkuss gegeben hatte. Sie hatte ihm lediglich für die Korrekturen ihrer Hausaufgaben gedankt und war aus seinem Wagen gestiegen, bevor er auch nur eine Bewegung hatte machen können. Die nächste Viertelstunde hatte er damit verbracht, mit hinter dem Kopf verschränkten Händen dazusitzen und sich auszumalen, was er mit dem kleinen blonden Luder machen würde, wenn endlich die Gelegenheit dazu kam. Er dachte sich auch ein paar Dinge aus, die sie mit ihm anstellen würde.
Nun war es eine Minute vor Mitternacht. Justin schaute zum Himmel hinauf. Er hoffte, die Lichter zu sehen und die Stimme zu hören, doch es war niemand da. Er hatte die Doors-Kassette bereits bis »Roadhouse Blues« vorgespult: Nun schob er sie in den Rekorder, und seine Finger trommelten im Takt. Er fuhr mit ausgeschalteten Lichtern leise über die Straße. Der schwarze Mustang war wie ein Geist in der dunklen, windigen Nacht.
Geisterstunde. Justin ließ den Motor aufheulen und zählte bis dreißig. Dann gab er Gas. In weniger als zehn Sekunden war er auf hundertzwanzig Sachen. Spelmans GTO würde am anderen Ende der sechs Kilometer langen, schnurgeraden Strecke ebenso fix sein. Oder fast so fix. Falls der Supersportier nicht in irgendein unverhofft auftauchendes Fahrzeug krachte, wenn er über die Old-Madelyn-Kreuzung fegte, müssten sie sich ungefähr am Dead Man’s Hill treffen, dem riesigen Findlingshaufen auf dieser Seite des Madelyn Highway.
Wehender Staub und Sand trafen seine Windschutzscheibe, als Justin beschleunigte, doch es spielte keine Rolle. In der Dunkelheit musste er ohnehin blind fahren. Glücklicherweise kannte er die Straße wie seine Westentasche. Spelmans Scheinwerfer waren in der Ferne als winzige Lichtpünktchen zu erkennen.
Sie wurden von Sekunde zu Sekunde größer. Spelman hatte das Fernlicht eingeschaltet, um ihn zu blenden. »Arschloch«, sagte Justin leise. »Du bist tot.« Seine Finger schwebten über dem Lichtschalter seines Wagens. Er war bereit, den Typen in der letzten Sekunde von der Straße zu fegen.
Als noch knapp dreißig Meter die Wagen voneinander trennten, geriet Spelmans Fahrzeug ins Wanken. Dies sagte Justin, dass sein Gegner den Mustang trotz des wehenden Staubsturms und der Finsternis gesehen hatte. Justin fuhr weiter geradeaus und schaltete das Fernlicht nun an und aus, um Spelmans erbsengroßes Sportlerhirn zu verwirren.
Die Wagen kamen sich immer näher. Vor Justin schien sich die Zeit zu dehnen. Als geschähe alles in Zeitlupe. Fünf. Vier. Drei. Zwei.
Eins. Spelman kriegte Schiss und riss den Lenker plötzlich nach links.
»Ja!«, flüsterte Justin, als der GTO von der Straße flog und in den Dead Man’s Hill knallte. Metall verbog sich kreischend, als der Wagen gegen die Findlinge schlug.
Justin trat auf die Bremse, dann fuhr er zurück, um sich den Schaden anzusehen. Erfreut darüber, dass der Sandsturm seine Spuren verdeckte, streifte er die ledernen Autofahrerhandschuhe über, zog eine halb volle Flasche Cutty Sark unter dem Beifahrersitz hervor und ging damit zu dem Wrack.
Rick Spelman und der Lenker waren zu einer blutigen Masse verschmolzen. Aber der große Sportler atmete noch. »Hey, Rick«, sagte Justin, »das tut mir aber Leid, dass du verloren hast.« Er löste den Schraubverschluss der Whiskeyflasche. »Hier, trink einen, dann geht’s dir besser.«
Der Supersportier starrte ihn an. Es fiel ihm wohl schwer, Justin zu erkennen, denn er kniff die Augen zusammen. Blutblasen zerplatzten auf seinen Lippen.
Als Justin die Flasche an Spelmans Lippen hielt und ihn zum Trinken zwang, fielen ihm auf dem Rücksitz ein paar leere Bierdosen auf. »Du hast meine Arbeit ja schon selbst erledigt, Rick«, sagte er, als Spelman Blut und Schnaps hustete. Er ließ die Flasche auf den Sitz fallen. »Tja, Rick, ich muss jetzt gehen. Ich hab ’ne Verabredung mit deiner Freundin. Ich werd ihr das Gehirn rausvögeln.«
Spelman stierte ihn trübe an, dann bildeten seine Lippen die Worte »Leck mich«.
»Du mich auch, Alter.« Justin zog ein Feuerzeug aus der Tasche, schnappte sich noch mal die Schnapsflasche und schüttete etwas von ihrem Inhalt auf den Rücksitz – außerhalb von Spelmans Reichweite. Er ließ die Flasche wieder auf Spelmans Schoß fallen, dann hielt er das Feuerzeug an den vom Alkohol durchnässten Sitz und schnippte es an. Die Flammen leckten einmal, zweimal über den Stoff, dann fraßen sie sich hinein. »Also, halt die Ohren steif«, sagte Justin mit einem Grinsen.
Er eilte zu seinem Wagen zurück. Rick Spelman schrie und heulte um Hilfe. Weißt du, was du hast, Spelman?, dachte Justin. Du hast ’n kleinen Pimmel.
Bevor er sich der Old Madelyn Road zuwandte, schaltete Justin die Scheinwerfer ein. Als er abbog, kam ihm der Gedanke, dass jemand, der in der Nähe wohnte – vielleicht die alte Hure Cassie Halloway? –, den Knall gehört haben könnte. Wenn ihr Freund, der Polizeichef, ihn ebenfalls gehört hatte, könnte es Schwierigkeiten geben. Justin schaltete die Scheinwerfer wieder aus und verlangsamte, bis das matt erleuchtete Haus vor ihm auftauchte.
Er kniff die Augen zusammen und hielt nach Baskervilles Streifenwagen Ausschau. Was hatte er doch für ein Schwein – er war nirgendwo zu sehen. Justin blieb einen Moment auf der Straße stehen, dann gab er Gas und fuhr davon.