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Blatt 11: Einen weiß ich vielleicht noch

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Das Lindenbankhaus – Ihre Andere Bank

Auszug 35 159 23 5, Blatt 11

Aktueller Kontostand: ein ßilberling, ein Ende

RLG Einen weiß ich vielleicht noch.

ßilberling Na also, geht doch. Man muss nur wollen.

RLG Vielleicht habe ich gesagt, vielleicht, Pfarrer Kühnert gab etwas kund. Über einen Kollegen.

ßilberling Ein Pfarrerwitz – prima!

RLG Soweit ich mich entsinne, ging es um den Pfarrer Windik.

ßilberling Evangelisch? Katholisch?

RLG Ob evangelisch, ob katholisch, was spielt das für eine Rolle? Aber der Kollege, über den Kühnert erzählte, das war, soweit ich mich entsinne, dann doch wieder ein katholischer. Glaube ich.

ßilberling So weit, so gut.

RLG Denn Pfarrer Windik war ein frommer Mann,

Buchstäblich betrachtet, und nicht nur dann und wann.

Die Kirche, die er diente, war sein Dorf,

Und das Dorf, das war seine Kirche.

Gut gefüllt sie war, Sonntag für Sonntag,

Von der Kanzel die Frohe Botschaft,

Und so manch gut gemeintes Wort.

Und dies Woche für Woche.

Aus vollen Kehlen wurde gesungen,

Männer, Mädchen, Frauen, Jungen,

Die Schafe treu und immerdar.

Doch sollte der Tag nahen,

Als die Reihen sich zu lichten begannen.

Denn es fehlte auf einmal der Bauer Lahmen.

Das war vor Jahr - vor Jahr und Tag.

Sein Traktor kippte einfach in einen Graben.

Das ist die Geschichte von Pfarrer Windik

Und der alten Witwe Lahmen,

Wie sie leibten, wie sie lebten;

Eine Geschichte wie sie es heute

Wird nicht mehr geben.

Bis heute weiß keiner warum, weshalb.

Auf dem Kirchhof ein kleines Grab

Ein zierliches Kreuz aus purem Holz,

Das wurde nicht gepflegt.

Unkraut rankte und rankte und rankte

Von der Witwe Lahmen keine Spur.

Vermisst ein jeglicher frommer Stolz,

Was sich mit keinerlei Kirchenpflicht vertrug.

Doch keineswegs ließ Windik sich lumpen,

Denn aus seinem alten Schuppen

Schob er sein Gemeindefahrrad hervor.

Mit dem machte er sich auf den Weg

Zur guten, alten Witwe Lahmen.

Um ihr zu verleihen geistliches Gehör,

Denn erfüllte das Grab nicht viel zu wenig seinen Zweck?

Ja, es war bitter nötig, wie er fand.

Zu radeln hinaus auf das weite Land.

Über Stock, und auch über Stein,

Vorbei am wilden Wuchs und an den Feldern.

Auf dem Hof krähte kein Hahn mehr,

Kein Tier, Windik fiel es schon schwer

Zur Witwe, die einsam und allein.

Die sich freute über den völlig Unangemeldeten.

So kehrte er ein in die Bauernküche,

Wo erfüllten so manche süßen Gerüche

Den warmen Bauernraum.

Die Bauernwitwe nämlich am Bauernofen stand.

Sie buk Pfannkuchen, einen nach den anderen.

Allein dafür hatte es sich wahrlich gelohnt, dass Ausfahren.

Die Düfte wahrlich ein wahrer Traum.

Das Knurren im geistlichen Magen.

Das ist die Geschichte von Pfarrer Windik

Und der alten Witwe Lahmen,

Wie sie leibten, wie sie lebten;

Eine Geschichte wie sie es heute

Wird nicht mehr geben.

Auf dem verfallenen Bauerngut,

Der Bauernofen mit der Feuerglut,

Pfannkuchen gebacken und gewendet,

Stück für Stück, ach, was wollte man mehr?

Mit Eiern und Äpfeln, Äpfeln und Eiern,

Gab es am Ende gar was zu feiern?

Ein hoher Stapel, scheinbar nimmer endet,

Der geistliche Magen - erfüllt von Kohldampf und Schmerz.

Die Alte ließ sich auch nicht zweimal lumpen,

War nicht ganz gesund, hatte Schnupfen.

Was sie vom Gastfreundlichen nicht abhielt.

Ganz im Gegenteil, wie wir gleich erfahren.

Ach, Herr Pfarrer, nun nehmen sie doch einen.

Innerlich war der war aber am leisen Weinen.

Denn mit einem Auge auf die Witwe geschielt,

Ach, könnte die Frau ihm denn gar nichts ersparen?

Die Krankheit bemerkt am feurigen Bauernofen,

Verkühlt die Nase, erhitzt der Schnupfen,

In der Pfanne und Teig mit einem Finger,

an die tröpfelnde Nase wieder.

Das war es ja eben, ständig am Laufen,

Durch die Hitze, war es nicht zum Haare raufen?

Unterm Strich mit Ekel gebackenen in der Pfanne.

Trotz hungrigem Magen war es ihm zu wider.

Er wandte sich und lehnte ab,

Dann eben nicht, meinte die Bäuerin,

Zuckelte nur noch mit den Achseln.

Für Windik war es wirklich schlimm.

Der Magen bis zu den Knien hing.

Aber er schaute noch genauer hin.

Die Bäuerin am Herd, am Backen.

Das ist die Geschichte von Pfarrer Windik

Und der alten Witwe Lahmen,

Wie sie leibten, wie sie lebten;

Eine Geschichte wie sie es heute

Wird nicht mehr geben.

Sie buk und buk in einem fort.

Immerzu am Bauernofen dort.

Der Stapel höher und noch höher,

Äpfel, Äpfel, Eier, Eier.

Nur ein einziges Mal blieb der Finger von der Nase.

Das Tropfen ein einziges Mal ausgefallen.

Bei einem einzigen Pfannkuchen.

Auf dem Kohleofen mit dem heißen Feuer.

Ja, sehr genau beobachtete der Pfarrer Windik dies.

Mit dem in der Pfanne würde es gehen,

Was die Witwe nicht verstehen wollte.

Der in der Pfanne noch viel zu heiß;

Einen vom Stapel, dampfend und warm.

Doch der Pfarrer Windik bestand,

Auf dem in der Pfanne oder keinen.

Witwe Lahmen stöhnte ganz leis.

Dann reichte sie ihn ihm, frisch aus der Pfanne,

Und im geistlichen Munde lief es zusammen.

In Kürze die Zunge verbrannt,

So bekömmlich das Mahl auch war.

Die vielen Äpfel, Äpfel, Eier, Eier,

Zufrieden lehnte er sich zurück,

Hat es doch gar sehr den Magen beglückt.

Nein, es war einfach wunderbar.

Nur die Zunge am Ende, die tat weh.

Ja, die Backkunst beherrschte sie,

Das war zu bezweifeln nicht,

Nur das mit dem Grabe ihres Bauern,

Auf dem Kirchhof wäre ein Dorn im Auge.

Ach, seufzte die Bäuerin Lahmen,

Niemand bräuchte sie tadeln,

Und gäbe es auch nichts zu bedauern,

Auch mangelte es ihr nicht an Glauben.

Das ist die Geschichte von Pfarrer Windik

Und der alten Witwe Lahmen,

Wie sie leibten, wie sie lebten,

Eine Geschichte wie sie es heute

Wird nicht mehr geben.

Nur zu weit wäre der Weg zum Grab,

Seit den Tagen, als er starb,

Einsam unterm Traktor.

Wäre sie nicht selbst schon längst

Dem Tode nahe?

Das Gedenken für ihren Verstorbenen

Trug sie aber im Verborgenen.

Ja, im Herzen sie ihn trug,

Ganz verschwiegen, ganz im Innern.

Zufrieden nickte zu der Pfarrer Windik,

Das was sie sagte, war ihm wichtig.

Denn war sie am Ende nicht doch ein rechtschaffenes Weib,

Mit dem Herzen am rechten Fleck?

Wo sie das Andenken an Ihrem Mann trug

War dies eigentlich nicht mehr wie genug?

Zurück blieb lediglich ein ungepflegtes Grab,

Und nochmal war es der Magen, der ihn plagte.

Ausgelöst vom guten Pfannkuchen

War nämlich ein Völlegefühl zu vernehmen.

Eier, Äpfel, Eier, Äpfel, Eier,

Er fragte an bei der freundlichen Gastgeberin,

Die ihm sogleich den Weg wies.

Ja, Windik fühlte sich jetzt schon irgendwie mies,

Und draußen wäre es, im Freien.

Im Hof werden Sie‘ s schon finden.

Sprach‘ s, Windik ließ die Alte hinter sich,

Die kühle Landluft im Hof erfrischte merklich.

Dort wo ein Holzhäuschen,

Mit Herzchen in der Mitte,

So wie es die Bäuerin beschrieb.

Und das was ihm nun blieb.

Sich dem Örtchen zu nähern,

Schnurstracks und mit festem Schritt.

Das ist die Geschichte von Pfarrer Windik

Und der alten Witwe Lahmen,

Wie sie leibten, wie sie lebten;

Eine Geschichte wie sie es heute

Wird nicht mehr geben.

Doch als er öffnete die Tür,

Erschreckte er sich gar sehr.

Gerüche in die Nase,

Das Herz blieb fast stehen.

Ein Brett mit Loch – mehr war das nicht.

Kein Deckel, kein Nichts, es war einfach nur ärgerlich.

Die Gerüche im Übermaße,

Und überall nur Fliegen, Fliegen, Fliegen.

In seiner Not kaum eine Wahl

War das Überwinden eine Qual.

Doch noch während seinem Aufenthalt

Nahm sich vor der Pfarrer Windik,

Dies der guten Witwe vorzuhalten,

So kann man doch keinen Abort verwalten.

Es lief ihm runter durchaus kalt,

Zu sehr war‘ s für ihn - das Überwinden.

Schlichtweg eine Katastrophe das stille Örtchen,

Ja, wirklich nötig mehr wie ein ernstes Wörtchen.

Auch so könnte man einsam werden.

So betrat er erneut den Küchenraum;

Und dann sprach er: gute Witwe Lahmen,

Ihre Backkunst, was für eine feine Gabe,

Nur das Holzhäuschen im Hintergarten,

Wäre alles andere wie ein Traum.

Man könnte nicht die Türe öffnen

Ohne das Gerüche entgegen strömten,

Und man muss sich überwinden,

Und nichts weiter wie

Fliegen, Fliegen, überall nur Fliegen,

Es stänke wie in einem Schweinestall,

Ein Brett mit Loch dort lediglich zu finden.

Nicht mal ein Deckel, nein, so etwas widerfuhr ihm noch nie.

Das ist die Geschichte von Pfarrer Windik

Und der alten Witwe Lahmen,

Wie sie leibten, wie sie lebten.

Eine Geschichte wie sie heute es

Wird nicht mehr geben.

Und so endete sie auch.

Die Geschichte zwischen den Beiden,

Und ein letztes Mal wendete sie

Einen runden Pfannkuchen,

Mit dem Deckel in der Hand.

Neuer Kontostand: ein ßilberling, ein Ende

Hugo Bauklotz - Ein Zaun

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